Brexit lässt Handel einbrechen
Die Bürokratie für Ausfuhren aus Großbritannien ist stark gewachsen. Immer mehr Unternehmen geben auf
Neue Studien zeigen, dass der EU-Austritt insbesondere mittelständische Unternehmen trifft – viele haben ganz aufgehört, in die EU zu exportieren.
Das schottische Unternehmen Bradfords Bakers spezialisiert sich auf Geschenkkörbe mit allerhand Schlemmereien: Schokoladentörtchen, Honig- und Butterkekse, Whisky. Die Körbe lassen sich auch ins Ausland liefern, zum Beispiel nach Irland, Australien, Indien oder Kuwait – aber nicht nach Deutschland oder Österreich. Schon vor über einem Jahr hat das Unternehmen aufgehört, in die Europäische Union zu exportieren: Es ist zu kompliziert geworden. Mit den zusätzlichen Gebühren, die seit dem Brexit bezahlt werden müssen, und den Zertifikaten, die jetzt für verschiedene Produkte nötig sind, sei es nicht mehr rentabel gewesen, sagte der Firmenchef dem Fachmagazin Speciality Food. »Wir sind ein kleiner Betrieb, und so ist es schwierig, die Zeit und das Personal zu finden, um die neuen Anforderungen zu bewältigen.«
Unzählige britische Firmen haben die gleichen Erfahrungen gemacht wie Bradfords Bakers. Seit das Brexit-Handelsregime im Januar 2021 in Kraft getreten ist, warnen Branchenverbände, dass kleinere Unternehmen große Mühe haben, mit Bürokratie und höheren Kosten fertig zu werden. Dies wird jetzt von einer neuen akademischen Studie der London School of Economics bestätigt: Die Zahl der Beziehungen zwischen britischen Händlern und EU-Kunden ist seit Anfang 2021 um fast ein Drittel gefallen.
Besonders Exporte in kleinere EU-Länder seien stark eingebrochen, schreiben die Autoren. Der Grund liege auf der Hand: Die Bestimmungen des Handelsabkommens zwischen Großbritannien und der EU haben die Ausfuhr von Produkten für viele kleinere Firmen so sehr verteuert, dass sie sich aus kleineren EU-Märkten zurückgezogen haben. »Es scheint, als habe Großbritannien schlichtweg aufgehört, eine ganze Reihe von
Produkten in kleinere Länder auszuführen«, sagt Thomas Prayer, Mitautor der Studie, gegenüber der Financial Times. Der Handelseinbruch sei »bemerkenswert«. Es sei auch eine Vorahnung der längerfristigen BrexitAuswirkungen: Das Wachstum des Handels werde zu einem großen Teil von kleineren Firmen getragen, sagt Sampson: »Wenn diese Handelsbeziehungen jetzt zu Ende gehen, könnte das in Zukunft zu einem niedrigeren Exportwachstum führen.«
Bereits jetzt ist hingegen eine weitere Folge des EU-Austritts zu spüren: Der Brexit hat die Inflation befeuert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des britischen Thinktanks EU in a Changing Europe, die ebenfalls in den vergangenen Tagen publiziert worden ist. Demnach haben die Brexit-Handelsbarrieren zur Folge, dass die Lebensmittelpreise zwischen Dezember 2019 und September 2021 um 6 Prozent angestiegen sind. Zwar wird auf Importe aus der EU kein Zoll erhoben, aber die Inspektionen und der zusätzliche Papierkram haben an der Grenze immer wieder zu Verzögerungen geführt. Die Studie zeigt, dass Produkte, die zu einem erheblichen Teil aus der EU kommen, im Verhältnis teurer geworden sind als jene, die aus anderen Ländern stammen; dazu gehören etwa frisches Schweinefleisch, Tomaten oder Konfitüre. Der Preisanstieg könne nicht der Pandemie in die Schuhe geschoben werden. »Unsere Studie zeigt, dass die Handelsbarrieren, die der Brexit verursacht hat, einen klaren und robusten Effekt haben auf die steigenden Lebensmittelpreise für britische Konsumenten«, sagt Mitautor Nikhil Datta.
Die Inflation in Großbritannien ist im März auf sieben Prozent geklettert – der höchste Stand seit 30 Jahren. Besonders die Energiepreise sind sprunghaft angestiegen, mit der Konsequenz, dass Millionen von Briten gerade in eine tiefe Krise schlittern. Die Regierung ist unter starkem Druck, den Bürgerinnen und Bürgern unter die Arme zu greifen – aber bislang hat Finanzminister Rishi Sunak noch keine Strategie vorgelegt, wie er dies zu tun gedenkt.