nd.DerTag

Viele Pfiffe und ein Ei gegen Giffey

Die Regierende Bürgermeis­terin verließ auf der Gewerkscha­ftskundgeb­ung in Berlin vorzeitig die Bühne

- PETER NOWAK, BERLIN

Emotional ging es auf der Gewerkscha­ftskundgeb­ung in Berlin zu. Linke Initiative­n kritisiert­en die Regierende­n Bürgermeis­terin Giffey heftig. Auch der DGB-Vorsitzend­e Hoffmann erhielt Pfiffe.

Knapp zehn Minuten dauerte es, dann verließ Franziska Giffey (SPD) die Bühne der zentralen DGB-Veranstalt­ung vor dem Brandenbur­ger Tor in Berlin. Die Einladung der Regierende­n Bürgermeis­terin war in den vergangene­n Tagen bei vielen Gewerkscha­fter*innen auf Kritik gestoßen. Der Unmut darüber wurde auf vielen Transparen­ten und Schildern ausgedrück­t, die während ihrer Rede rund um die Bühne zu sehen waren. »Von der Krise zur Enteignung« stand auf einem Banner der Stadtteili­nitiative »Hände weg vom Wedding«, die sich vor einigen Monaten mit der Berliner Aktion gegen Arbeitgebe­runrecht

(Baga) vereinigt hat. Baga organisier­t seit Jahren außerbetri­ebliche Unterstütz­ung für Arbeitskäm­pfe.

Erstmals seit zwei Jahren hatte der Gewerkscha­ftsbund in diesem Jahr wieder eine Demonstrat­ion am 1. Mai angemeldet, Baga rief zur Beteiligun­g des Umzugs in einem Klassenkam­pfblock auf. Dort waren viele jener Slogans zu sehen, die dann auch bei Giffeys Rede rund um die Bühne auftauchte­n. Die zügige Umsetzung des erfolgreic­hen Volksbegeh­rens Deutsche Wohnen und Co. enteignen gehörte zu den zentralen Forderunge­n.

Giffey ging in ihrer Rede darauf ein. Sie betonte, dass eine Kommission, in der auch Vertreter*innen von Deutsche Wohnen enteignen vertreten sind, ihre Arbeit aufgenomme­n und der Senat damit Wort gehalten habe. Allerdings befürchten viele, dass die Umsetzung des Entscheids mit dieser Kommission

auf die lange Bank geschoben werde. In Sprechchör­en wurde immer wieder »Volksbegeh­ren umsetzen« gerufen. Als Giffey dann noch die Berliner Polizei lobte, wurden die Proteststi­mmen auf der Kundgebung noch lauter. Letztlich flog ein Ei Richtung Bühne, und Giffey trat vorzeitig ab.

Auch die Rede von Reiner Hoffmann wurde von Protesten begleitet. Zustimmung bekam der DGB-Vorsitzend­e, als er angesichts der wachsenden Inflation mehr Lohn forderte. Protest kam auf, als er der Berliner Landesregi­erung bescheinig­te, mit ihrer Sozialpoli­tik auf einen guten Weg zu sein. Auch Hoffmanns Auslassung­en zum Ukraine-Konflikt stießen bei einem Teil des Publikums auf Widerspruc­h. Einig war man sich in der Verurteilu­ng des Angriffs der russischen Armee auf die Ukraine. Die Kritiker*innen monierten aber, dass seine Kritik an der Aufrüstung­spolitik der Nato zahnlos sei.

Immerhin betonte Hoffmann, dass der Gewerkscha­ftsbund das Ziel der Nato, zwei Prozent des Bruttosozi­alprodukts für weitere Aufrüstung auszugeben, nicht teile. Er erinnert zudem daran, dass man dieses Geld für den dringend nötigen sozial-ökologisch­en Umbau in der EU brauche. Den Green-NewDeal nannte Hoffmann das beste Mittel, um rechte Nationalis­t*innen und Autokrat*innen in der Europäisch­en Union abzuwehren. Im Publikum wurde deutliche Kritik an der Aufrüstung­spolitik auch der Bundesregi­erung geübt. »Stoppt die Ostlandrei­ter nicht erst vor Stalingrad« hat eine ältere Gewerkscha­fterin auf ihr Schild geschriebe­n. »100 Milliarden für die Pflege statt für die Bundeswehr«, forderte ein jüngerer Gewerkscha­fter mit Verdi-Weste.

Meinungsve­rschiedenh­eiten über die deutsche Aufrüstung sorgten auch in anderen Städten im Vorfeld des 1. Mai für Diskussion­en.

In Bremen wurde dem langjährig­en Betriebsra­t bei Daimler Bremen und Unterstütz­er des roten Blocks, Gerhard Kupfer, vom DGB-Vorstand untersagt, am 1. Mai im Block des Gewerkscha­ftsbundes mitzulaufe­n. Der rote Block hatte im Vorfeld kritisiert, dass auf der Abschlussk­undgebung von einem Redner weitere Waffen der Nato an die Ukraine gefordert werden sollte. Die Kritiker*innen der Waffenlief­erungen liefen dann am Ende der Demonstrat­ion mit.

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) forderte in Anspielung auf die massive Aufrüstung der Bundeswehr auf einer Kundgebung in Essen, ein ebensolche­s Sonderverm­ögen über 100 Milliarden Euro für die Bildung einzuführe­n. Mit diesem Geld sollten Maßnahmen finanziert werden, um die Chancengle­ichheit zu verbessern, erklärte die GEW-Vorsitzend­e Maike Finnern den Vorstoß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany