In »Room without a View« spürt die Filmemacherin Roser Corella den Lebens- und Arbeitsbedingungen von migrantischen Haushaltshilfen im Libanon nach
werden, wenn man sie nicht mehr brauchte. Statt ihnen Arbeitsvisa zu geben, bekamen sie eine*n »Kafala«, ein*e Betreuer*in, also eine Person, die rechtlich verantwortlich ist.
Der Libanon hat dieses System übernommen und nutzt es auch für die Baubranche, meistens aber für die Hausarbeit.
Wie sind Sie mit den Haushaltshilfen im Libanon in Kontakt gekommen?
Das war der schwierigste Teil. Als ich feststellte, dass ich die Frauen nicht in die Häuser begleiten konnte, steckte ich ein bisschen fest mit meinem Projekt. Dann habe ich meine Recherche ausgeweitet, um herauszufinden, in welchen anderen Bereichen dieses System verwurzelt ist. Dazu gehören die Agenturen und das Arbeitsministerium. Ich führte viele Interviews und bekam langsam Zugang zur libanesischen Gesellschaft und zu einigen Häusern. Die Wohnungen, die man im Film sieht, gehören Familien, die ihre Haushaltshilfen vergleichsweise gut behandeln. Trotzdem sind sie Teil eines Systems.
Es hat lange gedauert, die Familien zu überzeugen, dass ich dort filmen kann. Ich habe sie häufig getroffen, viel Kaffee mit ihnen getrunken und habe viele Interviews nur mit dem Mikrofon aufgenommen, sodass sie anonym bleiben konnten. Unter diesen Bedingungen waren viele bereit zu erzählen.
Es gibt im Film auch eine Szene mit Frauen, die am Kaffeetisch sitzen und über ihre Haushaltshilfen sprechen. Wie haben Sie das geschafft?
Das war eine Familie, die ich häufig traf, weil ich die Tochter kannte. So habe ich die Mutter kennenlernt, die einerseits irgendwie gegen das System ist, andererseits aber mittendrin. Sie findet diese Art, eine Haushaltshilfe zu engagieren, nicht gut, meint aber, das sei im Libanon die einzige Möglichkeit.
Ich wusste, dass die libanesischen Frauen viel über ihre Haushaltshilfen reden. »Meine Afrikanerin«, »meine Philippinerin«, so reden sie. Deshalb habe ich die Mutter meiner Bekannten gefragt, ob sie nicht zwei Freundinnen einladen und mit ihnen über ihre Erfahrungen sprechen könnte. Sie hat dann ihre beiden Schwestern angerufen. Eine von ihnen will keine Haushaltshilfe haben, die andere möchte eine richtige Dienerin. Ich habe das Thema angeregt, aber sie haben dann diskutiert, wie sie es sonst auch tun. Das war ein echtes Gespräch.
Sie merken gar nicht, wie rassistisch sie dabei sind. Manche denken, dass sie eine sehr gute »Madame« seien, wie die Arbeitgeberinnen genannt werden. Gleichzeitig aber folgen sie diesem ausbeuterischen und rassistischen System. Je Nationalität bezahlen sie den Frauen mehr oder weniger. Die Philippinerinnen bekommen 400 Dollar, weil sie Englisch sprechen. Die Afrikanerinnen bekommen 300, die aus Bangladesch, Indien oder Sri Lanka bekommen 150 oder 200 Dollar.
Haben Sie seit Beginn Ihres Projektes Veränderungen bemerkt? In Ihrem Film zeigen Sie zum Beispiel Demonstrationen von Haushaltshilfen …
Ich habe schon Unterschiede gesehen. Als ich das erste Mal in Beirut war, gab es noch keine Demonstrationen. Da waren nur ein paar NGOs, die sich mit dem Thema beschäftigten. Aber jetzt gibt es viele Institutionen, die sich dafür einsetzen, das Kafala-System abzuschaffen. Es gibt also etwas Hoffnung.
Die Regierung aber hat kein Interesse an Veränderungen, sondern ist mit anderen
Dingen beschäftigt – wie den Protesten im Jahr 2019 oder der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut 2020 oder der ökonomischen Krise des Landes.
Das Einzige, was bisher erreicht werden konnte, ist der Entwurf für einen Vertrag, um Minimalbedingungen für Haushaltshilfen zu schaffen. Darunter beispielsweise ein freier Tag in der Woche, Mindestgehalt, eine maximale Arbeitszeit von acht Stunden am Tag. Aber keine Agentur setzt das um.
Wie haben Sie den Film realisieren können?
Ich habe am Anfang alles selbst finanziert. Immer, wenn ich genug Geld hatte, bin ich wieder in den Libanon geflogen, um zu drehen. Später bekam ich eine Förderung vom Berliner Senat zur Entwicklung des Stoffes und eine dreimonatige Künstler*innenresidenz im Libanon, die vom Goethe-Institut unterstützt wurde. Dann haben wir noch Förderungen aus Österreich bekommen, die die Postproduktion ermöglicht haben.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es großes Auf und Ab. Erst mit der Pandemie habe ich angefangen zu schneiden. Sonst hätte ich wahrscheinlich immer weiter recherchiert und nie ein Ende gefunden.