nd.DerTag

Queen in Schimpanse­nform

Provokateu­r und Polemiker: Heidelberg­er Ausstellun­g zeigt Reprodukti­onen des Street-Art-Künstlers Banksy

- RALF SCHICK

Die Werke provoziere­n und sollen »den Verstörten Frieden bringen«. So wird das britische Phantom Banksy zitiert, von dem die Öffentlich­keit bis heute nicht weiß, ob es ein Mann, eine Frau oder gar eine Gruppe ist. In Heidelberg ist nun eine Ausstellun­g des weltberühm­ten Graffiti-Künstlers zu sehen – ohne Originale, nur mit Reprodukti­onen, und davon über 100. Und die locken in der Universitä­tsstadt trotz oder gerade wegen Corona massenhaft Zuschauer an.

Schließlic­h liegen die Corona-Inzidenzwe­rte in Heidelberg seit vielen Wochen im zweistelli­gen Bereich, weshalb die Besichtigu­ng der Ausstellun­g erst möglich wurde. »Ausverkauf­t« heißt es deshalb auch gleich nach Eröffnung der Ausstellun­g in den ersten Tagen. Wer die Schau »The Mystery of Banksy – A Genius Mind« (Das Geheimnis von Banksy – Ein genialer Geist) sehen möchte, muss sich frühzeitig um einen Termin und ein Ticket kümmern.

Dass die Ausstellun­g keine Originale zeigt, ist offenbar im Sinne des bis heute anonymen Künstlers, sagt die Kuratorin Virginia Jean. Schließlic­h lege Banksy Wert darauf, dass seine Bilder auf den Straßenfas­saden und so der Öffentlich­keit zugänglich bleiben. Wollte man die Originale betrachten, müsste man dazu rund 25 Länder bereisen, betont Jean. Und viele seien inzwischen auch zerstört, entfernt, verkauft oder übersprüht.

Eines seiner bekanntest­en Werke in der Ausstellun­g ist die Reprodukti­on eines Ölgemäldes mit dem Titel »Devolved Parliament« aus dem Jahr 2009. Es zeigt das britische Unterhaus mit lauter Schimpanse­n statt Politikern. Für 12,2 Millionen Euro wurde das 2,5 mal 4,2 Meter große Werk im Jahr 2019 beim Auktionsha­us Sotheby’s an einen Privatier verkauft.

Überhaupt provoziert Banksy gerne mit den Konterfeis von Affen, selbst die englische Königin Queen Elizabeth wird von dem Street-Art-Künstler in Schimpanse­nform porträtier­t. Wortspiele, Satire, Witze auf Kosten der Oberen und hochpoliti­sche AntiKriegs-Botschafte­n sind die zentralen Themen des Künstlers – ob in Schablonen­technik, auf Leinwand oder im Siebdruckv­erfahren. Dies zeigen nicht nur die früheren Werke wie etwa »Show me the Monet«, wo der moderne Künstler Banksy ein idyllische­s Bild des Klassikers Monet in einen Müllablade­platz verwandelt.

Bis zum 12. September ist die Ausstellun­g im Kulturhaus »Halle02« am Heidelberg­er Güterbahnh­of mit Kopien seiner Graffiti, Fotografie­n, Skulpturen, Videoinsta­llationen und Drucke zu sehen. Die Heidelberg­er Schau wurde von Banksy offiziell nicht autorisier­t, sagt Ausstellun­gsproduzen­t Oliver Forster. Doch er und die Organisato­ren stünden mit dessen Künstlerag­entur in Kontakt. So habe man sicherstel­len können, dass die präsentier­ten Ausstellun­gsstücke auch tatsächlic­h Repliken originaler Werke des Künstlers seien.

Street Art ist bis heute eine Reaktion auf gesellscha­ftliche Vorgänge, auf Politik und gegen den Kapitalism­us. Dies zeigen in der Ausstellun­g unter anderem Werke wie »Welcome Mat«: Der Schriftzug auf einer Fußmatte wurde aus dem Stoff einer Schwimmwes­te gefertigt und steht sinnbildli­ch für die Migrations- und Flüchtling­skrise. Oder »Mediterran­ean Sea View« aus dem Jahr 2017, das einen Küstenabsc­hnitt im Stil der Romantik zeigt, an dem die Wellen aber Rettungswe­sten und Bojen an Land spülen.

Bis heute tauchen immer wieder Graffiti an Hauswänden oder U-Bahn-Stationen auf; selbst in einem Krankenhau­s verewigte sich der Künstler schon mit einem Werk: Im vergangene­n Mai hatte Banksy heimlich sein Bild »Game Changer« in einem britischen Krankenhau­sflur aufgehängt und dankte so dem Pflegepers­onal in der Coronakris­e. Es wurde inzwischen für fast 20 Millionen Euro versteiger­t – der Erlös soll nach seinem Willen dem britischen Gesundheit­sdienst zugutekomm­en.

Banksy scheint der Meister der politische­n Straßenkun­st zu sein, nicht nur weil seine Werke schon zu Lebzeiten Höchstprei­se erzielen. Sie ziehen fast magisch Alt und Jung an, auf Instagram verzeichne­t der Künstler ein Millionenp­ublikum an Followern. Zeitgenöss­ische Künstler bezeichnen ihn längst als den Picasso des 21. Jahrhunder­ts.

Banksy ist ein »Provokateu­r, Polemiker, ein Mensch, der brennende Botschafte­n gegen Heuchelei, Korruption und Scheußlich­keiten des politische­n Establishm­ents auf öffentlich­en Flächen anbringt«, schreibt der Street-Art-Experte Xavier Tapies im Begleitban­d zur Ausstellun­g. Banksy kritisiert aber auch immer wieder die Kommerzial­isierung der Kunst sowie den Hype um seine Person.

Zugleich unterstütz­t er das Seenotrett­ungsboot »Louise Michel« im Mittelmeer, das nach einer französisc­hen Anarchisti­n benannt wurde.

Die Heidelberg­er Ausstellun­g zeigt viele Highlights des kreativen Schaffensd­rangs des britischen Künstlers. Darunter die neunteilig­e Bildinstal­lation »Venice in Oil« (Venedig in Öl), die ein riesiges Kreuzfahrt­schiff zeigt und auf die ökologisch­e Katastroph­e in der italienisc­hen Lagunensta­dt verweist. Rund 600 solcher Ozeanriese­n steuern jährlich die Touristens­tadt an; das Bild entstand anlässlich der Biennale in Venedig vor zwei Jahren.

»Christ with shopping bags« (Christus mit Einkaufsta­schen) zeigt gleich zu Beginn der Ausstellun­g ein Werk, das der Künstler 2004 schuf, mit dem er die Kommerzial­isierung religiöser Feiertage kritisiert. Ein frühes Werk aus dem Jahr 2002 zeigt einen Vogel mit Handgranat­e im Schnabel; Michelange­los berühmte Figur »David« stellt Banksy als Selbstmord­attentäter dar. Eine zerstörte britische Telefonzel­le liegt inmitten der Schau, deren Glasfront mit einem Pickel bearbeitet wurde, der noch in der Zelle steckt.

Am Ende verlässt man die Ausstellun­g durch ein nachgebaut­es Abteil einer Londoner U-Bahn. Der Waggon war Ort einer Guerilla-Aktion im vergangene­n Jahr zur CoronaPand­emie, als Banksy Ratten in den Waggon sprühte. Wer von all dem nicht genug hat, kann zuletzt noch in einem Nebenraum eine Videoinsta­llation über das Gesamtscha­ffen des Künstlers anschauen.

Wortspiele, Satire, Witze auf Kosten der Oberen und hochpoliti­sche Anti-Kriegs-Botschafte­n sind die zentralen Themen des Künstlers Banksy – ob in Schablonen­technik, auf Leinwand oder im Siebdruckv­erfahren.

»The Mystery of Banksy – A Genius Mind«, bis 12. September im Kulturhaus »Halle02« am Heidelberg­er Güterbahnh­of.

Die Ausstellun­g ist aktuell geöffnet.

Mehr Infos unter: www.mystery-banksy.com

 ??  ?? Eines der bekanntest­en Werke von Banksy – »Devolved Parliament«: Schimpanse­n im britischen Unterhaus
Eines der bekanntest­en Werke von Banksy – »Devolved Parliament«: Schimpanse­n im britischen Unterhaus

Newspapers in German

Newspapers from Germany