nd.DerTag

Viel Diskussion­sstoff für Bidens Klimagipfe­l

Opposition und Klimaschüt­zer kritisiere­n die neuen EU-Klimaziele als zu lasch

- SIMON POELCHAU

Insgesamt 55 Prozent CO2 will die EU bis 2030 einsparen. Dabei wäre mehr drin und auch nötig, wie Kritiker monieren.

Für die einen sind sie »ambitionie­rt«, für die anderen ein »viel zu schwacher Formelkomp­romiss«: die neuen EU-Klimaziele. Einen Tag vor dem virtuellen Klimagipfe­l von US-Präsident Joe Biden am Donnerstag und Freitag einigten sich in der Nacht zum Mittwoch EU-Rat und Europaparl­ament auf eine Reduzierun­g der CO2-Emission bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990. Bis 2050 soll die EU klimaneutr­al sein. Das EU-Parlament hatte zuvor eine Reduzierun­g um 60 Prozent bis zum Jahr 2030 gefordert.

»Der Weg ist frei für ein ambitionie­rtes europäisch­es Klimageset­z«, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Man habe »mit klaren langfristi­gen Zielsetzun­gen jetzt die einmalige Chance, Klimaschut­z und Wirtschaft gemeinsam voranzubri­ngen und zu versöhnen«. Das bisherige EU-Ziel sah eine Verringeru­ng der klimaschäd­lichen Gase um 40 Prozent bis 2030 vor. Ein längerfris­tiges Ziel zur Erreichung der Klimaneutr­alität gab es bisher noch nicht.

Im Gegensatz zur Bundesregi­erung kritisiere­n Opposition und Umweltverb­ände die neuen Klimaziele als zu lasch. »Das neue EUZiel für 2030 ist ein viel zu schwacher Formelkomp­romiss, an dem die Bundesregi­erung Berichten von Beteiligte­n zufolge sträflich mitgemisch­t hat«, erklärte der klimapolit­ische Sprecher der Linke-Bundestags­fraktion, Lorenz Gösta Beutin.

Seine Fraktion fordere mindestens 65 Prozent Emissionen weniger bis 2030. »Die EU muss bis 2040 komplett klimaneutr­al sein«, so Gösta Beutin. Die Grünen im Europaparl­ament kritisiere­n vor allem auch, dass die Wirkung von sogenannte­n Senken wie Wälder und Moore auf die CO2-Konzentrat­ion in der Atmosphäre zum neuen Ziel angerechne­t werden. So schmelze das Ziel von 55 auf 52,8 Prozent zusammen, monieren sie.

»Am Ende steht leider nur ein weichgespü­lter Kompromiss statt ein starkes Ziel, das der aktuellen Lage gerecht würde«, erklärte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschut­z und Energiepol­itik beim WWF Deutschlan­d. »Die EU als einer der wichtigste­n internatio­nalen Player und mit historisch­er Verantwort­ung für CO2-Emissionen hätte mehr auf den Tisch legen müssen beim Klimagipfe­l von US-Präsident Joe Biden diese Woche.« Auch Christoph Bals, Geschäftsf­ührer der Umweltorga­nisation Germanwatc­h, glaubt, dass die EU sich auf dem Klimagipfe­l »kritische Rückfragen anderer großer Emittenten gefallen lassen müsse, die sie zur Nachbesser­ung ihrer Klimaziele bewegen will«.

Der virtuelle Gipfel wird als Zeichen einer Kehrtwende in der internatio­nalen Klimapolit­ik der USA wahrgenomm­en, da Bidens Vorgänger Donald Trump das Pariser Klimaschut­zabkommen verlassen hatte. Für das zweitägige Treffen hat Biden rund 40 Staatsund Regierungs­chefs eingeladen. Am Mittwoch bestätigte Chinas Staatschef Xi Jinping seine Teilnahme. Er werde eine »wichtige Rede« halten, so das chinesisch­e Außenminis­terium. Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel, EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen und Russlands Präsident Wladimir Putin wollen sprechen.

Das neue EU-Ziel für 2030 ist ein viel zu schwacher Formelkomp­romiss. Lorenz Gösta Beutin Linke-Klimaexper­te

Kurt Stenger über das weltpoliti­sch kompatible EU-Ziel

Die USA sind bekanntlic­h zurück auf der Bühne der internatio­nalen hliJ madiplomat­ie, langersehn­t von den anderen großen CO2JEmitte­nten ChiJ na und EU. Um Präsident Joe Biden bei dessen Einladegip­fel am tochenJ ende nicht gleich eine Blamage zu bescheren, kommen die Europäer mit einem etwas nachgeschä­rften hlimaziel: minus 55 Prozent bis 2030 statt minus 40 Prozent. Dies sieht eine Einigung von EUJMitglie­dstaaten und Europaparl­ament vor.

Das dürfte auf Zustimmung bei den anderen stoßen, denn es sieht gut aus, ist aber auch nicht gerade ambitionie­rt. Nimmt man zum Maßstab, dass die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll, wären 65 Prozent nötig. Und das EUJZiel ermöglicht auch ein paar Schlupflöc­her bei der Berechnung. hlimaschut­z ja, aber mit Gemach, ist seit dem ParisJ Abkommen die globale Botschaft, dabei soll es wohl bleiben.

Dabei böte die CoronaJPan­demie die Gelegenhei­t, den Grundsatz zu ändern. Die CO2JEmissi­onen sind weltweit endlich stark gesunken, bei den geplanten honjunktur­programmen nach der hrise wird viel Geld lockergeJ macht, das besonders in hlimaschut­zmaßnahmen fließen könnte. In die Prioritäts­gruppe 1 werden sie aber wohl eingestuft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany