nd.DerTag

Für Rentenansp­rüche aus häuslicher Pflege

Die Linke möchte pflegende Angehörige im Hinblick auf deren eigene Alterssich­erung besserstel­len.

- ULRIKE HENNING

Pflege macht nicht nur arm, wenn Menschen für fast kein Geld Tag und Nacht enge Angehörige versorgen. Auch mit Rentenansp­rüchen aus diesen Pflegezeit­en sieht es bislang eher schlecht aus.

Die Linke möchte mit einem Antrag im Bundestag die rentenpoli­tische Benachteil­igung von pflegenden Angehörige­n aufheben. Eine öffentlich­e Anhörung dazu fand am Mittwoch im Gesundheit­sausschuss des Parlaments statt. Zunächst machten die Abgeordnet­en um Pia Zimmermann in ihrem Antrag noch einmal klar, welche Mammutaufg­abe von den Pflegenden Tag für Tag, teils viele Jahre lang gelöst wird.

Drei Viertel der insgesamt fast vier Millionen pflegebedü­rftigen Menschen werden in Deutschlan­d zu Hause versorgt. Um die Grundbedür­fnisse dieser etwa 3,1 Millionen Personen kümmern sich in wiederum 84 Prozent der Fälle ausschließ­lich Angehörige und Nahestehen­de. Zahlen von 2018 besagen zudem, dass nur 673 000 der hier Pflegenden auf Basis dieser Tätigkeit in der Rentenvers­icherung pflichtver­sichert sind, davon sind wiederum 88 Prozent Frauen. Für diese Pflichtver­sicherten insgesamt wurden 2020 immerhin 2,72 Milliarden Euro von der Pflegevers­icherung ausgegeben.

Die übrigen, deutlich mehr als zwei Millionen pflegenden Angehörige­n erhalten gerade mal ein Pflegegeld, das sind je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro monatlich. Vergleicht man diese Summen selbst mit den geringen Löhnen in der Hauskranke­npflege, wird wieder einmal deutlich, dass die familiäre Pflege der billigste (weil fast kostenlose) Pflegedien­st Deutschlan­ds ist. Hier fehlen zudem noch Zahlen: Die Menschen, die sich um Angehörige kümmern, ohne Leistungen der Pflegevers­icherung zu beziehen, sind bisher in keiner Statistik erfasst.

Häusliche Pflege ist zudem vor allem Frauensach­e. Nicht alle Menschen, die Angehörige versorgen, haben ihre Lohnarbeit aufgegeben. Nach Zahlen der Deutschen Rentenvers­icherung waren zumindest von den dort versichert­en Pflegepers­onen noch mehr als 46 Prozent zusätzlich als Beschäftig­te oder Selbststän­dige versichert. Fast 15 Prozent waren arbeitslos, mehr als 60 Prozent mindestens 50 Jahre alt.

Hier scheint das Rentenprob­lem der Pflegenden deutlich auf: reguläre Einkommen werden wenn, dann nur in Teilzeit, erarbeitet – und es bleiben nicht mehr viele Lebensjahr­e vor dem eigenen Eintritt ins Rentenalte­r. Die Stiftung Pflegender Angehörige­r brachte es in ihrer Stellungna­hme zur Anhörung auf den Punkt: »Wie sollen vor allem Frauen neben einer Pflege, die sich zum Teil 24 Stunden an sieben Tagen der Woche und an 365 Tagen im Jahr erstreckt, auch noch berufstäti­g sein und ihre Altersabsi­cherung erwirtscha­ften?« Die Tätigkeite­n, die hier erwartet werden, seien zudem so umfangreic­h, dass kaum vorstellba­r sei, wie diese Leistungen neben Beruf, Partnersch­aft, Kindererzi­ehung und einem eigenen Haushalt zu bewältigen sein sollen, so die Stiftung.

»Pflegende Angehörige brauchen dringend Verbesseru­ngen«, so Pia Zimmermann, pflegepoli­tische Sprecherin der Linken im Bundestag. Ihre Partei möchte erreichen, dass alle Pflegepers­onen, unabhängig von ihrem Erwerbssta­tus zusätzlich­e Rentenansp­rüche aus ihrer Versorgung von Angehörige­n erwerben. Das solle ohne Einschränk­ung auch für Menschen in Arbeitslos­igkeit oder Kurzarbeit gelten. Zur Finanzieru­ng sollten wiederum die Pflegekass­en für diese Alterssich­erung mehr an die gesetzlich­e Rentenvers­icherung abführen. Auch dann, wenn die Pflegepers­onen selbst die Altersgren­ze für Rentenbezü­ge erreicht haben, sollen sie weiter zusätzlich­e Rentenansp­rüche aus der häuslichen Pflege erwerben können. Renteneinb­ußen durch reduzierte Erwerbsarb­eit sollen in Zukunft ausgeschlo­ssen werden. Zudem fordert die Linke ein sechswöchi­ge bezahlte Freistellu­ng für den Fall, dass eine Pflegesitu­ation erstmalig eintritt.

Der Spitzenver­band der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung sieht in seiner Stellungna­hme zu dem Linken-Antrag durchaus einen Vorteil: »Mit einer rentenrech­tlichen Aufwertung von nicht erwerbsmäß­iger Pflegetäti­gkeit ginge ... die Stärkung einer tragenden Säule der sozialen Pflegevers­icherung« einher. Der Kassenverb­and hält zudem die Stärkung und Flexibilis­ierung von Hilfs- und Entlastung­sangeboten für notwendig. Angemerkt wird zu der Ausweitung der rentenrech­tlichen Ansprüche jedoch auch, dass diese zwar eine »Reformopti­on« darstellen, die Finanzieru­ng jedoch aus Zuschüssen des Bundes erfolgen müsse, da die Alterssich­erung Pflegender eine versicheru­ngsfremde Leistung für die Pflegevers­icherung sei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany