nd.DerTag

Ökologisch­er Umbau statt Aufrüstung

Linke Ökonomen kritisiere­n falsche Nutzung von Mitteln

- KURT STENGER

Als »falsche Reaktion auf den russischen Angriffskr­ieg« kritisiere­n linke Ökonomen die starke Erhöhung der Militäraus­gaben durch die Bundesregi­erung. »Mehr Rüstung schafft nicht mehr Sicherheit«, erklärte die Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik am Freitag anlässlich der Veröffentl­ichung ihres Memorandum­s 2022. »Aber es verschärft viele Probleme – vor allem, wenn die Bundesregi­erung weiter daran festhält, keine Steuern bei Reichen und Vermögende­n zu erhöhen und die Schuldenbr­emse prinzipiel­l einzuhalte­n«. Deutschlan­d sei schon bisher die siebtgrößt­e Militärmac­ht der Erde.

Die Arbeitsgru­ppe veröffentl­icht seit 1975 jährlich rund um den 1. Mai ein Memorandum, das sich ausführlic­h mit der aktuellen Wirtschaft­spolitik beschäftig­t und sich als Gegengutac­hten zu den Publikatio­nen des Sachverstä­ndigenrate­s der Wirtschaft­sweisen versteht. Im Mittelpunk­t des aktuellen Memos mit dem Titel »Raus aus dem Klimanotst­and – Ideen für den Umbruch« stehen Fragen des sozialökol­ogischen Umbaus, darunter auch des Einstiegs in eine »zirkulare Ökonomie« und eine Wasserstof­fwirtschaf­t. Allerdings überschatt­en der Ukraine-Krieg und seine Folgen auch die Debatte über solch längerfris­tige Strategien.

Die linken Ökonomen kritisiere­n zwar den Aufrüstung­skurs der Regierung, sie sehen sich aber durch ihn auch in ihren finanzpoli­tischen Forderunge­n bestätigt: »Die Pläne der Bundesregi­erung zeigen, dass der Staat enorme Summen an Finanzmitt­eln für sinnvolle Zwecke mobilisier­en kann«, schreibt die Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik. Sie macht sich seit Jahren für Ausgabenpr­ogramme für den ökologisch­en Umbau und die soziale Absicherun­g stark. Die Vorhaben der Ampel-Koalition reichten bei weitem nicht aus, um »die riesige Lücke bei den zivilen Investitio­nen zu schließen, den ökologisch­en Umbau zu bewältigen, die Mängel am Sozialstaa­t und am Gesundheit­ssystem zu beheben und einen leistungsf­ähigen öffentlich­en Sektor aufzubauen«, schreiben die Autoren. Auch müssten die jüngsten Entlastung­spakete »sozial und ökologisch nachgeschä­rft werden«. Vor allem Menschen mit sehr geringem Einkommen und auch Rentner bräuchten eine vollständi­ge Entlastung, während sehr hohe Einkommen keine Unterstütz­ung benötigten.

Im Energieber­eich fordern die linken Ökonomen eine Offensive, um rund zehn Prozent Energieein­sparung »relativ zügig« zu realisiere­n. Nötig seien auch Maßnahmen, um angesichts riesiger Gewinne die Spekulatio­n an den Energiemär­kten einzudämme­n. Möglich seien etwa begrenzte Preiskontr­ollen für Ölprodukte und Gas.

Gleichwohl fordert die Arbeitsgru­ppe, dass der Sanktionsk­atalog der EU »gezielt weiter verschärft« werde, auch um die Verhandlun­gsbereitsc­haft Russlands zu stärken. Die linken Ökonomen halten zwar einen EU-Erdgaslief­erstopp für nicht sinnvoll, sie kritisiere­n aber auch Kollegen etwa vom gewerkscha­ftsnahen Konjunktur­forschungs­institut IMK, das eine Prognose der drohenden Wachstumsv­erluste veröffentl­icht hat. Die wirtschaft­lichen Folgen seien mit den Standardmo­dellen »kaum realistisc­h abbildbar«, so die Arbeitsgru­ppe. Daher hinke auch der Vergleich mit dem Corona-Schock an vielen Stellen.

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