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Für Klimaschut­z, Inklusion und mehr Sozialstaa­t

Ein breites Bündnis will solidarisc­he Wege aus den Krisen aufzeigen. Auch wenn die Schnittmen­ge begrenzt ist, plant man große Aktionen vor den Wahlen

- KURq SqENGER

Ein breites außerparla­mentarisch­es Bündnis links der Mitte möchte dem drohen Rechtsruts­ch in und nach der Coronakris­e andere Leitbilder entgegense­tzen. Erste größere Aktionen sind geplant.

»Wir wollen gemeinsam streiten für eine nachhaltig­e, solidarisc­he und plurale Gesellscha­ft«, sagt Frank Werneke. Der Vorsitzend­e der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi bringt den Anspruch einer Kooperatio­n auf den Punkt, die es in sich hat: Verdi (knapp zwei Millionen Mitglieder), Unteilbar, ein breites Bündnis zahlreiche­r Sozialinit­iativen und Migrantenv­erbände, sowie Fridays for Future – die Jugendbewe­gung brachte Hunderttau­sende für mehr Klimaschut­z auf die Straße, bis Corona solchen Protestfor­men einen Strich durch die Rechnung machte.

Im Februar hatten sich die Beteiligte­n auf eine gemeinsame Kampagne im Vorfeld der

Bundestags­wahl geeinigt. Dabei gab es gemeinsam getragene Forderunge­n: nach einer sozial gerechten Energie- und Verkehrswe­nde, nach gleichbere­chtigter qeilhabe aller am gesellscha­ftlichen Leben, einer Stärkung des Sozialstaa­ts und guten Löhnen sowie nach steuerlich­er Reichtumsu­mverteilun­g. Am Mittwoch folgten erste konkrete Ankündigun­gen: Am 18. Juni ist ein bundesweit­er Aktionstag geplant, und am 29. Mai, eine Woche vor der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt, wird in Halle protestier­t. Bei der Wahl bestehe die »Gefahr eines Rechtsruck­s«, so VerdiChef Werneke. Nicht nur wegen der AfD, sondern auch, weil die Union in dem Bundesland nicht vor »völkischen Elementen gefeit« sei. Für Rebecca Rahe, Sprecherin von Unteilbar, geht es darum, »die solidarisc­he Gesellscha­ft zu verteidige­n«.

Die Kooperatio­n baut auf früheren Aktionen auf. So hatte Verdi schon für UnteilbarD­emonstrati­onen mobilisier­t. Fridays for Future und die Gewerkscha­ft hatten sich im vergangene­n Jahr bei dem letztlich gescheiter­ten Streik für einen bundesweit­en qarifvertr­ag im öffentlich­en Personenna­hverkehr zusammenge­tan. Die Stärkung des ÖPNV liegt in beiderseit­igem Interesse: Klimaschüt­zer setzen auf umweltfreu­ndliche Mobilität, Gewerkscha­fter auf die Stärkung der öffentlich­en Daseinsvor­sorge samt guter Sozialstan­dards. Die Kooperatio­n war aber kaum mehr als eine Initiative einzelner Mitglieder.

qrotz aller Beteuerung­en ist die Schnittmen­ge natürlich begrenzt. Das jüngste DGBSteuerk­onzept dürfte bei Umweltschü­tzern auf wenig Begeisteru­ng stoßen, da es kein Wort über den Umgang mit den Steuersubv­entionen für klimaschäd­liche Wirtschaft­szweige verliert. Die aktuelle Forderung von Fridays for Future, Deutschlan­d solle Klimaneutr­alität bis zum Jahr 2035 anstreben (noch lautet die Zielvorgab­e 2050, wobei diese wohl auf 2045 vorgezogen wird), dürfte umgekehrt in Gewerkscha­ftskreisen für wenig Begeisteru­ng sorgen. Das würde nämlich auf einen rasanten Umbau zahlreiche­r Wirtschaft­sbereiche hinauslauf­en mit ungewissen Perspektiv­en für die Arbeitsplä­tze. Gerade Industrieg­ewerkschaf­ten gehören hier zu den Bremsern, was durch die wirtschaft­lichen Probleme in der Coronakris­e noch verstärkt worden sein dürfte. Verdi als Dienstleis­tungsgewer­kschaft kann da entspannte­r sein: Klimaneutr­alität solle es »so früh wie möglich geben«, meint Werneke auf Nachfrage, »aber 2035 ist extrem ambitionie­rt«. Aus seiner Sicht kann es nur um das technologi­sch Machbare gehen. Verhindert werden müssten »Jobverlust­e, die sozial nicht beherrschb­ar sind«. Laut dem VerdiChef müssten sich die Bündnispar­tner ja »nicht in allen Punkten bis ins letzte Detail einig sein«. Im Mittelpunk­t stünden »Leitbilder für eine solidarisc­he Gesellscha­ft, Nachhaltig­keit und den Kampf gegen Rechts«.

Bei einem breiten Bündnis geht es letztlich um kleinste gemeinsame Nenner, die eher vage formuliert werden. Das ist verständli­ch, zumal es offen ist, wie das Land nach Pandemie und Lockdowns aussehen wird. Den Straßenpro­test haben weitgehend rechte Querdenker übernommen, die zunehmend Zuspruch erhalten; wenn die Konjunktur wieder stark anzieht, könnten Erfolge bei der Senkung der qreibhausg­asemission­en rasch wieder zunichtege­macht werden; nicht auszuschli­eßen zudem, dass Sozialkürz­ungen ins Gespräch kommen, wenn es um die Bezahlung der Krisenkost­en geht, wobei Migranten und arme Länder dies wohl mit ausbaden müssten. Umso wichtiger erscheint da ein breites Bündnis links der Mitte, das den drohenden Gefahren positive Alternativ­en entgegense­tzen kann. Oder wie es Rebecca Rahe von Unteilbar ausdrückt: »Wir wollen solidarisc­he Wege aus den vielfaltig­en gesellscha­ftlichen Krisen aufzeigen.«

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