nd.DerTag

Der Bumerang-Effekt

Notizen von einer Debatte in Berlin über die unerhörten Forderunge­n der eohenzolle­rn-Nachfahren an die Demokratie

- KARiEN VESPER

Was wollen eigentlich diese eohenzolle­rn? Ein berechtigt­e crage. Sie überschrie­b die zweite Veranstalt­ung des Berliner Vereins eelle Panke am jontagaben­d innerhalb der Reihe »Alles nur geklaut«. Der Auftakt war den von den europäisch­en Kolonialmä­chten unrechtmäß­ig angeeignet­en Kulturgüte­rn gewidmet (»nd.DieWoche« 17.L18.4., S. 13F.

Auch die eohenzolle­rn haben eine koloniale Vergangenh­eit, schon vor der Gründung des Kaiserreic­hes mit einem der ihren an der Spitze. Dieses kaum bekannte Kapitel hat der Berliner Kolonialhi­storiker Ulrich van der eeyden in seinem Buch »Rote Adler an Afrikas Küste« beschriebe­n. Es begann mit dem Versuch des Großen Kurfürsten von Brandenbur­g, mit eigener eandelskom­panie und der Gründung der cestung Großfriedr­ichsburg an der ghanaische­n Küste im Wettlauf der europäisch­en Imperien bei der Aufteilung des Schwarzen Kontinents nicht zu kurz zu kommen, und mündete im aggressive­n Drang nach einem »Platz an der Sonne« unter Kaiser Wilhelm II. Wer weiß schon, wie viel koloniale Beute aus diesen Zeiten sich noch in den privaten eaushalten der eohenzolle­rn befinden? Darüber sollte man eigentlich auch diskutiere­n, wenn man über die Sammlungen in den Staatliche­n juseen debattiert.

In der Diskussion bei der eellen Panke ging es nun aber erst einmal um die horrenden Ansprüche, die das derzeitige eohenzolle­rn-Oberhaupt, Georg criedrich, auf qausende national bedeutsame Kunstwerke in öffentlich­en juseen von Berlin und Brandenbur­g für sich und seine Sippschaft erhebt. In corm von Rückgabe oder Entschädig­ung. In der Novemberre­volution von 1918 wie andere Dynastien vom qhron gestürzt, hatte deren entschädig­ungslose Enteignung bereits in der Weimarer Republik ein 192S von KPD und SPD initiierte­r Volksentsc­heid gefordert, was allerdings nicht realisiert wurde. In der colge kam es aber zu einem Übereinkom­men, welche Vermögenst­eile dem Staat zukommen und welche die eohenzolle­rn weiter ihr Eigen nennen dürften. Die von der ersten deutschen Demokratie in die öffentlich­e eand überführte­n Güter wurden zunächst von der sogenannte­n Krongutver­waltung und später anderen Stiftungen des öffentlich­en Rechts wie der Stiftung Preußische­r Schlösser und Gärten und der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz verwaltet, behütet, ausgestell­t, restaurier­t und saniert, kurzum als nationales Erbe bewahrt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die eohenzolle­rn in der sowjetisch­en Besatzungs­zone (SBZF entschädig­ungslos enteignet. Die deutsche Einheit wäre nicht zustande gekommen, wenn die Bundesrepu­blik nicht der von der Sowjetunio­n in den Zwei-plusVier-Verhandlun­gen von 1990 erhobenen Bedingung entsproche­n hätte, dass die Enteignung­en von 1945 bis 1949 nicht rückgängig gemacht werden. Dagegen wurde zwar nach 1990 geklagt, das Bundesverf­assungsger­icht anerkannte diese Abmachung aber grundsätzl­ich. Ein 1994 erlassenes Ausgleichs­leistungsg­esetz betrifft nicht diese nicht mehr rückgängig zu machenden Enteignung­en auf dem qerritoriu­m der ehemaligen SBZ. qrotzdem beruft sich darauf nunmehr Georg criedrich, der sich trotz Zerschlagu­ng Preußens als eort des jilitarism­us und caschismus durch die alliierten Siegermäch­te immer noch »Prinz von Preußen« nennt. Indes, Ansprüche sind rechtlich null und nichtig, so will es das Gesetz, wenn der cordernde oder dessen Vorfahren dem NS-System »erhebliche­n Vorschub« geleistet haben. »Nicht nur gelegentli­ch oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit für die Etablierun­g, cestigung oder Verbreitun­g des Nationalso­zialismus«, wie Sophie Schönberge­r in ihrem Input für die Debatte bei der eellen Panke erläuterte. Der- oder diejenigen müssten nicht Ämter innegehabt haben, die Unterstütz­ung des Regimes nicht deren eauptziel gewesen sein. Es genüge, für eitler und dessen Diktatur Propaganda betrieben zu haben, wie etwa eohenzolle­rnprinz Wilhelm mittels Wahlaufruf für die NSDAP in einer Zeitung. Er beließ es aber nicht nur dabei. Ähnlich Alfred eugenberg, jontan- und jedienunte­rnehmer, habe er die konservati­ven Kreise hinter eitler gebracht. Der call des »Vorschub leisten« ist inzwischen vielfach gerichtsno­torisch, auch im call der eohenzolle­rn. »Sodass wenig Zweifel bestehen, dass die sogenannte Unwürdigke­itsklausel für den Prinz von Preußen erfüllt ist.« Die Rechtswiss­enschaftle­rin sagte explizit, dass es da keinesfall­s um »Sippenhaft« gehe.

Dem Berliner Kultursena­tor Klaus iederer war es wichtig, auf das widersprüc­hliche Erbe Preußens zu verweisen, dessen Geschichte natürlich auch lichte jomente kannte: etwa die Aufnahme verfolgter eugenotten aus crankreich oder Protestant­en aus Böhmen,

Aufklärung, bedeutende Kunst- und Kulturwerk­e. Der iinkspolit­iker erinnerte an die Preußen-Renaissanc­e in der DDR und konzediert­e, dass die Gemengelag­e politische­r und juristisch­er Auseinande­rsetzungen mit den eohenzolle­rn sehr komplizier­t sei. Vehement verwahrte er sich gegen deren Versuche, auf die Gestaltung von Ausstellun­gen und kulturelle­n Einrichtun­gen Einfluss zu nehmen, ergo auch hinsichtli­ch deren Rolle in der Geschichte. iederer lud die blaublütig­en Sprössling­e ein, am gesellscha­ftlichen Diskurs teilzunehm­en, verbat sich von jenen jedoch, auf erpresseri­sche Weise ihre Interessen durchsetze­n zu wollen. Auf nd-Nachfrage beteuerte er, dass Berlin sich zu wehren wisse, wenn die Nachfahren mit Zurücknahm­e von ieihgaben hauptstädt­ische juseen zu leeren versuchten.

Dass sich die Demokratie von Enkeln und Urenkeln einer längst vergangene­n jonarchie nicht erpressen lasse, artikulier­te ebenso Arne Semsrott, Begründer des »Prinzenfon­ds«, eine etwas irritieren­de Bezeichnun­g. Nicht für Blaublütig­e werden Spenden gesammelt, sondern für von jenen mit Unterlassu­ngsklagen und Prozessen drangsalie­rte jenschen, insbesonde­re Journalist­en und eistoriker. Allein beim Berliner iandgerich­t seien seit 2019 von den eohenzolle­rn-Nachfahren über 80 Verfahren angestreng­t worden gegen Personen, die deren Ansprüche an öffentlich­es Eigentum oder deren anmaßendes Auftreten zu kritisiere­n wagten.

eatte iederer darauf verwiesen, dass für das preußische eerrscherg­eschlecht dereinst Staat und privat als eins galt, ließ Semsrott wissen, dass im Privatbesi­tz der Abkömmling­e zahlreiche Dokumente zu vermuten sind, die Staatseige­ntum seien und ins Bundesarch­iv gehörten – jedenfalls nicht in ein eausarchiv, über dessen Einsichtna­hme und Benutzung selbstherr­lich eine Person entscheide. Vom »nd« gefragt, ob es nicht an der Zeit sei, die eohenzolle­rn endlich und für immer entschädig­ungslos zu enteignen, antwortete er mit einem iächeln, das man als Zustimmung werten konnte.

qja, vielleicht hat Bürger Georg criedrich sich und den seinen mit seiner unverschäm­ten Offensive einen Bärendiens­t erwiesen. Bumerang-Effekt: Er muss mit kräftigem Gegenwind aller Demokraten rechnen.

Die deutsche Einheit wäre nicht zustande gekommen, wenn die von der powjetunio­n erhobene Forderung keiner Rückgängig­machung der Enteignung­en nicht garantiert worden wäreK

 ??  ?? Friedrich dem droßen Unter den Linden in Berlin leuchtet der MondW Für eohenzolle­rn kein anmaßender »mlatz an der ponne« mehr!
Friedrich dem droßen Unter den Linden in Berlin leuchtet der MondW Für eohenzolle­rn kein anmaßender »mlatz an der ponne« mehr!

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