Eine Chinesin greift nach den Sternen
Die Astronautin Wang Yaping wird die nächsten sechs Monate im All verbringen
Es soll die bislang längste bemannte Weltraummission Chinas werden: Drei chinesische Astronauten haben am Samstag die Raumstation »Tiangong«erreicht.
Kurz bevor Wang Yaping zu ihrem mittlerweile zweiten Flug ins All aufbricht, meldet sich die Astronautin noch einmal bei ihren Followern in den sozialen Medien: »Auf Geschäftsreise für das nächste halbe Jahr«, postet die 41-Jährige dort. Was nach reiner Routine klingt, ist jedoch vielmehr ein historischer Moment für das Raumfahrtprogramm des Landes – und ein wichtiges Signal für die Chinas Frauen.
Samstagnacht hob die Rakete vom Typ »Langer Marsch 2F« am Rande der Wüste Gobi ab. Nur zehn Minuten später erklärte die nationale Raumfahrtbehörde den Start der Mission für erfolgreich, und nach weiteren sechseinhalb Stunden erreichte die dreiköpfige Crew ihr Ziel: die sich im Bau befindliche Raumstation »Tiangong« (Himmlischer Palast). Mit sechs Monaten ist es die mit Abstand längste Weltraummission in der Geschichte des Landes.
Chinas Weltraumprogramm verkörpert den neugefundenen Stolz einer Nation, die innerhalb weniger Jahrzehnte von bitterer Armut zum technologischen Vorreiter avancierte. Das bisherige Highlight bildete 2019 die Landung eines Rovers auf der erdabgewandten Seite des Mondes, was zuvor noch keinem Land gelungen war. Dabei hatte die Volksrepublik erst vor 18 Jahren ihren ersten Astronauten ins Weltall geschickt. Der heute 56jährige Yang Liwei ist in China ein Superstar, den jeder Schüler und jede Schülerin kennt. Nun also wird eine Frau in seine Fußstapfen treten. Denn der Astronautin Wang Yapang kommt bei ihrer jetzigen Mission eine ganz besondere Ehre zuteil: Als erste Chinesin soll sie einen Weltraumspaziergang absolvieren.
Wang hat schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie die nötige Fitness und Disziplin für einen solchen Einsatz mitbringt. Ihre Biografie liest sich wie eine Aufsteigergeschichte, die wohl nur in China denkbar ist: Sie wurde 1980 geboren, im selben Jahr, als die Staatsführung eine brutale Ein-KindPolitik einführte, in deren Folge Millionen weiblicher Föten nur aufgrund ihres Geschlechts abgetrieben wurden.
Wang wuchs in einfachen Verhältnissen als ältere von zwei Töchtern in einer Bauernfamilie im ostchinesischen Shandong auf. Lernwille und Athletik sicherten ihr einen Platz an der Pilotenakademie in Changchun. Bevor es nun hoch hinaus ging, verdiente sich Wang Yaping ihre Sporen innerhalb der Erdatmosphäre: 2008 flog sie Hilfsgüter in die von Erdbeben heimgesuchte Provinz Sichuan, zwei Monate später sorgte sie in Peking mit dem Versprühen von Silberdioden während der Olympischen Spiele für blauen Himmel .
2013 schließlich flog sie als zweite Chinesin ins All. Das ist umso bedeutender für ein Land, dessen Parteispitze nach wie vor fast ausschließlich aus Männern besteht und das im Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums auf dem 107. Platz rangiert.
Wang Yaping wird von den Staatsmedien wie eine Heldin gefeiert. Die Nachrichtenagentur Xinhua publizierte ein vielgeteiltes Kurzvideo über die Astronautin, das sie gemeinsam mit ihrer fünfjährigen Tochter zeigt. Darin trägt diese einen Wunsch an ihre Mutter vor: Sie solle doch bitte einen Stern von ihrer Reise zurückzubringen. »Ich verspreche es dir«, antwortet Wang.