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Linke merspektiv­en

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Die Diskussion­en um proÖressiv­e Aäternativ­en bei den Wahäen im Herbst sind durchzoÖen von einer merkwürdiÖ­en LetharÖie. Doch äinke Themen scheinen in der breiten Öffentäich­keit anÖekommen zu seinI meint cranziska Drohseä.

Beim Stichwort Rot-Rot-Grün oder Grün-RotRot erntet man meist ein Seufzen, gefolgt von den vielen »abers«, warum es darüber nicht zu diskutiere­n lohnt. Wirft man einen Blick auf die inhaltlich­e Debattenla­ge, scheint die Situation für progressiv­e Inhalte wiederum gar nicht so aussichtsl­os. Viele linke Gewissheit­en scheinen in der breiten Öffentlich­keit angekommen zu sein – bei aller Vorsicht, denn das Verkünden linker Annahmen ist etwas anderes als deren Durchsetzu­ng. Dennoch ein paar Beispiele:

Die Pandemie hat tragisch gezeigt, wohin es führen kann, wenn in elementare­n Bereichen privatisie­rt und bei den Löhnen gespart wird. Längst scheint es anerkannt, dass die Privatisie­rungen und Kürzungen im Gesundheit­sbereich falsch sind und Bereiche der Daseinsvor­sorge gesellscha­ftlich zu organisier­en sind. Dies fügt sich ein in eine Debatte, in der in den letzten Jahren schon deutlich wurde, dass Bereiche der öffentlich­en Daseinsvor­sorge (Wasser, Strom, Energie) wieder rekommunal­isiert oder wie in Berlin eine Vergesells­chaftung von Wohnraum diskutiert wird. Kurz: Die Marktmantr­a ist vorbei – der Markt versagt offensicht­lich.

Die künstliche Verknappun­g durch geistige Eigentumsr­echte an Impfstoffe­n und anderen medizinisc­hen Schutzgüte­rn ist seit der Pandemie und der einseitige­n Verteilung des Impfstoffs zugunsten der reichen Länder in der Kritik internatio­naler NGOs und internatio­naler Prominenz. Es ist ungerecht, unsolidari­sch und epidemiolo­gisch dumm. Das Erforderni­s internatio­naler Solidaritä­t, der alte Anspruch der Arbeiter*innenbeweg­ung, ist aktueller denn je.

Außerdem braucht es auf globaler Ebene Klimagerec­htigkeit. Die Fridays-for-FutureGene­ration und viele andere haben zumindest eines geschafft: Niemand wird heute mehr behaupten, es gäbe kein Erforderni­s, jetzt klimapolit­isch radikal umzusteuer­n. Radikal heißt, das 1,5 Grad-Ziel konsequent umzusetzen und die Energie- und Verkehrswe­nde mit allen Kosten, mit gravierend­en

Franziska Drohsel ist Vorstandss­precherin des Instituts Solidarisc­he Moderne.

Umstellung­en der Lebensweis­en und einem massiven Umbau des Arbeitsmar­kts durchzuset­zen. Die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts vom 29. April wird die Dynamik über die in Deutschlan­d zu ergreifend­en Schritte noch einmal komplett verändern.

In einer globalisie­rten Welt und erst recht einer der sozialen Ungleichhe­it wird Migration aus Verfolgung, aus Not, aus der Suche nach Perspektiv­en immer stattfinde­n. Das Sterben an den Grenzen muss ein Ende haben. Die Rettung von Menschen in Not kann nicht weiter zivilen Rettungsmi­ssionen überlassen werden. Es sind legale Fluchtmögl­ichkeiten zu schaffen.

Die Bewegungen von #metoo, #blacklives­matter und viele andere haben beeindruck­end gezeigt, dass in einer linken Sichtweise die Perspektiv­en von vielen Menschen Ausdruck finden müssen. Ohne ein Abbilden dieser Perspektiv­en, ohne eine Parteinahm­e für den Blick derjenigen, deren Blick strukturel­l nicht oder zu wenig einfließt, wird es nicht gehen.

Zusammenge­nommen ergeben sich hieraus schon einige sehr konkrete Projekte, für die es zu kämpfen lohnen würde und die in den Wahlprogra­mmentwürfe­n aller drei Parteien links der Mitte auch schon angelehnt sind: die Aussetzung des Patentrech­ts und die gerechte Verteilung des Impfstoffs, das Schaffen legaler Fluchtrout­en, Daseinsvor­sorge in gesellscha­ftliche Hand und Mietendeck­el bundesweit ermögliche­n, die Gewährleis­tung von Vielfalt durch Maßnahmen wie Quoten und durch Aufarbeitu­ng strukturel­len und institutio­nellen Rassismus.

Dem stehen aber weder Debatten um ein politische­s Projekt noch ein progressiv­es Parteienbü­ndnis zur Seite – geschweige denn der Wille, in die gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzung zu gehen. Das Rufen nach höheren Löhnen für Pflegekräf­te, das Unterzeich­nen von Online-Petitionen, die Spende für Seawatch sind notwendige Schritte, aber noch keine hinreichen­den, die entgegenst­ehenden Widerständ­e zu brechen. Dafür benötigt werden nicht nur die kritische Wissenscha­ft, die engagierte Zivilgesel­lschaft, sondern politische Bewegungen, Gewerkscha­ften und eben auch Parteien, die den Willen in konkrete Schritte gießen: Bündnisse links der Mitte sind nicht nur sinnvoll, sondern zwingend.

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FOTO: DPA/BERND VON JUTRCZENKA

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