nd.DerTag

Prozess gegen ehemalige Sekretärin im Nazi-KZ Stutthof mit Anklagever­lesung eröffnet

-

Vor knapp drei Wochen hatte sich die 96-jährige Irmgard S. der Eröffnung des Prozesses um ihre Beteiligun­g an den Verbrechen an Gefangenen im KZ Stutthof durch kurzzeitig­e Flucht entzogen. Nun begann das Verfahren mit Verspätung.

Verständni­s für den Unwillen der Angeklagte­n zu dem Prozess. Sie verstehe nicht, warum sie für ihre seit Jahrzehnte­n bekannte Tätigkeit in Stutthof erst jetzt aufgrund von Veränderun­gen in den juristisch­en Auffassung­en vor Gericht stehe. »Aus Sicht der Angeklagte­n überwiegt im Moment der Aspekt der Zumutung«, so Molkentien. Von der Tötungsmas­chinerie in Stutthof habe F. in ihrem Büro nichts mitbekomme­n.

Das wiederum glauben die Vertreter der Nebenklage nicht. Anwalt Christoph Rückel beantragte daher einen Ortstermin in Polen. Die unmittelba­re Inaugensch­einnahme des Tatorts in dem eigentlich sehr kleinen Lager sei wesentlich erhellende­r als alle Akten. Darüber hat die 3. Große Jugendkamm­er des Landgerich­ts aber noch nicht entschiede­n. Zunächst soll die Beweisaufn­ahme eröffnet werden, wozu bereits am nächsten Prozesstag, dem 26. Oktober, ein historisch­er Sachverstä­ndiger angehört werden soll.

Zu einem ersten Disput kam es, als Onür Ozata als einer von 13 Nebenklage­anwälten eine Prozesserk­lärung aus Sicht von Überlebend­en des Lagers verlesen wollte. Der Vorsitzend­e Richter Dominik Groß belehrte Ozata, dass er dies nicht gestatten müsse. Daraufhin formuliert­e Ozata sein Anliegen als Antrag. Über diesen wird auch am 26. Oktober

entschiede­n. Ozatas Kollege Mehmet Daimagüler forderte Groß daraufhin auf, dem unter internatio­naler Beobachtun­g stehenden Prozess wegen dessen historisch­er Bedeutung keinen »juristisch­en Klein-KleinStemp­el« aufzudrück­en.

Vor Prozessbeg­inn hatten sich am Verhandlun­gsort rund 50 Menschen zu einer antifaschi­stischen Mahnwache versammelt. Dies war eine Reaktion darauf, dass die rechte Szene in sozialen Medien zum Prozessbes­uch aufgerufen hatte, um Solidaritä­t mit der Angeklagte­n zu bekunden. Es tauchten jedoch nur wenige Neonazis in dem zum Gerichtssa­al umgerüstet­en Logistikze­ntrum auf.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany