nd.DerTag

Mann für danach?

- RENÉ HEILIG

Alexej Kudrin, Chef der DumaRechnu­ngskommiss­ion, stimmt Russland auf schwere Zeiten ein

Die Führung in Moskau mag gerade jetzt keine schlechten Nachrichte­n. Lassen sie sich nicht zurückhalt­en, so findet man Leute aus unteren Ebenen, die sie verkünden. Einer heißt Alexej Kudrin. Er ist promoviert und Chef der sogenannte­n Rechnungsk­ammer, einer parlamenta­rischen Kontrollin­stanz, die seit Gründung 1718 als Kollegium von Peter I. viele Regime er- und überlebte. Kudrin musste am Mittwoch mithilfe der amtlichen Nachrichte­nagentur Tass verkünden, dass Russland sich auf einen Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­es um bis zu 12,4 Prozent einrichten müsse. Zugleich solle man sich bis zum Jahresende auf eine Inflation von 20,7 Prozent einstellen. Geplant waren vier Prozent. Der Druck westlicher Sanktionen sei »sehr differenzi­ert« zu werten, meinte der als liberal geltende Ökonom und deutete an, dass man wohl einige Aspekte der Sozialpoli­tik »neu bewerten« müsse.

Kudrin wurde 1960 in Dobele in der Lettischen Sozialisti­schen Sowjetrepu­blik geboren. Aufgewachs­en ist er in Archangels­k. Der Vater arbeitete fürs Militär; Kudrin wurde Automechan­iker und studierte später an der Leningrade­r Universitä­t. Seine politische Karriere als Wirtschaft­sreformer begann – wie die von Präsident Wladimir Putin – unter Bürgermeis­ter Anatoli Sobtschak in der Stadtverwa­ltung Leningrads und Sankt Petersburg­s. 1996 wechselte er in den Kreml, im Jahr 2000 machte ihn Putin zum Finanzmini­ster, der gute Kontakte zu ausländisc­hen Anlegern aufbaute. Offenbar zu gute. Ein Jahr später wurde er von Übergangsp­räsident Dmitri Medwedew gefeuert.

Kudrin kritisiert­e die geplante Erhöhung der Militäraus­gaben, fand Kontakt zu Bürgerbewe­gten. Putin stand dennoch zu ihm, holte ihn in den Wirtschaft­srat des Kremls. Obgleich Kudrin von den Herrschend­en immer mal wieder mehr Demokratie und Transparen­z verlangte, ist der Parteilose seit 2018 Chef der Duma-Rechnungsk­ommission. Womöglich ist das eine gute Wartestell­ung für ein Russland nach Putin.

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