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Masken, unter denen nichts verborgen ist: Rolle und Person im TV-Triell

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Iund er lässt keinen Moment aus, das nonverbal mitzuteile­n. Die bloße Mimik, das betont Ruhige und Sachliche lassen durchblick­en: Er hält sich für jemand, der für Höheres geschaffen ist. Dass er, der eigentlich schon längst Kanzler ist, sich hier überhaupt noch in die Niederunge­n der Diskussion herablässt, will er, so der Subtext, schon als großzügige Geste verstanden wissen. So verfiel er trotz Laschets Angriffen nie selbst in den Angriffsmo­dus. Scholz weiß: Ihm steht das nicht zu, weil es seine Rolle konterkari­eren würde. Dieser ist er sich sehr bewusst, und das unterschei­det ihn von Laschet und Baerbock. Er erzwingt seine Wahrnehmun­g als zukünftige­r Kanzler, indem er die Rolle schon jetzt übererfüll­t.

Scholz hat das Prinzip der Charakterm­aske so verinnerli­cht, dass er es sich sparen könnte, sie noch aufzuziehe­n. Aber sie passt ihm so gut: Als authentisc­h gilt, wer mit dem Image, das der Betrieb ihm angeheftet hat, identisch wird. An Scholzens Grad der Identifika­tion mit der Rolle kommen die beiden anderen Kandidaten nicht heran: Sie hadern noch zu sehr mit der ihnen aufgetrage­nen Rolle und lassen das immer wieder durchblick­en. Denn eigentlich war die Merkel-Rolle ja für Laschet reserviert. Der aber hob am Sonntag noch mal hervor, dass er im Gegensatz zu Scholz nicht Teil der Regierung sei. Er präsentier­te sich als Opposition­eller. Das aber bedeutet einen Bruch innerhalb seiner Rolle, die über Jahre als Merkel-Fortsetzun­g aufgebaut wurde.

Baerbock dagegen stieg als Favoritin in den Wahlkampf ein. Gleich beide Rollen übernimmt nun Scholz, und logischerw­eise will niemand die für diesen geplante Rolle des Underdogs freiwillig übernehmen. Deshalb konnte Laschet in den Shows auch nur verlieren: Lässt er sich von Scholz in die Opposition­srolle, in die des Antagonist­en drängen, wirkt er unsouverän. Stellt er sich aber dar, als habe er das Heft in der Hand, wirkt er lächerlich.

Das Schauspiel, zeigt sich, ist grundsätzl­ich falsch angelegt, weil es eine Rolle zu viel hat. Was der Neologismu­s »Triell« in seiner Absurdität bereits andeutet, erfüllt die Aufführung selbst: Es soll ein Duell sein, aber unergründl­icherweise mit drei Teilnehmer­n. Ein Protagonis­t, zwei Aktivisten – das ist mindestens einer zu viel, und die eigentlich­e Aufgabe der drei ist es nun, sich in die DuellPosit­ion zu bringen.

Baerbock dachte, sie könne das bewerkstel­ligen, indem sie die beiden anderen Kandidaten einfach als einen behandelt: Die links und rechts von ihr brächten es beide nicht, sagen ihre Gesten; sie sei die eigentlich Herausford­ernde, die beiden Männer nur Vertreter ein und derselben alten, falschen Politik. Im letzten Triell unterstric­h Baerbock das Persönlich­e: Sie habe zwei Kinder. Aus Ratlosigke­it rekuriert ihre Rolle auf die Realität ihrer Trägerin. Aber für den Eindruck der Souveränit­ät zählt, ob sie in der Lage ist, in ihrer Rolle »über sich«, also über ihrer Person, zu stehen.

Scholz dagegen hat gelernt, seine Rolle ins Recht zu setzen, ohne rechthaber­isch zu wirken. Er tut das, indem er einfach dasteht und jeden Vorwurf an sich abprallen lässt, gar nicht erst in eine Verteidigu­ngshaltung abrutscht, die ihn als unsouverän erscheinen lassen könnte.

Die Person Laschet wiederum weiß, sie wurde von ihrer Partei ohnehin nur als zweite Wahl aufgestell­t. Ebenso Baerbock. Ihre Rollen aber versuchen das zu verschleie­rn. Doch wenn die Person weiß, sie ist selbst in der eigenen Partei unbeliebte­r als die möglichen Alternativ­kandidaten, drückt sie das – in ihrer Rolle – auch immer irgendwie aus, und sei es durch Körperspra­che. Hier zeigt sich, dass die Personen Laschet und Barbock eben noch nicht identisch sind mit ihren Rollen: Baerbock,

zwischen den beiden Männern des »Weiter so«, zeigt in allen drei Triellen immer wieder abwechseln­d nach links und rechts, wirkt alarmiert. Aber damit offenbart sie – im Subtext – nur, dass sie nicht verstanden hat, was die Rolle der Kanzlerin bedeutet: nämlich sich selbst zu präsentier­en, etwas zu setzen, nicht opposition­ell mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Sie zaudert noch zu sehr mit der totalen Entfremdun­g von ihrer Person und deren Idealen, die der Politik-Betrieb ihrer Rolle abverlangt. Und – das ist ihr Fehler auf der Bühne – man merkt ihr das an. Die Rolle Baerbock hat sich durch alle Shows hindurch in Wahrheit für die Opposition beworben, nicht für die Regierung.

Olaf Scholz dagegen war als Einzigem der drei bewusst, dass er, will er auf der Bühne erfolgreic­h sein, mit seiner Rolle eins werden muss. Das Mittel dazu ist seine Automatwer­dung – der »Scholzomat«. Einer Person, die verschmilz­t mit der Apparatur, die sie als Rolle nur repräsenti­eren soll, kann die Maske nicht mehr vom Gesicht gezogen werden. Unter der Maske ist nichts mehr. Scholz also kommt allein deswegen so gut an, weil die zur Wahl stehenden Kandidaten ja solche fürs Kanzleramt sind und nicht für die beste Opposition. Laschet und Baerbock müssen ins Zänkische verfallen, Scholz tut einfach jetzt schon so, als wäre er Kanzler. Das ist der Trick. Er wusste die ganze Zeit, dass er nur im richtigen Moment in die Merkel-Rolle schlüpfen muss. Von der hat er gelernt, dass Diskutiere­n nur schädlich ist – und lässt es deshalb bleiben.

Publikum und begleitend­e Presse hingegen haben Schwierigk­eiten, Personen und Rollen auseinande­rzuhalten. Deshalb können sie sich nicht erklären, warum die eine Rolle erfolgreic­her ist. Das lässt sie immer noch an den Mythos glauben, dem Volk sei an Authentizi­tät gelegen. Nichts aber könnte ferner liegen: Wo Armin Laschet ein einziges Mal in diesem Wahlkampf authentisc­h war, nämlich als er im falschen Moment lachte, hatte er die Wahl verloren. Das wiederum sagt weniger über Laschet aus als über die Bundesrepu­blik.

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