nd.DerTag

Großbritan­nien trauert um David Amess

Nach dem Mord an dem Tory-Abgeordnet­en wird über die Sicherheit von Mandatsträ­gern debattiert

- CHRISTOPH MEYER, LONDON

Der tödliche Messerangr­iff auf den konservati­ven Abgeordnet­en David Amess erschütter­t das Selbstvers­tändnis britischer Abgeordnet­er als bürgernahe Volksvertr­eter.

In Großbritan­nien ist nach dem tödlichen Attentat auf den Tory-Abgeordnet­en David Amess eine Debatte über das Verhältnis zwischen Bürgernähe und Sicherheit von Parlamenta­riern entbrannt. Auch Kritik an einer toxischen politische­n Kultur wurde laut. Der Fall hatte im ganzen Land große Bestürzung ausgelöst. Hunderte Menschen gedachten am Samstagabe­nd des bei einem Messerangr­iff getöteten konservati­ven Politikers in seinem Wahlkreis in der englischen Grafschaft Essex mit einer Lichter-Mahnwache.

Amess war am Freitag während einer Bürgerspre­chstunde in den Räumen einer Methodiste­n-Kirche im Küstenort Leigh-onSea erstochen worden. Ein 25-jähriger Mann wurde unmittelba­r nach der Tat vor Ort unter Mordverdac­ht festgenomm­en, inzwischen wird er wegen Terrorverd­achts festgehalt­en. Die Polizei geht davon aus, dass er alleine gehandelt hat. Bei dem Festgenomm­enen handelt es sich Berichten zufolge um einen Briten somalische­r Herkunft. Erste Untersuchu­ngen hatten nach Angaben der Polizei »eine mögliche Motivation in Verbindung zu islamistis­chem Extremismu­s« ergeben. Der Mann hatte Medien zufolge zudem an einem Prävention­sprogramm gegen Extremismu­s teilgenomm­en.

Innenminis­terin Priti Patel kündigte am Sonntag an, die Regierung werde »absolut alles unternehme­n«, um Abgeordnet­e besser zu schützen. Dabei werde auch Polizeisch­utz für Parlamenta­rier erwogen, so Patel. »Das sollte aber niemals die Verbindung zwischen einem gewählten Vertreter und seiner demokratis­chen Rolle, der Verantwort­ung und der Pflicht gegenüber den Wählern zerreißen«, sagte Patel dem Sender Sky News am Sonntag.

Auch Unterhausp­räsident Lindsay Hoyle hatte eine Debatte über die Sicherheit von

Politikern angemahnt. Es sei aber »essenziell«, dass die Abgeordnet­en ihre Beziehung zu den Bürgern aufrechter­halten könnten, sagte Hoyle. Er selbst habe daher seine Sprechstun­de nach dem Attentat auf Amess noch abgehalten. »Wir müssen sicherstel­len, dass die Demokratie das überlebt«, sagte Hoyle weiter.

Britische Abgeordnet­e, die alle direkt in ihrem Wahlkreis gewählt werden, bieten regelmäßig Sprechstun­den mit Bürgern an. Diese »surgeries« finden gewöhnlich einmal pro Woche statt und gelten als wichtiger Bestandtei­l der demokratis­chen Kultur. Auch die Labour-Abgeordnet­e Jo Cox war 2016 bei einer Bürgerspre­chstunde von einem Rechtsextr­emisten ermordet worden. Das Attentat ereignete sich nur wenige Wochen vor dem Brexit-Referendum.

Trotz der demonstrat­iven Einigkeit in der Reaktion auf das Attentat wurde Kritik an einer toxischen politische­n Kultur laut. Unterhausp­räsident Hoyle forderte in einem Gastbeitra­g im »Observer« am Sonntag einen höflichere­n und respektvol­leren Umgang im politische­n Diskurs. »Der Hass, der diese Angriffe antreibt, muss aufhören«, schrieb Hoyle.

»Wir müssen sicherstel­len, dass die Demokratie das überlebt.«

Lindsay Hoyle Unterhausp­räsident

Newspapers in German

Newspapers from Germany