Nach ihrer Olympiakritik greift Emma Hinze bei der Bahnrad-WM erleichtert an
Das Regenbogentrikot hat Radsprinterin Emma Hinze in Roubaix vor den Augen. Aber kurz vor dem Start der Weltmeisterschaften auf der Bahn machte die Olympiazweite ihrer Enttäuschung über zu große Erwartungshaltungen noch mal Luft. schießen. Es ist ein bizarres Element der Leistungsgesellschaft, in der wir alle leben, dass die Forderungen an andere gern jedes Maß überschreiten, während man das eigene Tun fair gewichtet sehen möchte.
Hinze, vor Olympia noch das Covergirl des deutschen Radsports, bringt diese beiden Aspekte jetzt wieder zusammen. Leistungen möchte sie bei der WM natürlich bringen, sich aber nicht mehr von den Erwartungen der anderen jagen lassen. In die Titelkämpfe kann sie sogar wieder mit einem Lächeln gehen. »Ich möchte in Roubaix wieder Spaß haben und die WM nicht so ernst und verbissen sehen wie Olympia«, sagte sie. Ihr entspannter Gesichtsausdruck zeigte, dass sie da auf einem guten Weg ist. Wie gut sie im Vergleich zur Konkurrenz ist, weiß sie allerdings nicht. Die EM ließ sie aus. »Ich hatte einen anderen Aufbau als sonst vor Weltmeisterschaften und kann es schwer einschätzen«, sagte sie.
Ähnlich wie ihr geht es dem neuen deutschen Star im Bahnradsport, Lea Sophie Friedrich. Die 21-Jährige war zwar bei den Europameisterschaften vor zwei Wochen extrem stark, holte den Titel im Keirin und jeweils Silber im Sprint und im Teamsprint. »Nach der EM war ich aber krank und habe fast eine Woche lang nur im Bett gelegen«, erzählte sie – und dämpfte auf diese Art die Erwartungen. Sie habe sich aber gut regeneriert und freue sich vor allem auf den Teamsprint. Dort ist sie mit Hinze und Pauline Grabosch gesetzt. Qualifikation und Finale finden an diesem Mittwoch statt.
Am gleichen Tag ist auch der Teamsprint der Männer angesetzt. Dort gehen Nik Schröter, Stefan Bötticher und Joachim Eilers an den Start. Das Trio war bislang selten zusammen auf der Bahn. Bötticher ist dennoch optimistisch. »Zwischen Platz drei und Platz sechs ist alles drin«, meinte er. Teamkollege Eilers, hat danach noch ein Mammutprogramm vor sich. An den beiden darauffolgenden Tagen tritt er erst im Keirin und dann im Zeitfahren über 1000 Meter an.
Die Ausdauerabteilung wird bei der WM vom neuen Flaggschiff des deutschen Verbandes angeführt – dem Quartett der Teamverfolgung der Frauen. Lisa Brennauer, Mieke Kröger, Lisa Klein und Franziska Brauße gewannen in Tokio Olympiagold. Brennauer, Kröger und Klein holten bei den Weltmeisterschaften auf den Straßen Flanderns den Titel in der Mixed-Staffel und verhalfen dabei Altmeister Tony Martin zu einem traumhaften Karriereende. Und Brauße, Brennauer und Kröger holten sich gemeinsam mit Laura Süßemilch auch noch den EMTitel in der Teamverfolgung. In der gleichen Besetzung sind sie nun auch die Favoritinnen in Roubaix. »Wenn man Olympiasiegerin ist und Europameisterin, hat man auch das Ziel, sich auch noch die Streifen zu ergattern«, machte Kröger kein Hehl aus den Absichten. Druck macht sie sich deswegen aber nicht. Wenn es so klappt, ist es wunderbar. Wenn nicht, dann haben wir ja auch so genug erreicht dieses Jahr«, blickte sie auf die Entscheidung am Donnerstag voraus.
Erfolg macht offenbar gelassen. Verdaute Enttäuschung auch, wie die Äußerungen von Sprintstar Emma Hinze zeigen. Vor allem mit einem Frauenteam im mentalen Gleichgewicht kann die Auswahl des Bundes Deutscher Radfahrer für einen krönenden Abschluss einer guten Bahnsaison sorgen.