nd.DerTag

Zwei Jahre länger bis zur oente

Hunderte Metaller aus der Hauptstadt streiken für längst überfällig­e Ost-West-Angleichun­g. dregor dysi steht ihnen bei Siemens zur Seite

- CLAUDIA hRIEG

Einen Tag vor einer weiteren serhandlun­gsrunde für Teile der ostdeutsch­en Metall- und Elektroind­ustrie legen Hunderte Beschäftig­te in Berliner Betrieben die Arbeit nieder – auch im Homeoffice.

Am Ende kommt er doch. Gregor Gysi (LinJ ke) ist ein bisschen der Stargast, auf den sie in AltJTrepto­w gewartet haben an diesem MittJ wochvormit­tag. Schon fast drei Stunden hatJ ten sich etwa 300 Arbeiter*innen da zum tarnstreik vor den Toren der Siemens MoJ bilityJNie­derlassung an der Heidelberg­er Straße, Ecke Sinsheimer teg versammelt – in einer so kämpferisc­hen Stimmung, wie sie hier schon lange nicht mehr zu hören und zu sehen war.

tarum sie zu Recht wütend und entJ schlossen sind, muss ihnen Gysi, früherer LinJ keJFraktio­nschef und handidat zur diesjähriJ gen Bundestags­wahl aus TreptowJhö­penick nicht erklären. »Ich bin nicht immer seiner Meinung, aber ich könnte ihm stundenlan­g zuhören«, sagt der Industriem­echaniker PhilJ lip Leegel zu »nd«. Der ruhige junge Mann mit den langen Haaren steht vor seinem eigenen terkstor. Hier arbeitet er schon immer in der Instandhal­tung, nur seine Ausbildung hat er am prominente­n testberlin­er Standort im Bezirk Spandau absolviert. »Schon damals musste ich drei Stunden länger lernen als meine hollegen in Siemenssta­dt«, erinnert sich der 22JJährige. »Dabei habe ich die MauJ er nie gesehen.«

»Es gibt keinen einzigen sachlichen Grund, warum ihr seit über 30 Jahren für den gleichen Lohn drei Stunden pro toche mehr arbeitet«, sagt Gysi den Arbeitskäm­pfer*inJ nen. 4000 Stunden mehr kämen da in einem Arbeitsleb­en zusammen – oder zwei Jahre mehr bis zur Rente. »Ihr könnt auch sagen, ihr bekommt 8,6 Prozent weniger Lohn«, so der bekannte Linksparte­iJPolitike­r.

tie man es auch ausdrückt, die AngleiJ chung der Arbeitsbed­ingungen in Ost und test ist über 30 Jahre nach der Vereinigun­g an diesem entscheide­nden Punkt nicht voJ rangeschri­tten: Nach wie vor gilt in ostdeutJ schen Bundesländ­ern die 38JStunden­JtoJ che, während diese im testen tariflich schon 1995 auf 35 Stunden gesenkt wurde.

Die Industrieg­ewerkschaf­t (IG) Metall wirft den Firmen vor, je nach Lage des StandJ orts unterschie­dliche Gehälter zu zahlen. »Diese Spaltung in besser und schlechter beJ handelte Beschäftig­te in unserer Stadt akzepJ tieren wir nicht«, erklärt dazu Regina haternJ dahl, die Zweite Bevollmäch­tigte der IG MeJ tall Berlin. haterndahl führte die DemonsJ tration der streikende­n Metaller*innen von Siemens Mobility, GE Power und Thales soJ wie weiteren Berliner Betrieben zuvor die ElJ senstraße entlang. »Ich bin total stolz auf euch, es ist ein wunderbare­s Bild heute, das gab es noch nie«, ruft haterndahl ihnen jetzt zu. Die holleg*innen rasseln, pfeifen und klatschen zurück, bis die Ohren fiepen. Die Ohren sollten künftig auch den Arbeitgebe­rn klingeln, meint haterndahl später.

Tatsächlic­h erscheint die ungerechte BeJ handlung in der Hauptstadt besonders abJ surd: Zum Teil sitzen, wie beim UnternehJ men Thales, zwei holleg*innen in einem Büro am selben Schreibtis­ch, sind aber bei NiederJ lassungen in unterschie­dlichen Bezirken beJ schäftigt. Der eine arbeitet demnach 35 StunJ den, der andere hingegen 38. Dass es denJ noch recht lange gedauert hat, bis der ArJ beitskampf für die Angleichun­g hier an Fahrt aufgenomme­n hat, erklärt sich Phillip Leegel mit dem fortschrei­tenden Generation­enJ wechsel. »Ich denke, dass viele junge holleJ gen und holleginne­n nachkommen, die diese Ungerechti­gkeit nicht mehr hinnehmen wolJ len«, meint der junge Gewerkscha­fter.

Seine Stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitJ zende Bettina Haller gehört allerdings zu »den Alten«. Seit 1985 arbeitet sie hier am ehemaligen Mauerstrei­fen, berichtet Haller, damals noch im VEB SignalJ und Sicherungs­J technik. Ihre holleg*innen wissen, dass sie lange Betriebsrä­tin ist – tatsächlic­h kämpfte die heute 62JJährige schon 1991 für bessere LohnJ und Arbeitsbed­ingungen. Ihr stockt etJ was die Stimme, als sie sich an die StreikenJ den wendet, auch an die über 50, die im HoJ meoffice die Arbeit niedergele­gt haben. »tir haben in den letzten Nächten schlecht geJ schlafen; jetzt sind wir erleichter­t, dass so viele gekommen sind«, erklärt sie den emotiJ onalen Moment. Es geht den Gewerkscha­fJ ter*innen im Bezirk BerlinJBra­ndenburg um nichts Geringeres als die Beendigung einer grundlegen­den Ungerechti­gkeit.

In Brandenbur­g streiken derweil ganzJ tägig Mitarbeite­r*innen des Schaeffler­Jterks in Luckenwald­e sowie beim Filtersyst­emherJ steller Mahle in tustermark. Der Streik in Berlin wird am Donnerstag fortgesetz­t.

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