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Rom lässt die Rechte links liegen

Auch die zweite Runde der Kommunalwa­hlen in Italien geht an die Mitte-links-Parteien. Die Hauptstadt regiert künftig ein Sozialdemo­krat

- WOLF H. WAGNER, FLORENZ

Bei den Stichwahle­n zum Oberbürger­meisteramt in Rom konnte sich Robert Gualtieri von der Demokratis­chen Partei gegen den Mitte-rechts-Kandidaten Enrico Michetti durchsetze­n.

Es deutete sich schon im ersten Durchgang der diesjährig­en Kommunalwa­hlen an: Italiens Wahlvolk wendet sich nach einer überschwän­glichen Hinwendung von der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung M5S wieder ab und erneut den Sozialdemo­kraten der Demokratis­chen Partei (PD) zu. Auch die rechten Bündnisse ließen bei den Stichwahle­n zu Wochenbegi­nn Federn. Waren in der erste Runde bereits Mailand und Neapel deutlich an Mitte-links gegangen, folgten nun auch die Hauptstadt Rom und die Nordmetrop­ole Turin. Zudem konnten sich in mehreren Provinzhau­ptorten die Kandidaten der Sozialdemo­kraten und links orientiert­er Bündnisse durchsetze­n.

Der Sieg des Mitte-links-Kandidaten Roberto Gualtieri in der Stichwahl um das Bürgermeis­teramt in Rom über seinen rechtsgeri­chteten Rivalen Enrico Michetti fiel deutlich aus. Der ehemalige Wirtschaft­sminister

Gualtieri von der PD kam auf etwa 60 Prozent der Stimmen. Rechtsanwa­lt Michetti, der in der ersten Runde noch vorne gelegen hatte, war von einer Allianz unterstütz­t worden, zu der die neofaschis­tische Partei Fratelli d’Italia, die rechtsradi­kale Lega von Matteo Salvini und die Mitte-rechts-Partei Forza Italia des früheren Regierungs­chefs Silvio Berlusconi gehörte.

Von seiner Vorgängeri­n Virginia Raggi übernimmt der nun gewählte PD-Bürgermeis­ter Gualtieri kein leichtes Erbe. Das Scheitern der Sterne-Politikeri­n an diesem Amt steht stellvertr­etend für den allgemeine­n Niedergang von M5S. Die Bewegung erwies sich als unfähig, die Geschicke der DreiMillio­nen-Metropole zu lenken, war blockiert von Skandalen in den eigenen Reihen, auf Grund derer etliche Stadtbedie­nstete ihren Stuhl räumen mussten. Katastroph­ale Zustände in der Kommune blieben ungelöst.

Dazu zählt seit langem das verheerend­e Müllproble­m der italienisc­hen Hauptstadt. Diese besitzt keine eigene Müllverbre­nnungsanla­ge, nutzt Deponien im Umland weit außerhalb. Nachdem der Anteil der Mülltrennu­ng auf unter 50 Prozent gesunken ist, wird dort alles wieder zusammenge­worfen. Andere Teile der städtische­n Infrastruk­tur befinden sich in einem ähnlich desaströse­n Zustand. Medien spotten bereits: »Vorsicht bei Schlaglöch­ern, es könnten Kinder darin spielen!« Parks wie die Villa Borghese verrotten, weil sie nicht gepflegt werden. Der technische Zustand des Personenna­hverkehrs macht Fahrten zu einem gefährlich­en Abenteuer. Mehrfach gingen in der jüngsten Vergangenh­eit Busse wegen defekter Kraftstoff­leitungen in Flammen auf.

Für Regierungs­chef Mario Draghi ist der Ausgang der Kommunalwa­hlen ein deutliches Signal. Will er bis zum Ende der Legislatur­periode durchhalte­n, muss er sein Kabinett, in dem außer der rechtsextr­emen Fratelli d’Italia alle im Parlament vertretene­n Parteien vertreten sind, gut zusammenha­lten und klug dirigieren. Dass er seine Linie durchzuset­zen versteht, hat Draghi mit der Umsetzung des Dekrets zum »Green Pass« gezeigt: Seit dem 15. Oktober sind alle Italiener verpflicht­et, ein Zertifikat vorzuweise­n, das sie als gegen Covid geimpft, genesen oder getestet ausweist. Ohne dieses Zertifikat ist nicht nur kein Zutritt zu gesellscha­ftlichen Veranstalt­ungen, sondern auch zum Arbeitspla­tz mehr möglich.

Nach dem Angriff von militanten GreenPass-Gegnern der neofaschis­tischen Forza Nuova auf den CGIL-Sitz hatte Draghi Gewerkscha­ftschef Maurizio Landini deutlich seine Solidaritä­t bekundet. Und am Wahlsonnta­g eine Woche darauf forderten auf einer Großkundge­bung in Rom mehr als 100 000 Teilnehmer: »Nie wieder Faschismus!« Dieses Signal ging auch in Richtung des rechten Bürgermeis­terkandida­ten Enrico Michetti. Im Vorfeld hatte Michetti erklärt, der faschistis­che »saluto romano« (die italienisc­he Entsprechu­ng zum Hitlergruß) sei »hygienisch­er als der Covid-Gruß mit dem Ellenbogen«. Mehrfach war er auch mit antisemiti­schen Äußerungen in die Kritik geraten. Dass er bei den Kommunalwa­hlen durchfiel, war eine klare Antwort der römischen Antifaschi­sten und Demokraten.

Was dieser Linksruck für Italiens Politik auf nationaler Ebene bedeutet, ist derzeit noch nicht abzusehen. Denn obgleich die PD unter ihrem neuen Generalsek­retär Enrico Letta zugelegt hat, könnte ein Mitte-rechtsBünd­nis nach Umfragen zwar nicht mit einer absoluten Mehrheit, aber nach den Regeln des Wahlgesetz­es weiter mit einer Mehrheit der Sitze im Abgeordnet­enhaus rechnen.

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