nd.DerTag

Almosen für Ostrentner

Für einige der Ruheständl­er, die nach 1991 Zusatzvers­orgungen verloren, soll es nun 2500 Euro aus einem Härtefallf­onds geben.

- JANA FRIELINGHA­US

Hunderttau­sende ostdeutsch­er Rentner sind durch das Rentenüber­leitungsge­setz von 1991 benachteil­igt. Doch selbst von Mitteln aus einem Härtefallf­onds wird nur eine kleine Minderheit der Betroffene­n etwas haben, und auch sie nur wenig.

Er nimmt offenbar Gestalt an: der Fonds »zur Abmilderun­g von Härtefälle­n in der Rentenüber­leitung sowie für Spätaussie­dler und jüdische Kontingent­flüchtling­e«. Mehr als ein Vierteljah­rhundert nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepu­blik hatten CDU, CSU und SPD sich 2018 in ihrem Koalitions­vertrag darauf geeinigt, dass man einen solchen Fonds schaffen solle, um einen gewissen Ausgleich insbesonde­re für Ostdeutsch­e zu schaffen, die durch die Regelungen im Zuge der sogenannte­n Wiedervere­inigung gravierend­e Nachteile bei ihren Renten hinnehmen müssen. Erst jetzt, kurz vor Ende der Legislatur­periode, liegt ein Entwurf dazu aus dem Hause von Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) vor, der offenbar auch die Zustimmung der Bundesländ­er findet (siehe auch »nd« vom 4. Mai).

Das Papier, das die Voraussetz­ungen festlegt, unter denen Menschen überhaupt Mittel daraus beantragen können, liegt bislang nur dem MDR vor. Wie der Sender am Mittwoch berichtete, soll einerseits nur eine Minderheit der von Benachteil­igungen betroffene­n derzeit noch 700 000 Menschen, unter ihnen rund 300 000 zu DDR-Zeiten geschieden­e Frauen, anspruchsb­erechtigt sein. Und diejenigen, die überhaupt Aussicht auf Gelder aus dem Fonds haben, können auf eine Einmalzahl­ung in Höhe von 2556,46 Euro hoffen. Der Betrag wurde laut MDR in einer Verhandlun­gsrunde mit einer betroffene­n Personengr­uppe genannt.

Matthias Höhn, Beauftragt­er der Linksfrakt­ion im Bundestag für Ostdeutsch­land, hält die genannte Summe für einen »schlechten Witz«. Die Konditione­n der Antragstel­lung würden zudem dafür sorgen, dass nur Menschen, die eine Rente »in der Nähe der Grundsiche­rung« erhalten und den »strengen Ausschluss­kriterien trotzen« können, überhaupt in den Genuss der Einmalzahl­ung kommen. »Es ist empörend, dass die Große Koalition die ganze Legislatur­periode verschlafe­n hat und nun kurz vor der Bundestags­wahl für drei völlig unterschie­dliche Betroffene­ngruppen einen Kompromiss finden will«, erklärte Höhn. Er weist darauf hin, dass die Spätaussie­dler, die jüdischen Kontingent­flüchtling­e und die Ostdeutsch­en mit DDRRentena­nsprüchen rentenrech­tlich nichts miteinande­r zu tun haben. »Wir brauchen gerechte Lösungen für die Fehler der Rentenüber­leitung – nicht nur für Härtefälle«, fordert er. Für die Ostdeutsch­en wäre die genannte Summe keine Anerkennun­g von Lebensleis­tung und keine Gewährung rechtmäßig­er Ansprüche, sondern »die pure, centgenaue Verhöhnung«, so Höhn.

Für die ebenfalls oft in Altersarmu­t lebenden jüdischen Kontingent­flüchtling­e, die ab 1991 nach Deutschlan­d kamen, hatten Anfang 2019 die Opposition­sparteien Linke, Grüne und FDP einen gemeinsame­n Vorschlag

für eine gerechte Fondslösun­g gemacht. Denn den Betroffene­n werden bislang ihre Arbeitszei­ten vor der Zuwanderun­g bei der Berechnung ihrer Altersbezü­ge nicht anerkannt.

Leer ausgehen werden mit dem nun geplanten Härtefallf­onds einmal mehr die in der DDR geschieden­en Frauen, die seit mehr als 20 Jahren für eine Ausgleichs­leistung durch den Staat für die ihnen im Zuge der Rentenüber­leitung entstanden­en Nachteile fordern. Sie gingen vergeblich durch alle juristisch­en Instanzen. Gleichwohl hatte der Frauenauss­chuss der Vereinten Nationen zur Umsetzung der Konvention zur Beseitigun­g aller Formen der Diskrimini­erung von Frauen (CEDAW) die Bundesregi­erung bereits vor Jahren gemahnt, sie müsse die Benachteil­igung der in der DDR-Geschieden­en umgehend durch geeignete gesetzlich­e Maßnahmen beseitigen.

Den in der DDR Geschieden­en steht ein Versorgung­sausgleich durch Expartner nicht zu, weil es ihn in der DDR nicht gab. Im Zuge des DDR-Beitritts zur BRD wurden keinerlei Instrument­e geschaffen, um dieser Personengr­uppe im Falle gravierend­er Armut einen Ausgleich zu schaffen.

Weitere von Rentenunge­rechtigkei­t Betroffene sind unter anderem ehemalige Mitarbeite­r von Post und DDR-Reichsbahn, Krankensch­western, Kohlekumpe­l, Balletttän­zerinnen. Für sie gab es vor 1990 Zusatzvers­orgungssys­teme, die mit dem Rentenüber­leitungsge­setz gestrichen wurden. Diese Berufsgrup­pen werden durch einen Runden Tisch vertreten. Dieser hatte eine Anerkennun­g der Lebensleis­tung der Betroffene­n gefordert. Mit einer Einmalzahl­ung wäre das Gremium einverstan­den gewesen, allerdings war es von 15 000 bis 20 000 Euro pro Person ausgegange­n.

»Es ist empörend, dass die Koalition die ganze Legislatur­periode verschlafe­n hat und nun kurz vor der Bundestags­wahl für drei völlig unterschie­dliche Betroffene­ngruppen einen Kompromiss finden will.« Matthias Höhn Linksfrakt­ion im Bundestag

 ??  ?? Mehreren Hunderttau­send ostdeutsch­en Rentnern wurden 1991 Leistungen aus DDR-Zusatzvers­orgungssys­temen gestrichen.
Mehreren Hunderttau­send ostdeutsch­en Rentnern wurden 1991 Leistungen aus DDR-Zusatzvers­orgungssys­temen gestrichen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany