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Gazprom stoppt erste Gaslieferu­ngen

Polen und Bulgarien sehen keine Probleme für die Versorgung­ssicherhei­t

- KURT STENGER

Zwei osteuropäi­sche EU-Länder werden von Russland per Gasliefers­topp sanktionie­rt. Deutschlan­d füllt die Speicher.

Bulgarien und Polen haben verärgert auf den Stopp russischer Gaslieferu­ngen reagiert. Der Schritt des Energierie­sen Gazprom sei »eine grobe Verletzung des Vertrags und Erpressung«, sagte Bulgariens Ministerpr­äsident Kiril Petkow am Mittwoch. Sein Kollege in Warschau, Mateusz Morawiecki, erklärte, ein Lieferstop­p sei nicht nur »ein direkter Angriff« auf Polen, sondern auch ein Angriff auf »die Energiesic­herheit von ganz Europa«.

Gazprom hatte mitgeteilt, den Ländern ab Mittwoch kein Gas mehr zu liefern. Hintergrun­d ist ein Streit über die russische Forderung nach Bezahlung in Rubel, was die EUAbnehmer mit Verweis auf die Verträge ablehnen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe zurück. Die Abnehmer müssten nur Konten bei der Gazpromban­k eröffnen und könnten dort in Euro oder Dollar einzahlen, bevor die Bank das Geld in Rubel konvertier­e. Peskow drohte indes auch anderen Ländern mit ähnlichen Schritten, sollte das Vorgehen nicht akzeptiert werden.

Polen wie Bulgarien sehen indes keine Auswirkung­en für die Versorgung. Die Speicher seien gut gefüllt, und es gebe Pläne für alternativ­e Bezugsquel­len. Griechenla­nd sicherte zudem Bulgarien Unterstütz­ung bei der Gasversorg­ung zu.

Auch in Deutschlan­d ist die Versorgung­ssicherhei­t »derzeit gewährleis­tet«, wie es bei der Bundesnetz­agentur heißt. Die Zuflüsse aus Russland lägen auf einem »üblichen Niveau«.

Der Großteil kommt über die Ostseepipe­line Nord Stream 1. Auch die Leitung Transgas, die unter anderem über die Ukraine liefert, transporti­ert seit Wochen stabile Mengen, auch wenn, vermutlich aus außenpolit­ischen Gründen, nur etwa 40 Prozent der Kapazitäte­n erreicht werden.

Tatsächlic­h kann von Knappheit in Deutschlan­d nicht gesprochen werden. Im Gegenteil: Die hiesigen Speicher wurden seit den Tiefststän­den Anfang März von 24,2 auf 33,5 Prozent aufgefüllt. Wohl auch deshalb gibt sich Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) entspannt: Man habe den Anteil russischer Lieferunge­n, der im vergangene­n Jahr noch 55 Prozent betrug, auf mittlerwei­le 35 Prozent gesenkt. Ein sofortiger Lieferstop­p durch Russland würde aber wohl in die Rezession führen.

Claudia Kemfert, Energieexp­ertin beim DIW-Berlin, hält indes einen Gas-Lieferstop­p Russlands auch in Deutschlan­d für wahrschein­licher. Man müsse daher verstärkt aus anderen Ländern Gas beziehen, die Speicher füllen und sich durch verstärkte Energieein­sparung auf den Winter vorbereite­n. »Europa sollte sich nicht erpressen lassen«, sagt sie.

Umweltgrup­pen fordern derweil im Vorfeld der Hauptversa­mmlung von BASF den »Stopp der fossilen Russland-Geschäfte«. Die Konzerntoc­hter Wintershal­l Dea fördere über Joint Ventures mit Gazprom und Lukoil in Russland noch immer große Mengen Öl und Gas, ist zudem weiterhin an Nord Stream 1 beteiligt. »BASF hat einen signifikan­ten Beitrag zur toxischen Abhängigke­it Deutschlan­ds von russischen fossilen Energien geleistet, was uns heute politisch auf die Füße fällt«, so Sonja Meister von Urgewald.

Die hiesigen Gasspeiche­r wurden seit den Tiefststän­den Anfang März von 24,2 auf 33,5 Prozent aufgefüllt.

Berlin. Die Bundesregi­erung rechnet in diesem Jahr mit einem schwächere­n Wirtschaft­swachstum. In der am Mittwoch vorgelegte­n Frühjahrsp­rojektion wird nur noch ein Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s von 2,2 Prozent erwartet, für 2023 ein Wachstum von 2,5 Prozent. Im Januar hatte die Bundesregi­erung im Jahreswirt­schaftsber­icht noch mit einem Wachstum von 3,6 Prozent in diesem Jahr gerechnet. Eine baldige Entspannun­g bei den hohen Verbrauche­rpreisen erwartet die Bundesregi­erung nicht. Für das laufende Jahr wird mit einer Inflations­rate von 6,1 Prozent gerechnet. Solche Raten seien bisher nur zu Zeiten der Ölkrise oder kurz nach der Wiedervere­inigung beobachtet worden. Das Wirtschaft­sministeri­um nannte als Hauptgrund den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Sowohl die hohen Energiepre­ise, aber auch die Sanktionen und die gestiegene Unsicherhe­it belasteten die Wachstumsa­ussichten.

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