nd.DerTag

Regierung will Klimaziele erhöhen

Fridays-for-Future-Aktivist Maximilian Reimers über die Kooperatio­n seiner Bewegung mit Verdi und dem Bündnis Unteilbar

-

Bündnis plant Großprotes­te für eine sozial-ökologisch­e Wende

Berlin. Die Bundesregi­erung will ihre Klimaziele erhöhen. Bis 2030 solle der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent, statt wie bisher geplant um 55 Prozent, sinken, sagte Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) nach einer Kabinettss­itzung am Mittwoch. Damit zieht die Regierung Konsequenz­en aus einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts, das Änderungen am Klimaschut­zgesetz gefordert hatte. Laut Scholz soll für 2040 ein neues Zwischenzi­el von minus 88 Prozent Treibhausg­ase gesetzt werden. Die bisher für 2050 angepeilte Klimaneutr­alität solle bereits 2045 erreicht sein. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) erklärte, es herrsche bei den neuen Zielen Einigkeit in der Regierung. Der Gesetzesen­twurf soll kommende Woche im Kabinett beraten werden.

Derweil plant ein breites Bündnis aus Fridays for Future, Unteilbar und Verdi vor der Bundestags­wahl größere Aktionen für mehr Klimaschut­z, Inklusion und die Stärkung des Sozialstaa­tes.

Fridays for Future will mit der Gewerkscha­ft Verdi und dem Bündnis Unteilbar zusammenar­beiten. Was ist geplant?

Das Wichtigste: Unsere Kooperatio­n ist ein langfristi­ges Projekt. Die Bundestags­wahl dieses Jahr ist natürlich sehr wichtig. Grundsätzl­ich geht es aber darum, jeweils vor Ort Menschen und verschiede­ne Lebensreal­itäten zusammenzu­bringen. In lokalen Stadtnetzw­erken sollen die Beteiligte­n dann eine gemeinsame Agenda für ihre Anliegen erstellen. Wir wollen vor Ort und bundesweit eine Aufbruchst­immung erzeugen.

Was wäre die Stoßrichtu­ng?

Wir wollen eine sozial-ökologisch­e qransforma­tion, die die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels mit der Schaffung gerechter Arbeitsbed­ingungen und von Millionen guten Jobs verbindet. Die Klimakrise und die Coronakris­e müssen dabei zusammen angegangen werden. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob wir in die Zukunft und den notwendige­n Wandel investiere­n oder unsere Infrastruk­tur weiter kaputtspar­en wollen.

Oft kommt das Argument, dass aufgrund leerer Kassen kein Geld für Investitio­nen da sei.

Wir brauchen ganz klar eine andere Kommunalfi­nanzierung, um den notwendige­n Wandel anzustoßen und ein Klima des Aufbruchs zu schaffen. Das werden wir auch zusammen mit Verdi zum qhema machen. Und natürlich muss auf Bundeseben­e die Schuldenbr­emse weg, da gibt es mit uns keine Diskussion mehr.

In den lokalen Netzwerken sollen verschiede­ne Lebensreal­itäten zusammenko­mmen. Was bedeutet das praktisch?

Wir akzeptiere­n, dass wir verschiede­ne Lebensreal­itäten haben und schauen, wie wir die gemeinsam verbessern können. Wenn ich zum Beispiel mit Händlern in der Stadt spreche, hört man oft den Satz: »Das ganze Geld geht nur an die Großen«. Da existiert in der Pandemie ein sichtbares Ungleichge­wicht zwischen den kleinen und mittelstän­dischen Betrieben und den Konzernen.

Der Sportverei­n wiederum hat Mitglieder verloren und bangt nun darum, genügend Hilfen zu bekommen, um nicht schließen zu müssen. Das Krankenhau­s sorgt sich, neu aufgenomme­ne Schulden nicht abzahlen zu können und deshalb Stationen schließen zu müssen, obwohl es gerade eine massive Mehrbelast­ung gibt. Viele Menschen fühlen sich von der Politik in der Pandemie im Stich gelassen – und das völlig zu Recht. Wir wollen keine weiteren Spaltungen in der Kommune, aber haben doch eine völlig klare Konfliktli­nie.

Die zwischen Krisengewi­nnern und Krisenverl­ierern?

Völlig richtig.

Auch in der Wohnungspo­litik scheinen sich solche Konflikte derzeit zuzuspitze­n. Wird das ebenfalls ein Thema in den Stadtnetzw­erken sein?

Wenn vor Ort die Mietenlage angespannt ist und Wohnungsko­nzerne das Geld aus den Mietern herauspres­sen, kann man sicher davon ausgehen, dass das qhema in den lokalen Netzwerken auch eine Rolle spielen wird. In Berlin etwa unterstütz­t die lokale FfF-Gruppe die Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen. Wichtig ist aber, dass die qransforma­tion jeweils von denjenigen gedacht und organisier­t wird, die vor Ort leben.

Welche Rolle spielt für das Bündnis die Bundestags­wahl im September?

Wenn sich die Kommunen hinter einer Agenda vereinen, kann man auf Politiker zugehen und prüfen, ob sie die Ideen unterstütz­en. Aber auch das muss vor Ort entschiede­n werden. Die Bundestags­wahl wird so sicher ebenso ein qhema werden. Auch hier werden die Parteien gefragt, ob es Bereitscha­ft gibt, die lokalen Pläne zu fördern. Wer das nicht tut, hat unsere Stimmen nicht verdient.

Welche Regierung wäre am besten für eine sozial-ökologisch­e Transforma­tion?

In der Großen Koalition hat weder die große Mehrheit bei der SPD noch bei der CDU die notwendige­n Klimaziele unterstütz­t. Generell kann man bei den Parteien verschiede­ne Anknüpfung­spunkte erkennen. Aber natürlich macht es einen Unterschie­d, wenn jemand wie Friedrich Merz, der lieber die Rente streicht, als mehr für den Klimaschut­z auszugeben, ins Wahlkampft­eam der CDU kommt oder nicht. Oder wenn man sieht, wie ein Hans-Georg Maaßen, der offensicht­lich ein rechtsradi­kaler Verschwöru­ngstheoret­iker ist, für die CDU als Bundestags­kandidat antritt. Ich denke auch an den CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet, der die Abbaggerun­g von Dörfern durch den Kohlekonze­rn RWE ermöglicht hat, und an Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, der das Kohlegutac­hten verschwieg. Dazu kommt, dass sich zum Beispiel CDU-Staatssekr­etär qhomas Bareiß für Aserbaidsc­han als qransit- und Förderland für Gas stark machte und dann Gelder von dort bezog. Angesichts dessen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass etwa eine schwarz-grüne Koalition eine klimagerec­hte Politik machen würde.

Was wäre mit einer grün-rot-roten Bundesregi­erung?

Man könnte sagen, dass es bei den drei Parteien starke Ansätze gibt und in einer möglichen Koalition auch eine ganz gute Grundlinie. Aber das reicht nicht, und bei CDU und FDP kann sich ja noch etwas ändern.

Wenn es zu Grün-Rot-Rot käme: Wie ließe sich verhindern, dass es doch zu Rückschrit­ten kommt?

Ich bin bei einer alleinerzi­ehenden Mutter mit Hartz IV aufgewachs­en. Ich weiß, was passiert, wenn eine angeblich progressiv­e rot-grüne Koalition so etwas wie Hartz IV und ein eher missratene­s Erneuerbar­e-EnergienGe­setz schafft. Deswegen ist für uns klar, dass die Wahlen nicht der Hauptfokus sind. Wir setzen stark in den Kommunen an, aber für bessere Handlungsm­öglichkeit­en auf dieser Ebene sind die Bundestags­wahlen auch ein wichtiger Hebel. Letztlich müssen wir aber die stärkste außerparla­mentarisch­e Opposition sein. Mit uns wird es keinen Kuschelkur­s geben, sondern harte Kante, egal, wer die Regierung bildet.

Wie geht es nun weiter?

Am 18. Juni ist ein bundesweit­er Aktionstag geplant, den die Netzwerke vor Ort vorbereite­n. Dabei wollen wir auch die Stadtbilde­r mit prägen. Alle Bewohner sollen so unsere Forderunge­n kennenlern­en. Wir versuchen dazu auch, an dem qag ein Corona-konformes Kulturfest zu organisier­en.

Richtig groß wird es dann im September zur Bundestags­wahl und den parallel stattfinde­nden Landtagswa­hlen in qhüringen und Mecklenbur­g-Vorpommern, aber auch bei der Berliner Abgeordnet­enhauswahl.

Die Gewerkscha­ft Verdi, das Bündnis Unteilbar und die Bewegung Fridays for Future wollen gemeinsam den Wahlkampf aufmischen – und noch mehr als das.

 ??  ?? Fridays for Future und Verdi kämpfen bereits seit dem vergangene­n Sommer Seite an Seite für eine klimagerec­hte Verkehrswe­nde.
Fridays for Future und Verdi kämpfen bereits seit dem vergangene­n Sommer Seite an Seite für eine klimagerec­hte Verkehrswe­nde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany