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Leipzig will das zweite Finale

RB geht gewarnt ins Halbfinale der Europa League gegen die Glasgow Rangers

- ULLRICH KROEMER, LEIPZIG

Die jüngste Niederlage gegen den 1. FC Union Berlin soll nur ein Ausrutsche­r gewesen sein. Gegen die Glasgow Rangers, ein ebenso kampfstark­er Gegner, will sich RB trotz Abwehrprob­lemen eine zweite Titelchanc­e in dieser Saison erspielen.

Es gibt wohl weltweit keine angenehmer­en Gäste als Schotten. Zumindest, wenn der Anlass des Besuchs etwas mit Fußball zu tun hat. Das hat RasenBalls­port Leipzig schon zweimal erleben dürfen. Im Winter 2017 brachten die Glasgow Rangers zu einem Testspiel vor dem Rückrunden­start 8000 Fans mit, die singend und trinkend aus den Flugzeugen fielen und die Innenstadt­kneipen und den Weg zum Stadion bevölkerte­n. Damals waren die Rangers nach ihrem Insolvenz-Crash 2012 und dem Neustart in der vierten Liga gerade wieder in die Scottish Premiershi­p aufgestieg­en und zelebriert­en nach jahrelange­m Europapoka­lentzug die Reise bei sächsische­m Schneetrei­ben. Im Jahr darauf war Celtic Glasgow in der Europa League zu Gast in der Messestadt und kam mit 4000 Anhängern, die trotz der Niederlage bis tief in der Nacht auf den Tresen tanzten und aus vollen Kehlen ihre herzzerrei­ßenden Chants intonierte­n.

An diesem Donnerstag wird es wieder emotional, laut und voll im Leipziger Zentrum. Überall wird der Slang der Glaswegian­s, der selbst nüchtern kaum zu verstehen ist, zu hören sein. Seit 2008 haben es die protestant­ischen Rangers, die von den katholisch­en Celtic-Fans nach der Neugründun­g des Vereins nur »Zombies« genannt werden, wieder in ein europäisch­es Halbfinale geschafft.

Kontrahent Leipzig gibt nach dem Semifinale in der Champions League 2020 seine Premiere in der Runde der letzten Vier der Europa League. Zwar hat RB wie vorgesehen nur 2400 Gästeticke­ts vergeben, doch es sollen sich rund 7000 schottisch­e Anhänger im Anflug befinden. Bei der Ticketbesc­haffung haben unter anderem Fans des Hamburger SV geholfen, mit denen die Rangers-Supporter eine Fanfreunds­chaft verbindet. So werden nicht nur im Gästeblock, sondern überall im Stadion die blauen Trikots des 55-maligen schottisch­en Rekordmeis­ters leuchten. »Es fühlt sich dann wie ein Heimspiel auswärts an«, freut sich Gästetrain­er Giovanni van Bronckhors­t. Der Niederländ­er hatte den Posten gemeinsam erst im November von Steven Gerrard übernommen. »Ich kam mit meinem Team und wir mussten sofort starten. Aber es hat gut funktionie­rt, wir haben es zusammen geschafft«, erinnert sich der 106malige niederländ­ische Nationalsp­ieler. »Ich bin sehr stolz auf die Spieler, wie sie gegen die verschiede­nen Gegner aufgetrete­n sind.«

Dass die Rangers, die kompakt stehen, gefährlich bei Standards sind und meist über die Flügel und den schnellen, dribbelsta­rken Ryan Kent hervorrage­nd umschalten, auch Dortmund ausgeschal­tet haben, überrascht­e zunächst auch Domenico Tedesco. »Als ich dann mehr Spiele sah, gegen Celtic, Zagreb und Braga war es keine Überraschu­ng mehr«, so Leipzigs Trainer. Was die Körperlich­keit angeht, verglich er die Rangers mit Union Berlin, das den Leipzigern am Sonnabend in den Schlussmin­uten der Bundesliga­partie mit einem Doppelschl­ag die erste Niederlage nach 15 Spielen beibrachte. »Das ist eine physisch starke Mannschaft, die in der Lage ist, jeden Gegner zu bezwingen, wenn man sich auf ihr Spiel einlässt«, warnt Tedesco. Doch anders als die Berliner würde Glasgow versuchen, mehr »Fußball zu spielen, die Halbräume und die Sechser zu finden, das Spiel zu verlagern und in die Tiefe zu spielen«.

Bei RB hoffen sie, dass die Ligapleite gegen Union ein Ausrutsche­r zur richtigen Zeit gewesen sei. »Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir hatten viele HighlightS­piele. Es ist dann auch mal tolerierba­r, dass wir mal ein Spiel nicht so gut sind«, entschuldi­gte Tedesco. Gegen die Berliner seien seine Leipziger nicht nur »fußballeri­sch, sondern auch von der Intensität, der Frische, der Aggressivi­tät, der Spritzigke­it her« nicht gut gewesen. Nach zwei freien Tagen soll jetzt die Energie zurück in den Köpfen und Körpern sein. »Ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Alle drei Tage zu spielen, ist ein Privileg, das beflügelt einen«, sagte Leipzigs Trainer und meinte mit Blick auf das deutsche Pokalendsp­iel: »Ein Finale haben wir schon erreicht, jetzt wollen wir das zweite.«

Eine Unwägbarke­it auf dem Weg zum Finale nach Sevilla ist, wie RB Leipzig die Ausfälle in der Abwehr verkraftet. Der leidenscha­ftliche Mohamed Simakan fällt ebenso gelb gesperrt aus wie Abwehrchef Willi Orban und Mittelfeld-Metronom Kevin Kampl. Tedesco deutete an, zum ersten Mal in seiner Amtszeit eine Viererkett­e aufzustell­en, mit der das Team unter Vorgänger Jesse Marsch selten zurechtkam. »Viererkett­e musst du spielen können, das ist kein Risiko«, betonte der gebürtige Italiener.

Leipzig ist also bereit für den Besuch aus Glasgow – auf dem Platz und an den Zapfhähnen. »Wir sind glücklich darüber, dass eine Menge Fans kommen und wir bei großartige­r Atmosphäre spielen«, sagte Tedesco, schränkte aber ein: »In meinem Hotel haben sie mir gesagt, dass sie 300 Rangers-Fans erwarten. Ich werde deshalb in den nächsten beiden Tagen in der Akademie schlafen«, scherzte er. Übrigens: In den legendären Ibrox-Park in einer Woche wird RasenBalls­port von etwa 1000 Fans begleitet, wie der Klub auf Nachfrage mitteilte. Den Fanverglei­ch können die knapp 13 Jahre jungen Leipziger gegen den 150 Jahre alten Glasgower Giganten nicht gewinnen.

»Das ist eine physisch starke Mannschaft, die in der Lage ist, jeden Gegner zu bezwingen, wenn man sich auf ihr Spiel einlässt.« Domenico Tedesco Trainer RB Leipzig

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Die Leipziger um Mukiele (h.) nehmen die Niederlage gegen Union mit Voglsammer als Warnung für die Europa League.

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