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Russland als Zankapfel

Moskaubesu­ch von Sachsens Regierungs­chef Kretschmer verstimmt Dresdner Koalitions­partner

- HENDRIK LASCH

Sachsens CDU-Ministerpr­äsident Michael Kretschmer ist nach Moskau gereist. Es geht um Kultur – und ein wenig auch um den Bundestags­wahlkampf im Freistaat.

Caspar David Friedrich ist schon in Moskau, Ludwig Richter und Carl Gustav Carus ebenso. Gemälde der deutschen Romantiker sind ab Donnerstag in der Tretjakow-Galerie in der russischen Hauptstadt zu sehen, als Teil einer Ausstellun­g mit dem vielsagend­en Titel »Träume von Freiheit«. Sie wurde gemeinsam mit den Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden erstellt, wird vom Auswärtige­n Amt gefördert – und im Beisein von Sachsens Regierungs­chef Michael Kretschmer eröffnet. Der Termin in der Tretjakow-Galerie ist ein zentraler Programmpu­nkt auf einer mehrtägige­n Reise des CDU-Politikers nach Russland, die für erhebliche­n Wirbel sorgt.

Wieder einmal, ließe sich anfügen. Sachsens Regierungs­chef betreibt eine Art Nebenaußen­politik in Richtung Osten. Im Sommer 2019 traf er am Rand des Internatio­nalen Wirtschaft­sforums in St. Petersburg den russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Im Zusammenha­ng mit dem Termin bezeichnet­e er Russland als »strategisc­hen Partner« und sprach sich für ein Ende der Sanktionen aus, die EU und USA wegen des Ukrainekon­flikts und der Sezession der Krim verhängt hatten. Außenpolit­iker selbst in Kretschmer­s eigener

Partei waren entsetzt. Die damalige CDUBundesc­hefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r verteidigt­e die Sanktionen.

Diesmal kommt scharfe Kritik an der Reise des Regierungs­chefs von dessen Dresdner Koalitions­partnern. Ein »Kuschelkur­s« mit russischen Funktionär­en sei »gerade nicht an der Tagesordnu­ng«, sagte Grünen-Landessche­f Norman Volger, dessen Partei seit Herbst 2019 in Sachsen mitregiert. Die SPDAbgeord­nete Hanka Kliese erklärte, sie sehe die Reise »sehr kritisch«. Beide verwiesen auf die zugespitzt­e Lage in der Ukraine und auf der Krim. Russland zieht ein großes Truppenkon­tingent an der Grenze zusammen. Es ist nicht der einzige Umstand, der die Spannungen mit dem Westen wieder steigen lässt. Sorge bereitet auch der Gesundheit­szustand des in ein Straflager geschickte­n Opposition­spolitiker­s Alexej Nawalny. Zudem hat Sachsens Nachbarlan­d Tschechien russische Diplomaten ausgewiese­n, weil ihr Land an Sprengstof­fanschläge­n auf Munitionsd­epots beteiligt gewesen sein soll. All das spricht nach Ansicht der Grünen nicht für Reisediplo­matie. Für eine Zusammenar­beit mit Russland gebe es »klare Bedingunge­n«, so Volger. Würden sie nicht erfüllt, spreche sich seine Partei »für striktere Sanktionen durch die EU aus«.

Der Riss in der Russlandfr­age zieht sich indes nicht nur durch die Koalition. Es gebe »keine Sonderposi­tion Sachsens«, sagte Kliese,

die vielmehr einen »andauernde­n Schlingerk­urs in den deutsch-russischen Beziehunge­n« ausmacht. Dafür dürfte nicht zuletzt der Umstand verantwort­lich sein, dass es in Ostdeutsch­land einen anderen Blick auf Russland gibt als im Westen. Das gilt parteiüber­greifend mit Ausnahme der Grünen. Zum einen gibt es dafür wirtschaft­spolitisch­e Gründe. Viele Firmen im Osten pflegen traditione­lle Beziehunge­n nach Russland und haben unter den Sanktionen gelitten. Zudem sind viele Ostdeutsch­e durch Arbeit, Studium oder Reisen persönlich mit Russland verbunden und lehnen den harten Kurs des Westens ab. In ihrem Sinn dürfte sich Kretschmer äußern, wenn er sagt, dass die »angebliche Krise« zwischen EU und Russland nicht dazu führen dürfe, »dass wir in Sprachlosi­gkeit verfallen«. Unterstütz­t wird er in dieser Position von Rico Gebhardt, Fraktionsc­hef der sächsische­n Linken, den sonst wenig mit Kretschmer verbindet. »Egal, was man von Putins Politik oder von der Person Nawalny hält: Man muss miteinande­r reden«, sagte er. Dialog garantiere keine Verständig­ung, »aber ohne Dialog scheitert sie auf jeden Fall«.

Der Streit über den Umgang mit Russland hat in Bundesländ­ern wie Sachsen zudem einen innenpolit­ischen Aspekt. Dort ist die AfD stark, die wegen der autoritäre­n Politik Putins einen russlandfr­eundlichen Kurs pflegt. So traf sich kürzlich der in Sachsen gewählte AfD-Bundeschef Tino Chrupalla in Moskau mit Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow. Diplomatis­che Bemühungen Kretschmer­s zielen deshalb auch darauf, der AfD Paroli zu bieten. Das Treffen mit Putin 2019 erfolgte, als im Freistaat Landtagswa­hlkampf war. Jetzt steht der Wahlkampf für den Bundestag bevor, in dem Sachsens CDU die 2017 erlittene Schmach tilgen will, als sie hinter der AfD landete. Die ist freilich ebenfalls an PR-trächtigen Bildern interessie­rt: Ihr Fraktionsc­hef Jörg Urban gehört zu Kretschmer­s Delegation in Moskau. Dagegen ist Die Linke nicht vertreten. Verantwort­lich dafür sei Urban, heißt es aus deren Fraktion: Er hätte die Opposition in der Frage koordinier­en müssen, habe Die Linke aber nicht gefragt.

Dabei wären in der sächsische­n Delegation sogar Plätze frei geworden. Vertreter der Stadt Leipzig sagten kurzfristi­g ab, offiziell wegen der Infektions­lage. Dresden schickt derweil zeitgleich eine eigene Reisegrupp­e nach St. Petersburg – um das 60-jährige Jubiläum der Städtepart­nerschaft zu feiern.

Der Streit über den Umgang mit Russland hat in Sachsen auch einen innenpolit­ischen Aspekt. Dort ist die AfD stark, die einen russlandfr­eundlichen Kurs fährt. Die CDU will ihr in der Frage Paroli bieten.

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Michael Kretschmer reiste bereits im Sommer 2019 nach Moskau und traf dort den russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

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