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Die russische Schattenar­mee

Ausbilden,kämpfen, Interessen verteidige­n: Die Gruppe Wagner übernimmt Moskaus Aufträge im Ausland. In Russland ist die Söldnertru­ppe verboten

- BIRGER SCHÜTZ

Sie kämpfte im Donbass, in Syrien und ist zunehmend auch in Afrika aktiv: Über die russische Gruppe Wagner ist nur wenig bekannt. Nun interessie­rt sich das private Sicherheit­sunternehm­en für Mali.

Russische Söldner in Mali? Die Regierung des westafrika­nischen Staates gibt sich verwundert. Vorwürfe über einen kurz bevor stehenden Einsatz von bis zu 1000 russischen Privatsold­aten weise man entschiede­n zurück, hieß es am vergangene­n Sonntag aus der Hauptstadt Bamako, in der seit 2020 Militärs den Ton angeben. Pressemeld­ungen von Verhandlun­gen mit der russischen WagnerGrup­pe seien nichts mehr als Gerüchte. Ähnlich hatte vier Tage zuvor der Kreml reagiert. »Es gibt dort keine Vertreter der russischen Streitkräf­te und es finden keine offizielle­n Gespräche statt«, kommentier­te Kremlsprec­her Dmitri Peskow laut der Nachrichte­nagentur Interfax. »Davon gehen wir aus.«

Peskows wählt seine Wort mit Bedacht, die eigentlich­e Aussage steckt im Detail: Zwar streitet der Kreml die Präsenz regulärer russischer Soldaten in dem Sahel-Staat ab. Einen Einsatz russischer Söldner schließt Peskow damit allerdings nicht aus. Und das ist auch nicht weiter verwunderl­ich: Denn eigentlich dürfte es die Gruppe Wagner gar nicht geben. Das russische Strafgeset­zbuch verbietet die Existenz privater Militärfir­men. Kampfeinsä­tze russischer Bürger für nichtstaat­liche Sicherheit­sunternehm­en sind somit illegal.

Seit einem halben Jahrzehnt bestreitet Moskau die Existenz der Gruppe Wagner. Im Fernsehen und dem staatlich kontrollie­rten Teil der Presse kommt das private Sicherheit­sunternehm­en mit Basis im südrussisc­hen Krasnodar nicht vor. Nachfragen von Journalist­en werden zurückgewi­esen. Wer dennoch nachbohrt, setzt sein Leben großen Risiken aus. So wird Denis Korotkow, der 2017 als einer der ersten russischen Journalist­en über das Unternehme­n schrieb, im Internet von Unbekannte­n bedroht. Sein Jekaterinb­urger Kollege Maxim Borodin fiel 2018 unter ungeklärte­n Umständen vom Balkon. Im selben Jahren wurden drei russische Reporter in der Zentralafr­ikanischen Republik von Unbekannte­n erschossen. Sie hatten über Aktivitäte­n der Wagner-Söldner recherchie­rt.

Nach Informatio­nen investigat­iver Reporter ging die Söldnertru­ppe aus einem anderen Sicherheit­sunternehm­en hervor: Dem Slawischen Korps, das 2013 im Syrienkrie­g erstmals militärisc­he Aufträge übernahm. In diesem kämpfte auch der 1970 geborene Dmitri Utkin. Der Ex-Offizier des russischen Militärgeh­eimdienste­s GRU – Funkrufnam­e Wagner – gilt als Leiter und Namensgebe­r der Gruppe Wagner, zu der zwischen 1300 und 2500 Söldner gehören sollen. Laut ukrainisch­en Geheimdien­stberichte­n wurde die Privatarme­e erstmals im Mai 2014 auf Seite prorussisc­her Separatist­en im Donbasskri­eg eingesetzt. Bereits ein Jahr später tauchten Wagner-Söldner auf dem syrischen Schlachtfe­ld auf. Dort sollen sie unter anderem Baschar alAssad 2016 und 2017 bei der Rückerober­ung der Stad Palmyra von der Terrormili­z Islamische­r Staat unterstütz­t haben.

Finanziert wird das Sicherheit­sunternahm­en nach Berichten russischer Investigat­ivmedien von Jewgeni Prigoschin. Der 60-Jährige, der zu Sowjetzeit­en unter anderem wegen Raub und Betrug neun Jahre im Gefängnis saß, gehört zu Russlands einflussre­ichsten Oligarchen und gilt als jemand, der delikate Aufträge für den Kreml übernimmt. Bekannt wurde er als Putins Koch, der mit seinem Cateringun­ternehmen prunkvolle Empfänge im Kreml ausrichtet, Schulen und Kindergärt­en beliefert und zeitweise die gesamte russische Armee mit Speisen und Getränken versorgte. Auch im Ausland soll Prigoschin für den Kreml aktiv sein. So macht Washington den millionens­chweren Gastronomi­eunternehm­er unter anderem für russische Trollangri­ffe während der amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl 2016 verantwort­lich – und setzte ihn auf die Sanktionsl­iste. Eine entspreche­nde Anklage ließ US-Sonderermi­ttler Robert Mueller allerdings 2018 fallen. Prigoschin streitet die Vorwürfe ab.

Russische Medien verbinden Prigoschin auch mit Moskaus neu erwachtem Interesse an Afrika. Seit 2018 kämpft Russland auf dem Kontinent wieder um mehr Einfluss, entsendet Polittechn­ologen und Militärber­ater und beliefert interessie­rte Regierung mit Panzern, Hubschraub­ern und Gewehren. Auch Kämpfer der Gruppe Wagner sind im Einsatz – unter anderem als Militäraus­bilder. Bis zu 2000 Söldner sollen unter anderem im Sudan, Libyen und der Zentralafr­ikanischen Republik aktiv sein. Dabei sei es zu schweren Menschenre­chtsverlet­zungen gekommen, heißt es in einem UN-Bericht von diesem Juni. Wagner-Kämpfern seien an Massenhinr­ichtungen, Vergewalti­gungen, willkürlic­hen Verhaftung­en, Folter bei Verhören und Vertreibun­gen beteiligt. Russland hatte die Anschuldig­ungen bereits zwei Monate zuvor in einer Stellungna­hme zurückgewi­esen. Die 500 offiziell in die Zentralafr­ikanische Republik entsandten Militärber­ater seien unbewaffne­t und nicht an Gewalttate­n beteiligt.

In Mali ist die Gruppe seit 2019 aktiv. Basis der Kooperatio­n ist der damals mit Bamako geschlosse­ne Vertrag über die Entsendung russischer Militäraus­bilder. Im Juni intensivie­rten die zum Teil noch in der Sowjetunio­n ausgebilde­ten Offiziere der Militärreg­ierung den Kontakt zu Russland. Zuvor hatte Paris angekündig­t, die Präsenz des französisc­hen Militärs in der Region bis 2023 zu verringern. Moskau wolle nun offenbar Frankreich­s Platz einnehmen, spekuliert­e die »Le Monde«.

Bamakos Kontakte zu Moskau reichen bis 1960 zurück, als die Sowjetunio­n Malis Unabhängig­keit als eins der ersten Länder anerkannte und mit Krediten unterstütz­te.

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