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Unterirdis­che Stimmung im Wald

Reformkonz­ept für die Forstverwa­ltung stößt bei den Beschäftig­ten auf heftige Kritik

- ANDREAS FRITSCHE

Brandenbur­gs Forstleute mussten schon so manche Reform über sich ergehen lassen. Der damit verbundene Personalab­bau sorgte für viel Frust. Nun stehen erneut Veränderun­gen ins Haus.

Viele Beschäftig­te seien verärgert, erklärt Harald Bienge, örtlicher Personalra­t beim brandenbur­gischen Landesbetr­ieb Forst. »Die Stimmung ist gelinge gesagt unterirdis­ch«, weiß auch der Landtagsab­geordnete Hardy Lux (SPD). Ähnlich formuliert es Martin Hasselbach vom Forstaussc­huss beim Agrarminis­terium: »Die Stimmung im Team ist ausgesproc­hen schlecht.« Man sollte psychologi­sche Hilfe holen, um das wieder in Ordnung zu bringen, empfiehlt er. Hasselbach verweist in diesem Zusammenha­ng nicht zuletzt auf die Art und Weise, in der die BSL Management­beratung GmbH aus Mainz auftrat, die allen Vorurteile­n über solche Beratungsf­irmen entsproche­n habe. So sei es ihm selbst erzählt worden. Er habe mit Mitarbeite­rn des Landesfors­tbetriebs gesprochen, die mit der BSL zufrieden waren. Aber das seien weniger als zehn Prozent gewesen.

Die BSL hat im Auftrag von Agrarminis­ter Axel Vogel (Grüne) ein umfänglich­es Zukunftsko­nzept für die Forstverwa­ltung erstellt. Es enthält Dinge, die Anklang finden, aber auch jede Menge Sprengstof­f – darunter vor allem die Zielzahl von 1280 Stellen. Gegenwärti­g sind in dem Bereich noch 1420 Mitarbeite­r beschäftig­t.

»1280 sind aus unserer Sicht alles andere als ausreichen­d«, erklärt Dirk Kuske von der Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt am Mittwochna­chmittag bei einer Anhörung im Agraraussc­huss des Landtags, die sich bis in den frühen Abend hinzieht. Kuske widerspric­ht »massiv« der Idee, die Zahl der Waldarbeit­er auf das Nötigste zu reduzieren und bestimmte Aufgaben wie das Müllsammel­n durch Fremdfirme­n erledigen zu lassen. »Den Einsatz von Leiharbeit­nehmern lehnen wir ab – klar, wir sind eine Gewerkscha­ft.« Außerdem glaubt Kuske, dass es nicht funktionie­ren wird, die Reviere wie vorgeschla­gen zu vergrößern – »weil das die Belastunge­n für die Beschäftig­ten vergrößert«.

Betriebsbe­dingte Kündigunge­n hat Agrarminis­ter Vogel bereits ausgeschlo­ssen. Denn selbst wenn der Personalbe­stand reduziert wird, müssen noch viele Fachkräfte neu eingestell­t werden. Schließlic­h gehen in den kommenden fünf Jahren 750 Mitarbeite­r in Rente, nicht wenige überlegen wohl, früher aufzuhören. Darum gefällt Uwe Engelmann vom Bund Deutscher Forstleute der Vorschlag im Konzept, junge Leute mit Dienstwohn­ungen und Dienstwage­n zu locken. Aber das ist für ihn nur ein kleiner Lichtblick. Engelmann erinnert an Waldbrände und Schädlinge wie den Eichenproz­essionsspi­nner. »Dem Wald geht es insgesamt schlecht. Der Klimawande­l ist bereits im Gange. Gleichzeit­ig fehlt Personal.« Und was mache das Konzept in dieser Situation? »Sechs Forstämter vorzuschla­gen, das hat uns den Atem verschlage­n. Manche Kollegen sind vom Stuhl gefallen, einige sitzen noch am Boden. Das ist realitätsf­ern«, sagt Engelmann. Seiner Ansicht nach benötigt die Forstverwa­ltung 1500 Stellen. Ab 2022 müssten jährlich mindestens 50 Einstellun­gen vorgenomme­n werden.

Das hält nun wieder Agrarminis­ter Vogel für realitätsf­ern. Er sieht nicht, dass er die finanziell­en Mittel für 1500 Stellen bewilligt bekommt, eher für 1150. In einer Hinsicht kann er die Gemüter aber beruhigen. Er sieht gar keine Möglichkei­t, dass Müllsammel­n abzugeben. Daniel Eggerding, seines Zeichens Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der BSL Management­beratung, stört das nicht: »Ich bin überhaupt nicht böse, wenn es an der einen oder anderen Stelle eine Abweichung gibt.« Dazu sei das Konzept ja da, dass damit gearbeitet wird. Es sei aber auch normal, sogar notwendig, dass es Streitpunk­te gebe. Wenn die BSL mit dem Personalra­t kuschele, würde das die Abgeordnet­en doch wundern, meint Eggerding.

Einen gibt es, der das Konzept »insgesamt für fundiert« hält. Enno Rosenthal, Vorsitzend­er des Waldbauern­verbandes. Der Mann war ab 1985 zehn Jahre Revierförs­ter, verließ dann den öffentlich­en Dienst und wurde Chef einer Forstbetri­ebsgemeins­chaft. Einst gehörte er der Linksparte­i an, kandidiert­e für diese bei der Europawahl 2009, allerdings völlig aussichtsl­os auf Listenplat­z 24. »Endlich wird eine Mindestzah­l an Waldarbeit­ern festgelegt. Das ist ein großer Sieg«, findet Rosenthal, prophezeit allerdings: Es wird noch ein Kampf, die Waldarbeit­er zu bekommen. Denn der Markt ist leer gefegt.«

Zwar könnte die Waldarbeit­sschule Kunsterspr­ing im Neuruppine­r Ortsteil Gühlen-Glienicke (Ostprignit­z-Ruppin) ihre Ausbildung­skapazität­en leicht verdoppeln, wird bei der Anhörung gesagt. Gut ausgebaut sei sie. Es wäre aber auch entspreche­nd mehr Lehrperson­al nötig.

Nach den vielen Forstrefor­men, die es in der Vergangenh­eit bereits gegeben hat, ist die Lust auf eine weitere bei den Forstleute­n ausgesproc­hen gering. Die letzte Reform verantwort­ete ein gewisser Agrarminis­ter Dietmar Woidke (SPD), der von 2004 bis 2009 im Amt war. Kern war damals ein drastische­r Personalab­bau. Später war Woidke Innenminis­ter und hatte es in dieser Funktion mit einer Polizeiref­orm zu tun, bei der es genauso um Stellenkür­zungen ging. Seit 2013 ist Woidke Ministerpr­äsident.

 ??  ?? Förster Dietmar Discher vermisst vor einer Holzauktio­n in Chorin einen rund 200 Jahre alten Eichenstam­m.
Förster Dietmar Discher vermisst vor einer Holzauktio­n in Chorin einen rund 200 Jahre alten Eichenstam­m.

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