Großbritannien trauert um David Amess
Nach dem Mord an dem Tory-Abgeordneten wird über die Sicherheit von Mandatsträgern debattiert
Der tödliche Messerangriff auf den konservativen Abgeordneten David Amess erschüttert das Selbstverständnis britischer Abgeordneter als bürgernahe Volksvertreter.
In Großbritannien ist nach dem tödlichen Attentat auf den Tory-Abgeordneten David Amess eine Debatte über das Verhältnis zwischen Bürgernähe und Sicherheit von Parlamentariern entbrannt. Auch Kritik an einer toxischen politischen Kultur wurde laut. Der Fall hatte im ganzen Land große Bestürzung ausgelöst. Hunderte Menschen gedachten am Samstagabend des bei einem Messerangriff getöteten konservativen Politikers in seinem Wahlkreis in der englischen Grafschaft Essex mit einer Lichter-Mahnwache.
Amess war am Freitag während einer Bürgersprechstunde in den Räumen einer Methodisten-Kirche im Küstenort Leigh-onSea erstochen worden. Ein 25-jähriger Mann wurde unmittelbar nach der Tat vor Ort unter Mordverdacht festgenommen, inzwischen wird er wegen Terrorverdachts festgehalten. Die Polizei geht davon aus, dass er alleine gehandelt hat. Bei dem Festgenommenen handelt es sich Berichten zufolge um einen Briten somalischer Herkunft. Erste Untersuchungen hatten nach Angaben der Polizei »eine mögliche Motivation in Verbindung zu islamistischem Extremismus« ergeben. Der Mann hatte Medien zufolge zudem an einem Präventionsprogramm gegen Extremismus teilgenommen.
Innenministerin Priti Patel kündigte am Sonntag an, die Regierung werde »absolut alles unternehmen«, um Abgeordnete besser zu schützen. Dabei werde auch Polizeischutz für Parlamentarier erwogen, so Patel. »Das sollte aber niemals die Verbindung zwischen einem gewählten Vertreter und seiner demokratischen Rolle, der Verantwortung und der Pflicht gegenüber den Wählern zerreißen«, sagte Patel dem Sender Sky News am Sonntag.
Auch Unterhauspräsident Lindsay Hoyle hatte eine Debatte über die Sicherheit von
Politikern angemahnt. Es sei aber »essenziell«, dass die Abgeordneten ihre Beziehung zu den Bürgern aufrechterhalten könnten, sagte Hoyle. Er selbst habe daher seine Sprechstunde nach dem Attentat auf Amess noch abgehalten. »Wir müssen sicherstellen, dass die Demokratie das überlebt«, sagte Hoyle weiter.
Britische Abgeordnete, die alle direkt in ihrem Wahlkreis gewählt werden, bieten regelmäßig Sprechstunden mit Bürgern an. Diese »surgeries« finden gewöhnlich einmal pro Woche statt und gelten als wichtiger Bestandteil der demokratischen Kultur. Auch die Labour-Abgeordnete Jo Cox war 2016 bei einer Bürgersprechstunde von einem Rechtsextremisten ermordet worden. Das Attentat ereignete sich nur wenige Wochen vor dem Brexit-Referendum.
Trotz der demonstrativen Einigkeit in der Reaktion auf das Attentat wurde Kritik an einer toxischen politischen Kultur laut. Unterhauspräsident Hoyle forderte in einem Gastbeitrag im »Observer« am Sonntag einen höflicheren und respektvolleren Umgang im politischen Diskurs. »Der Hass, der diese Angriffe antreibt, muss aufhören«, schrieb Hoyle.
»Wir müssen sicherstellen, dass die Demokratie das überlebt.«
Lindsay Hoyle Unterhauspräsident