Kommt Freedom Day?
Kritik an Forderung, alle CoronaBeschränkungen ab 30. Oktober aufzuheben
Kassenärztechef Andreas Gassen hat die Aufhebung aller Corona-Beschränkungen zum 30. Oktober gefordert. »Nach den Erfahrungen aus Großbritannien sollten wir auch den Mut haben zu machen, was auf der Insel geklappt hat«, sagte er der der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Samstag). In sechs Wochen solle auch in Deutschland »Freedom Day« sein. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wies die Forderung scharf zurück.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) betonte, das Datum gebe jedem, der wolle, genug Zeit, sich noch impfen zu lassen. In Großbritannien habe Premier Boris Johnson schon Mitte Juli die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung aufgehoben. Das Gesundheitssystem sei danach nicht kollabiert, obwohl es schlechter sei als das deutsche. Gassen zeigte sich zuversichtlich, dass durch eine »Freedom Day«-Ankündigung rasch eine Impfquote von 70 Prozent zu erreichen sei. Diese hält er für ausreichend, »da die Risikogruppen schon jetzt weitgehend durchgeimpft sind«.
Lauterbach hingegen betonte, er halte den Ansatz für unvertretbar, »einfach mal auszutesten, was unser Gesundheitssystem aushält, wie viele Patienten auch intensiv behandelt werden können«. Er schlug vor, das Ziel einer Impfquote von 85 Prozent der Erwachsenen auszugeben und anzukündigen, dass bei Erreichen der Marke »wesentliche Lockerungen« kommen könnten.
Unterdessen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine positive Bilanz der bundesweiten Impfaktionswoche gezogen. Es seien in dem Zeitraum »500 000 der wichtigen Erstimpfungen geschafft, etwa die Hälfte dürfte auf Aktionen zurückgehen«, sagte Spahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Besorgt zeigte er sich über die nach wie vor große Gruppe Ungeimpfter in der älteren Bevölkerung. Von den 24 Millionen über 60Jährigen seien »knapp vier Millionen noch ungeimpft«. Würde sich ein Großteil dieser Gruppe mit der Delta-Variante des Coronavirus infizieren, würden die Intensivstationen »sehr unter Stress kommen«.
Spahn teilte am Wochenende auch mit, dass für den Nachweis einer durchgemachten Corona-Infektion vor einer Impfung bald auch Antikörpertests verwendet werden dürfen. Künftig gelte jeder als »vollständig geimpft«, der »mit einem Antikörpertest eine durchgemachte Infektion nachweisen kann und sich einmal hat impfen lassen«, kündigte Spahn an. Bisher muss mit einem während der Erkrankung gemachten Labortest die Genesung nachgewiesen werden. Dieser muss mindestens 28 Tage und darf maximal sechs Monate alt sein. Bei Vorliegen eines solchen Tests genügt eine Impfdosis für den Status als vollständig Geimpfter. Die Kosten für den Antikörpertest müssen die Bürger aber selbst tragen. Für den Status als Genesener, der für sechs Monate nach der Infektion gilt, ist dem Bericht zufolge weiterhin der Labortest nötig. Dies hänge damit zusammen, dass Antikörpertests nicht den Zeitpunkt der Infektion bestimmen können.