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Angeblich lauter »Linksextre­misten«

Die AfD versucht, Demokratie­projekte in Misskredit zu bringen

- ANDREAS FRITSCHE

Brandenbur­g hat ein riesiges Problem mit Rechtsextr­emisten und ein sehr kleines mit der radikalen Linken. Von der AfD als »Linksextre­misten« hingestell­t werden allerdings eine Menge Leute.

Jörg Depta vom Mobilen Beratungst­eam Frankfurt (Oder) arbeitete früher für zwei Radiostati­onen, die angeblich zu freundlich über angebliche »Linksextre­misten« berichtet haben. Deshalb sei Depta angeblich Linksextre­mist und das ganze Beratungst­eam gleich mit – samt dem übergeordn­eten Demos-Institut für Gemeinwese­nberatung. So zumindest, berichtet Demos-Geschäftsf­ührer Markus Klein, versuche die AfD, Demokratie­projekte in Verruf zu bringen, damit diesen Projekten die Fördermitt­el gestrichen werden.

»Nach monatelang­en Recherchen liegen uns Erkenntnis­se vor, dass im Rahmen der sogenannte­n Demokratie­förderung große Beträge in linksextre­mistische Strukturen fließen«, behauptete kürzlich AfD-Landtagsfr­aktionsche­f Christoph Berndt. Der Abgeordnet­e Daniel Freiherr von Lützow fügte hinzu: »Es ist schon absurd: Die Landesregi­erung pumpt jedes Jahr mehrere Millionen Euro in Vereine, die zum Teil offen mit linksextre­men Gruppen zusammenar­beiten.« Die Masche ist nicht neu. So macht es die AfD in

Kreistagen, Landtagen und im Bundestag schon seit etlichen Jahren. Immer wieder werden parlamenta­rische Anfragen gestellt oder Pressemitt­eilungen verschickt, die ganz offensicht­lich darauf abzielen, engagierte Personen und Initiative­n in Misskredit zu bringen. Auch die Landtagsab­geordneten Isabelle Vandré (Linke) und Ricarda Budke (Grüne) wurden schon als »Linksextre­mistinnen« hingestell­t.

Dabei werden gern Fälle angebliche­r Verschwend­ung von Steuermitt­eln angeprange­rt. So wollte die AfD durch eine parlamenta­rische Anfrage im Landtag erfahren, warum ein interrelig­iöser Kalender des Vereins Neues Potsdamer Toleranzed­ikt im Jahr 2015 noch 12 000 Euro Fördermitt­el erhielt, im Jahr 2020 dann aber fast doppelt so viel? Sozialmini­sterin Ursula Nonnemache­r (Grüne) konnte das leicht beantworte­n: Die Druckkoste­n, die Seitenzahl und die Auflage sind gestiegen. Auf eine Frage nach »gewaltbere­iten Linksextre­misten« in Brandenbur­g antwortete Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU), die Zahl könne dem Verfassung­sschutzber­icht entnommen werden. Im Vergleich zum gewaltbere­iten Rechtsextr­emismus sei sie gering.

Das Institut für Gemeinwese­nberatung und mit ihm das Mobile Beratungst­eam arbeiten schon seit 1998 im Auftrag des Landes und im Rahmen des Handlungsk­onzepts »Tolerantes Brandenbur­g«. Kostenlos wird informiert, wie mit Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit umgegangen werden kann. Hilfe erhalten etwa Eltern, die in Sorge sind, dass ihre Kinder in die Naziszene abrutschen.

In Märkisch-Oderland gab es vor Kurzem einen vom Mobilen Beratungst­eam moderierte­n Gesprächsa­bend, bei dem die Zivilgesel­lschaft überlegte, wie sie auf CoronaProt­este reagieren kann, die in dieser Gegend von der AfD angemeldet werden.

Aktuell sucht das Demos-Institut zwei Berater zu Verschwöru­ngserzählu­ngen über die Corona-Pandemie. »Angesichts aktueller Entwicklun­gen erweitern wir unser Beratungsa­ngebot«, heißt es in der Ausschreib­ung der beiden Stellen, die zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt besetzt werden sollen. »Ziel ist es, Menschen, die in ihrem sozialen Nahfeld mit verschwöru­ngsideolog­isch geprägten Weltbilder­n konfrontie­rt sind, durch Beratung und Begleitung zu unterstütz­en.«

Demos-Geschäftsf­ührer Markus Klein glaubte im Fall von Berater Jörg Depta übrigens, wegen falscher Tatsachenb­ehauptunge­n juristisch gegen die Anschuldig­ungen vorgehen zu können. Er musste sich jedoch von Rechtsanwä­lten belehren lassen, dass auch Derartiges noch unter dem Stichwort Meinungsfr­eiheit durchgehe.

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