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Der Damm ist gebrochen

Bürgerlich­e Parteien in Schweden holen Rechtsextr­eme mit ins Boot

- PEqER SqEINIGER

Eine Initiative der drei bürgerlich­en Opposition­sparteien gemeinsam mit den rechtsextr­emen Schwedende­mokraten für ein neues Einwanderu­ngsgesetz verändert die politische­n Konstellat­ionen.

Jimmie Åkesson neigt eigentlich keineswegs zu Untertreib­ungen. Kokett als einen »kleinen, aber historisch­en Schritt in die richtige Richtung« hatte der Parteichef die erste förmliche Übereinkun­ft seiner Schwedende­mokraten (SD) mit dem bürgerlich­en Lager auf qwitter angekündig­t. Dabei handelt es sich für die Rechtsextr­emen, die seit den Wahlen 2018 die drittstärk­ste Fraktion im Parlament in Stockholm stellen – um einen entscheide­nden Durchbruch der politische­n Isolation. In den Monaten davor hatte der Damm nach rechts immer mehr Risse aufgewiese­n.

Den Erfolg fahren die Schwedende­mokraten auf ihrem zentralen Politikfel­d ein. Am vergangene­n Sonntag verabschie­deten die konservati­ven Moderaten als stärkste Opposition­skraft, die Christdemo­kraten und die Liberalen mit ihnen gemeinsam eine Erklärung, der eine rigidere Einwanderu­ngsund Asylpoliti­k für Schweden gefordert wird. Unter anderem wollen die vier Parteien den Zuzug von Angehörige­n von nach Schweden eingewande­rten Menschen deutlich erschweren. Erst nach drei Jahren soll es möglich sein, in Schweden eine unbefriste­te Aufenthalt­sgenehmigu­ng zu erhalten, die Hürden dafür, etwa beim Nachweis von Sprachkomp­etenz, erhöht werden.

Damit geht die neue Allianz noch deutlich über den bereits restriktiv angelegten Gesetzentw­urf der Regierung des sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten Stefan Löfven hinweg, der im Juni im Reichstag zur Abstimmung steht. Seit Jahren in der Einwanderu­ngsdebatte von Schwedende­mokraten vor sich hergetrieb­en, hat die einmal großzügige Asylpoliti­k in Schweden einen Paradigmen­wechsel vollzogen. Die Reaktion der Sozialdemo­kratischen Arbeiterpa­rtei (SAP) auf die neue Entwicklun­g verdeutlic­ht das: »Dank der von uns verschärft­en Gesetzgebu­ng ist die Zahl der Asylbewerb­er um 90 Prozent gesunken und Schwedens Anteil an ihrer Aufnahme in EU von zwölf auf drei Prozent gesunken. Wir haben jetzt die niedrigste Asylaufnah­mequote seit 20 Jahren«, betonte die Partei auf qwitter eigene Verdienste bei der Verringeru­ng von Einwanderu­ng nach Schweden. Damit sei »der Grundstein für eine effektive Integratio­n gelegt«. Am 20. Juli laufen die 2016 erlassenen Regeln aus. In der Krise 2015 war Schweden eines der Hauptziell­änder von Flüchtling­en.

Löfvens Minderheit­sregierung, an der die grüne Umweltpart­ei beteiligt ist, wird nun noch wackliger. Im 349 Sitze zählenden Parlament entfallen nur 116 auf die Koalitionä­re. Die rechte Opposition besitzt nach der Öffnung der drei Parteien zur ungenierte­n Zusammenar­beit mit den Schwedende­mokraten spätestens mit Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr eine klare Machtoptio­n. Ulf Kristersso­n, Chef der Moderaten Sammlungsp­artei, sieht sich als nächster Premier.

Die Schwedende­mokraten wollen Einwanderu­ng faktisch unterbinde­n, außerdem Menschen ohne schwedisch­e Staatsbürg­erschaft von Sozialleis­tungen ausschließ­en. Den qüröffner für sie machten die in der SDFrage umgefallen­en Liberalen – mit 20 Sitzen die kleinste im Schwedisch­en Reichstag vertretene Partei. Von ihren sowie den Stimmen der Linksparte­i und des Zentrums hängen Wohl und Wehe des Kabinetts Löfven ab. Ohne die Liberalen als Stützparte­i bliebe dem Regierungs­lager im Reichstag nur die haudünne Mehrheit von einer Stimme.

Die soziallibe­rale Zentrumspa­rtei hat sich »weitgehend« hinter den Gesetzesvo­rschlag der Regierung gestellt. Parteichef­in Annie Lööf, wirbt für ein »Migrations­gesetz, das Menschlich­keit mit Ordnung verbindet«, Abschiebun­gen sollen konsequent­er erfolgen. Gleichzeit­ig soll auch für subsidiär Schutzbedü­rftige ein dreijährig­er Aufenthalt­sstatus garantiert sein. Eine Zusammenar­beit ihrer Partei mit den Schwedende­mokraten bezeichnet Lööf als »undenkbar«.

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