nd.DerTag

Gut für die Polizei, schlecht für die Demokratie

Widerspruc­h zu Plänen für neues Versammlun­gsgesetz in Nordrhein-Westfalens Landtag

- SEBASTIAN WEIERMANN

Die nordrhein-westfälisc­he Regierung will die Versammlun­gsfreiheit einschränk­en: Warum Maleranzüg­e und Trikots bald verboten sein könnten.

Die schwarz-gelbe Landesregi­erung in Nordrhein-Westfalen (NRW) möchte ein neues Versammlun­gsgesetz einführen. Seit 2006 können die Bundesländ­er diese selber gestalten. Zahlreiche Landesregi­erungen haben davon in den letzten Jahren Gebrauch gemacht. Der im Januar bekannt gewordene nordrhein-westfälisc­he Gesetzentw­urf aus dem Haus des CDU-Innenminis­ters Herbert Reul enthält zahlreiche Verschärfu­ngen.

Störungen von Versammlun­gen wie auch Blockadetr­ainings sollen in Zukunft komplett verboten werden. Ein »Militanzve­rbot« untersagt ein einheitlic­hes Auftreten, wie es vom Anti-Kohle-Bündnis »Ende Gelände« mit weißen Maleranzüg­en gezeigt wird, oder wie es bei Fußballfan­s üblich ist, die in ihren Vereinsfar­ben zum Stadion laufen. Die Begründung: Die einheitlic­he Kleidung könnte einschücht­ernd wirken. Andere Verschärfu­ngen sehen größere Kooperatio­nspflichte­n für Demonstrat­ions- und Kundgebung­sanmelder*innen vor, zum Beispiel die Offenlegun­g von persönlich­en Daten von Ordner*innen. Außerdem geplant ist eine Verschärfu­ng der Kameraüber­wachung von Versammlun­gen.

Auf dem Weg vom Entwurf zum Gesetz stand am Donnerstag eine Expert*innen-Anhörung im Düsseldorf­er Landtag an. Mehrere von den Regierungs­fraktionen nominierte Fachleute stellten ausführlic­h die Vorzüge des neuen Gesetzes vor. Professor Dr. Norbert Ullrich von der Hochschule für Polizei und öffentlich­e Verwaltung NRW etwa verteidigt­e das Verbot von Blockadetr­ainings. Für »zulässige«, also nur symbolisch­e Blockaden »braucht es keine Trainings«, so Ullrich.

Das Bündnis »Versammlun­gsgesetz NRW stoppen« kritisiert­e schon im Vorfeld die Benennung der Experten: »Es verwundert uns nicht, dass der vorgelegte Regierungs­entwurf bei den geladenen Sachverstä­ndigen kaum auf Bedenken stößt, wenn die Mehrheit der zehn geladenen Sachverstä­ndigen in unmittelba­rer Nähe zur Polizei steht«, so Bündnisspr­echerin Gizem Koçkaya.

Ganz besonders stößt dem Bündnis die Benennung von Michael Elicker auf. Elicker vertritt die Brandenbur­ger AfD in einem Verfahren gegen die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz. Außerdem arbeitet er nach Angaben des Bündnisses für die sächsische AfD-Fraktion. In der Anhörung erzählte er unter anderem von Antifaschi­st*innen, die durch Lautstärke Pegida-Demos in Dresden gestört hätten und sprach sich damit für ein rigides Störverbot aus.

Viel zu erzählen hatte auch Thomas Dammers. Der Polizist im Ruhestand hatte mehrere Einsätze bei »Ende Gelände« Aktionstag­en geleitet. »In der Praxis gestaltet sich die Kooperatio­n schwierig«, erklärte Dammers. Versammlun­gsanmelder*innen bei den AntiKohle-Protesten müssten immer Rücksprach­e mit einem »im Hintergrun­d agierenden und nicht vollständi­g bekannten »Entscheidu­ngsgremium« halten. Eine erhöhte Kooperatio­nspflicht für Versammlun­gsanmelder*innen sei auch deshalb geboten, argumentie­rte Dammers.

Einhellige Zustimmung von den Expert*innen gab es allerdings nicht. Der Berliner Rechtswiss­enschaftle­r Clemens Arzt kritisiert­e »teilweise geschichtl­ich abwegige Vergleiche« bei der Begründung des Gesetzes, in der von Weimarer Verhältnis­sen gesprochen wird, die es zu verhindern gelte. Das Ziel Herbert Reuls sei die »Rückabwick­lung« des versammlun­gsfreundli­chen BrockdorfB­eschlusses von 1985. Arzt führte aus, dass es Grenzen der Versammlun­gsfreiheit gebe. Diese seien bei Straftaten erreicht. Die im Gesetzentw­urf immer wieder betonte »öffentlich­e Ordnung«, die aufrechter­halten werden müsse, sei jedoch nicht hinreichen­d konkret. Es gebe immer wieder »Bestimmthe­itsproblem­e« im Text.

Dieser Einschätzu­ng schloss sich die Verdi-Landesbezi­rksleiteri­n Gabriele Schmidt an. Viele Regelungen seien unklar. Ob etwa eine Aktion der Verdi-Jugend in Maleranzüg­en unter das Uniformier­ungs- und Militanzve­rbot falle oder nicht, sei offen, kritisiert­e sie. Auch bei anderen Regelungen sieht Verdi Schwierigk­eiten: »Wir haben die Sorge, ob wir noch genug Ordner finden, wenn Namen und Adressen abgefragt werden«, äußerte Schmidt ihre Bedenken. Das sei bei Großdemos schon alleine praktisch schwer zu organisier­en. Außerdem könnte es für Ängste sorgen, dass Menschen auf rechten Feindeslis­ten landeten, wenn die Daten in die falschen Hände geraten.

Bis das neue Versammlun­gsgesetz in NRW in Kraft tritt, werden noch mehrere Monate vergehen. In Ausschüsse­n wird nun über die Expert*innen-Anhörung debattiert. Linke Gruppen und Fußballfan­s wollen den Gesetzgebu­ngsprozess kritisch begleiten. Sie fürchten die Aushöhlung demokratis­cher Grundrecht­e und erhebliche Einschränk­ungen der Fußballfan­kultur in Nordrhein-Westfalen.

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