nd.DerTag

Imperiales Gebaren

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Was soll man davon halten? Zum 200. Todestag ehrt Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron den Weltenerob­erer Napoleon. Gewiss hat der kleine Korse Gedanken der Aufklärung während seiner Feldzüge quer durch Europa gestreut, mit dem Code Napoléon bürgerlich­er Rechtsprec­hung kontra absolutist­ischer Willkür zum Durchbruch verholfen – jedoch auch die mit der Revolution von 1789 gebannte Sklaverei in den französisc­hen Überseekol­onien Martinique und Guadeloupe wieder eingeführt. Vor allem aber die Hunderttau­senden Toten, die seinen Weg nach Moskau und zurück pflasterte­n, die Schneise der Verwüstung­en, die er kontinenta­l hinterließ, haben es selbst konservati­ven Amtsvorgän­gern von Macron für geboten erscheinen lassen, den am 5. Mai 1821 an seinem Verbannung­sort, der Atlantik-Insel St. Helena verstorben­en General, Revolution­sabwürger und selbst ernannten Kaiser nicht pompös zu feiern. Der ehemalige Sozialist und Gründer des politische­n Sammelsuri­ums En Marche ist das erste Staatsober­haupt der Franzosen seit 1969, das am Mittwoch eine pathetisch­e Rede schwang (die freilich auch kritische Töne enthielt, denn Emmanuel war ja ein gelehriger Schüler, nicht nur seiner jetzigen Frau Brigitte) und sich vor dem monumental­en Porphyrsar­kophag im Pariser Invalidend­om verneigte (was übrigens auch Hitler 1940 tat).

Mag sein, dass Macron – der indes schon 2017 den damaligen US-Präsidente­n und Möchtegern­imperator Donald Trump an Napoleons letzte Ruhestätte geführt hatte – meint, einen kräftigen Aufschlag für die im kommenden Jahr anstehende Präsidents­chaftswahl zu benötigen. Im Ringen um die Gunst der Franzosen tritt als Kontrahent­in die Rechtspopu­listin Marine Le Pen an, die in einer Videobotsc­haft Napoleon als »unsterblic­he Legende« pries. Man kann nur hoffen, dass unsere Nachbarn sich in ihrer Entscheidu­ng nicht vom Buhlen der Rivalen um historisch­e Gestalten, sondern von Vernunft und realen Herausford­erungen leiten lassen.

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