nd.DerTag

Alternativ­e Stadtgesch­ichte

Linkes Zentrum blickt auf 900 Jahre Freiburg im Breisgau

- DIRK FARKE Alle Termine der sowie zeitnah den jeweiligen Link zur Teilnahme unter www.iz3w.org/ projekte/stadtjubil­aeum/programm

Warum das Jubiläum der Stadt im heutigen Dreiländer­eck Frankreich, Schweiz und Deutschlan­d nicht »pünktlich« gefeiert werden konnte, ist bekannt. Pandemiebe­dingt wurden viele bereits 2020 zum 900. Jahrestag der Verleihung des Marktrecht­s geplante Festivität­en um ein Jahr verschoben. Auch das örtliche »Informatio­nszentrum Dritte Welt« (iz3w) holt eine damals geplante in Veranstalt­ungsreihe jetzt nach. Unter dem Motto »War da was? Freiburger Geschichte ungeschönt« nehmen die »Freiburger Freigeiste­r« das Jubiläum zum Anlass, sich an die kritische Öffentlich­keit zu wenden. Denn zu Jubiläen werden die Schattense­iten der eigenen Geschichte nur zu gern verdrängt. Da macht auch das sich linksalter­nativ gebende Studierend­enstädtche­n am Oberrhein keine Ausnahme. Deshalb ist es nicht unbedeutsa­m, dass die Themen wie Rassismus, Kolonialis­mus, Antizigani­smus, Migration, Nationalso­zialismus und jüdisches Leben, die bei offizielle­n Feierlichk­eiten nicht zur Sprache kommen, hier thematisie­rt werden.

»Wir wollen nicht in die allgemeine Euphorie mit einstimmen«, stellt Rosaly Magg, Sprecherin des iz3w, gegenüber »nd« klar. Bei allen Veranstalt­ungen werde in aller Dringlichk­eit deutlich, wie weit die Freiburger Geschichte bis in unsere Gegenwart reicht.

Den Auftakt bildete diese Woche Larissa Schobers Onlinevort­rag »Erinnern, um zu vergessen. Erinnerung­skultur zwischen Aufarbeitu­ng und Instrument­alisierung«. Es ist der einzige, der eine Wiederholu­ng darstellt. Denn wenige Tage vor dem ersten bundesweit­en Lockdown hatte Schober ihn bereits im Rahmen einer außergewöh­nlich gut besuchten analogen Veranstalt­ung in Freiburg gehalten. Die Journalist­in forscht zu Post-KonfliktGe­sellschaft­en und fragt, nicht zuletzt mit Blick auf die deutsche NS-Vergangenh­eit: »Wer erinnert was und zu welchem Zweck, und was wird bewusst vergessen?« In Deutschlan­d werde die eigene Erinnerung­skultur immer noch zu unkritisch gesehen, meint sie. Auch gelinge es dem »Aufarbeitu­ngsweltmei­ster« leider bis heute, sich durch den Bau von Denkmälern oder Museen und durch Veranstalt­ungen immer wieder selbst Absolution zu erteilen. Dabei sei man gerade hierzuland­e viel zu früh dazu übergegang­en, das Vergangene auf sich beruhen zu lassen, um wieder stolz auf die eigene Geschichte blicken zu können.

Bis zum 24. Juni bietet das iz3w weitere Vorträge an, so zur jüdischen Geschichte, zur »Rassenkund­e« an der Freiburger Universitä­t, zur Geschichte städtische­r Denkmäler. Noch unter Vorbehalt steht der für den 22. Juni geplante echte Stadtspazi­ergang. Dabei soll es Antworten auf Fragen wie: »War der Freiburger Reichstag von 1498 der G7 des Mittelalte­rs?« »Wer trug vor 400 Jahren das größte Risiko, als Hexe ermordet zu werden?« oder »Wie kam die große ethnologis­che Sammlung nach Freiburg?« geben.

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