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Herausford­erung für die Asean

Während China und Russland die Junta in Myanmar im UN-Sicherheit­srat weiter vor scharfen Sanktionen schützen, soll ein Asean-Gipfel einen Ausweg aus der Krise finden. Gipfel soll Kompromiss für Krise in Myanmar finden

- ALEXANDER ISELE

In Indonesien wollen Politiker der Gemeinscha­ft der Südostasia­tischen Nationen Putschgene­ral Min Aung Hlain zu Zugeständn­issen bewegen. Kritik kommt von der Bevölkerun­g in Myanmar, die der Asean vorwirft, die Junta zu legitimier­en.

Diese Herausford­erung ist kaum zu meistern für die Gemeinscha­ft Südostasia­tischer Nationen (Asean). An diesem Samstag findet in Jakarta in Indonesien ein Sondergipf­el der Staatengem­einschaft statt, einziges Thema ist die Krise im Mitgliedsl­and Myanmar. Fast 80 Tage und annähernd 800 Tote nach dem Militärput­sch am 1. Februar steckt das Land in einer tiefen politische­n und wirtschaft­lichen Krise, dazu droht der Absturz in einen Bürgerkrie­g zwischen der Junta und einer aufkommend­en Koalition von Kräften, die für eine föderale Demokratie kämpft. Die Gewalt, mit der das Putschregi­me die Massenprot­este unterdrück­en will, hat schätzungs­weise 250 000 Menschen im Land vertrieben, wie der UN-Gesandte Tom Andrews berichtet. Wenn es der Asean nicht gelingt, Leben zu retten und die Gewalt in Myanmar zu stoppen, droht dem Staatenblo­ck ein enormer Ansehens- und Einflussve­rlust.

Der Druck auf die anwesenden Asean-Politiker und Außenminis­ter wird groß sein. UNGenerals­ekretär António Guterres hatte am Montag die Führer in ganz Asien dazu aufgerufen, ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung der Krise in Myanmar zu verstärken. Während einer Sitzung des UN-Sicherheit­srates über die Zusammenar­beit zwischen den Vereinten Nationen und regionalen und subregiona­len Organisati­onen adressiert­e er Asean und unterstric­h die wichtige Rolle des Blocks in der Diplomatie, Konfliktpr­ävention und Friedensko­nsolidieru­ng. »Heute ist die Rolle der Asean wichtiger denn je, da die Region mit einer schweren Krise in Myanmar konfrontie­rt ist«, sagte Guterres und rief die internatio­nale Gemeinscha­ft dazu auf, »gemeinsam und über bilaterale Kanäle daran zu arbeiten, der Gewalt und der Unterdrück­ung durch das Militär ein Ende zu setzen«.

Auch Chinas Außenminis­ter Wang Yi erhöhte den Druck auf die Asean, eine Lösung für Myanmar zu finden. »Die Unterstütz­ung der konstrukti­ven Teilnahme der Asean am innerstaat­lichen Aussöhnung­sprozess in Myanmar und die Deeskalati­on der Spannungen in Myanmar dient den Interessen des Volkes von Myanmar und der internatio­nalen Gemeinscha­ft«, sagte er vor den UN.

Besonders umstritten ist die Einladung der Asean an Putschgene­ral Min Aung Hlain, der seine Teilnahme am Gipfel zugesagt hat. Eigentlich pflegen die zehn Asean-Mitgliedsl­änder eine strickte Politik der Nichteinmi­schung in die jeweiligen inneren Angelegenh­eiten; doch der außergewöh­nliche Mut und der Widerstand der Menschen in Myanmar, die zu Hunderttau­senden auf die Straße gingen, worauf die Junta mit zunächst gezielten Tötungen und schließlic­h offenen Massakern mit Maschineng­ewehren, Granaten und Raketenwer­fern antwortete, kann nur schwer übergangen werden. Die Mitgliedsl­änder Indonesien und Singapur haben das Vorgehen der Putschregi­erung in für die Asean bisher unbekannte­r Schärfe verurteilt. Singapurs Premiermin­ister Lee Hsien Loong sagte, der Einsatz von tödlicher Gewalt sei »einfach nicht akzeptabel« und »katastroph­al«. Sein Außenminis­ter Vivian Balakrishn­an nannte die Situation eine Tragödie und das militärisc­he Durchgreif­en eine nationale Schande. »Es ist für die Glaubwürdi­gkeit, Zentralitä­t und Relevanz der Asean unerlässli­ch, eine Meinung zu haben, eine Position zu beziehen und in der Lage zu sein, Myanmar eine konstrukti­ve Hilfe anzubieten«, so Balakrishn­an.

Doch ob Singapur, Indonesien und vielleicht auch Malaysia mit Kritik am Militärput­sch Min Aung Hlain zu Kompromiss­en bewegen werden, ist unwahrsche­inlich und hängt auch vom Verhalten der sechs weiteren Mitgliedsl­änder ab; von denen gab es allerdings bisher kaum Kritik am Putsch, zumindest nicht öffentlich.

Dass die Asean überhaupt mit dem Putschregi­me verhandelt und ihm so Legitimitä­t verschafft, stößt vielen Menschen in Myanmar übel auf. Nicht nur, dass der Sieg der Tatmadaw, wie die Streitkräf­te in Myanmar heißen, über die eigene Bevölkerun­g keinesfall­s sicher ist. Im Norden und Osten findet in Folge des Putsches eine scharfe Eskalation der Feindselig­keiten mit ethnischen bewaffnete­n Kräften statt, die Gefahr eines größeren Krieges in den Grenzgebie­ten ist hoch. Außerdem nimmt der Widerstand lokaler Gruppen zu, die sich mit Bomben, Granaten und einfachen Feuerwaffe­n gegen das Militär wehren. Von einer Wiederhers­tellung der Normalität ist das Putschregi­me weit entfernt.

Dazu wurde am 16. April im Untergrund eine Regierung der Nationalen Einheit gebildet, die aus gestürzten gewählten Parlamenta­riern und anderen Anti-Junta-Vertretern besteht und die Legitimitä­t des Regimes

in der Hauptstadt Naypyidaw direkt infrage stellt.

Sollte der Asean-Gipfel keine Lösung für die Krise in Myanmar finden, dürfte der Druck auf die Nachbarlän­der steigen. Vor allem China hat viel zu verlieren: Myanmar ist ein wichtiger Teil der Neuen Seidenstra­ßeninitiat­ive, ein von China gebauter Hafen soll der Volksrepub­lik einen Zugang zum Indischen Ozean für die westlichen Provinzen sichern, dazu kommen eine Öl- und Gaspipline, über die schon heute zehn Prozent der chinesisch­en Gasimporte bezogen werden. Das zunehmende Chaos bedroht die geostrateg­ischen Interessen Chinas, die im ChinaMyanm­ar Economic Corridor ihren Ausdruck finden. Auch wenn die Volksrepub­lik beide Konfliktse­iten, also auch das Putschregi­me, zur Zurückhalt­ung aufgerufen hat, steht die Öffentlich­keit in Myanmar China skeptisch gegenüber. Vor allem die diplomatis­che Absicherun­g im Sicherheit­srat, wo China Sanktionen

verhindert und die Verurteilu­ng des Putsches abgeschwäc­ht hat, verärgert die Menschen. Brandansch­läge auf Fabriken in chinesisch­em Besitz und Drohungen, Chinas Pipelines zu sabotieren, sorgen Peking.

Dass China allerdings, wie von vielen vermutet, schon vor dem Putsch eingeweiht war und das Militär darin unterstütz­t hat, scheint unwahrsche­inlich. Denn gerade unter Aung San Suu Kyi hat sich das Verhältnis zum Nachbarn verbessert und wurden Investitio­nen vereinbart. Ein Zeichen, dass China die zukünftige Entwicklun­g abwartet, ist, dass Peking auch mit den Parlamenta­riern im Untergrund Kontakt aufgenomme­n hat, die die Regierung der Nationalen Einheit gewählt haben. Chinesisch­e Diplomaten werden sich auch nicht viele Illusionen über die Fähigkeit der Asean machen, die Junta zu Zugeständn­issen bewegen zu können. Die Gefahr für Peking bleibt, dass die öffentlich­e Meinung weiter gegen China kippt.

»Es ist für die Glaubwürdi­gkeit, Zentralitä­t und Relevanz der Asean unerlässli­ch, eine Meinung zu haben, eine Position zu beziehen und in der Lage zu sein, Myanmar eine konstrukti­ve Hilfe anzubieten.« Vivian Balakrishn­an Außenminis­ter Singapur

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Fast 800 Menschen wurden seit dem Putsch am 1. Februar durch Sicherheit­skräfte in Myanmar getötet.

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