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Tweets der Ministerin bringen die Bundeswehr­mission in Mali ins Wanken. Abzugsdroh­ungen haben jedoch wenig Substanz.

Verteidigu­ngsministe­rium will Pläne zu Abzug der Bundeswehr aus Mali weder bestätigen noch dementiere­n

- DANIEL LÜCKING

Plötzlich wackelt der Bundeswehr­einsatz in Mali. Oder doch nicht? Auf Fragen zu Andeutunge­n der Verteidigu­ngsministe­rin Antworten zu erhalten, ist in der Schlusspha­se des Wahlkampfe­s schwierig.

»Ich atme nur«, gibt Regierungs­sprecher Steffen Seibert genervt zu Protokoll. Die Stimmung auf der Pressekonf­erenz der Sprecher*innen der Bundesmini­sterien schwankte vergangene­n Freitag zwischen gereizt und gelangweil­t. Nach reichlich Lavieren verstieg sich ein Sprecher des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s bei Fragen zu möglichen Abzugsplän­en aus Mali zu einer Formulieru­ng, die seltsamer kaum sein könnte: »Vorweg esoterisch­e Kriterien festzustel­len, ist für die Realitäten im Einsatz selten hilfreich«, sagte der Oberst, um damit Fragen nach konkreten Planungen und Maßnahmen für einen Abzug aus Mali abzuräumen.

Seine Chefin, Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), hatte Ende vergangene­r Woche mit zwei Mitteilung­en auf Twitter über ein mögliches Ende des Bundeswehr­einsatzes in Mali die Diskussion­en angeheizt. Journalist Hans Jessen ging der seltsamen Äußerung des Bundeswehr­obristen nach, wollte wissen, ob »Esoterik« wirklich zu den Dingen gehört, mit denen das Verteidigu­ngsministe­rium umgeht, wenn es um die Beendigung von Militärein­sätzen im Ausland geht. »Entschuldi­gung, Herr Seibert«, stellt Jessen konsternie­rt fest. »Auch Atmer können Aussagen transporti­eren«.

Das Niveau der Auseinande­rsetzung um den Einsatz der rund 1700 deutschen Soldat*innen in Mali erreichte damit Ende vergangene­r Woche seinen Tiefpunkt. Nur wenige Meter vom Haus der Bundespres­sekonferen­z entfernt, in der sich diese Szenen abspielten, informiert­en fast zeitgleich auf der anderen Seite der Spree das Auswärtige Amt und das Verteidigu­ngsministe­rium die Obleute des Verteidigu­ngsausschu­sses. »Die Bundesregi­erung konnte nicht schlüssig erklären, warum ein Engagement der russischen Söldnertru­ppe Wagner gegen die Mandatsgru­ndlage verstoßen würde, denn völkerrech­tlich kann eine Regierung jederzeit mit einem anderen Staat oder einem Unternehme­n einen Vertrag schließen, ungeachtet der internatio­nalen sicherheit­spolitisch­en Bewertung«, sagte Alexander S. Neu, LinkeObman­n im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s, am Montag gegenüber »nd«.

Mali erlebte in den vergangene­n Jahren zwei Putsche, wird derzeit von einer Militärreg­ierung geführt. All das während seit vielen Jahren laufender UN- und EU-Militärein­sätze. Grund für einen Abzug von Truppen waren die Putsche jedoch nie. Nun aber reichen Gerüchte um einen angeblich von Bamako geplanten Einsatz russischer Söldner, um laut über ein Ende des deutschen Engagement­s nachzudenk­en.

Den Obleuten im Bundestag präsentier­te die Bundesregi­erung Erkenntnis­se, wonach die mit einem Putsch an die Macht gekommene malische Führung um Oberst Assimi Goïta mit russischen Akteuren verhandele. Gegenstand von Gesprächen ist demnach ein Einsatz russischer Söldner der Militärfir­ma Wagner, bei dem es um Ausbildung und Personensc­hutz gehen solle.

Malis Regierung hat die Kritik der westafrika­nischen Staatengem­einschaft Ecowas an den angebliche­n Plänen, die Söldnerfir­ma anzuheuern, vehement zurückgewi­esen. Man sei über die Vorwürfe überrascht, da es sich ausschließ­lich um Gerüchte handele, erklärte die Führung in Bamako am Sonntag.

»Mit der einseitige­n Darstellun­g der angebliche­n geostrateg­ischen und ökonomisch­en Interessen Russlands wurde so getan, als würde der Westen immer nur humanitäre Aspekte im Blick haben«, sagt Alexander Neu. Sein Eindruck ist, dass ein Abzug nicht ernsthaft geplant ist. Die Bundesregi­erung habe selbst eingeräumt, lediglich eine Drohkuliss­e aufbauen zu wollen, berichtet der Abgeordnet­e. Kritik an den Andeutunge­n Kramp-Karrenbaue­rs übte auch der Obmann der FDP im Verteidigu­ngsausschu­ss, Alexander Müller. Ein Abbruch der Bundeswehr­mission in Mali kommt aus seiner Sicht nur in Frage, wenn der Einsatz der Söldner diese gefährden würde. »Die Geschehnis­se der letzten Tage machen deutlich, dass für die Einsätze der Bundeswehr klare Ziele inklusive einer Exit-Strategie formuliert werden müssen«, sagte Müller gegenüber »nd«. Ein zweites Afghanista­nDesaster dürfe es nicht geben.

Die Bundesregi­erung konnte auf »nd«Nachfrage am Montag weder eine neue Entwicklun­g noch für den Fall eines Abzugs aus Mali Perspektiv­en präsentier­en.

Die Regierungs­parteien in Berlin suchen nach Wegen, sich aus den Militärmis­sionen von EU und UNO in Mali zurückzuzi­ehen. Als Begründung für solche Überlegung­en dient Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r der angeblich geplante Einsatz einer russischen Söldnertru­ppe in dem westafrika­nischen Land.

»Die Bundesregi­erung konnte nicht schlüssig erklären, warum das Engagement einer russischen Söldnertru­ppe gegen die Mandatsgru­ndlage verstoßen würde.«

Alexander S. Neu

Linke-Bundestags­abgeordnet­er

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Die Lage in Mali ist seit Jahren unübersich­tlich und die Ausbildung malischer Soldaten immer wieder in der Kritik. Unhaltbar wird der Einsatz nun aber aus einem anderem Grund.

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