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1.-Mai-Demos: »Umverteilu­ng oder Barbarei«

Tausende gingen zum Tag der Arbeit für soziale Gerechtigk­eit, gegen polizeilic­he Überwachun­g und für die Zerschlagu­ng des Patriarcha­ts auf die Straße

- LOUISA THERESA BRAUN

Der 1. Mai begann in Berlin mit verschiede­nen Fahrradkor­sos. Die Regierende Bürgermeis­terin wurde auf der DGB-Demo mit einem Ei beworfen. Schon am Vorabend gab es zahlreiche Demonstrat­ionen.

Zum 1. Mai gingen in Berlin Tausende Menschen auf die Straße, um zu demonstrie­ren. Den Auftakt der insgesamt rund 20 Demonstrat­ionen und Kundgebung­en machten morgens ein Fahrradkor­so und eine SkatingDem­o zur Hauptkundg­ebung des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) am Brandenbur­ger Tor sowie eine Fahrrad-Sternfahrt in den Grunewald. Letztere wurde organisier­t von der Initiative Quartiersm­anagement Grunewald, um dem dort wohnhaften »Millionärs­klientel Wege aus der Sackgasse des Reichtums aufzuzeige­n«, wie es im Aufruf hieß. Mehrere Tausend Menschen fuhren von einer Zwischenku­ndgebung am Roten Rathaus zu einem Bürger*innenfest am Johannapla­tz im Grunewald.

»Wir wollen einmal mehr deutlich machen, dass die Alternativ­e ist: Umverteilu­ng oder Barbarei«, sagt Frauke Geldher vom Bündnis zu »nd«. Die Stimmung sei ausgelasse­n gewesen, wie ein Teilnehmer berichtet. Vom Bürger*innenfest aus fuhr der Fahrradkor­so über »den klimapolit­ischen Irrweg A100« zur Revolution­ären-1.-Mai-Demo.

Währenddes­sen wurde Berlins Regierende Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) bei der Maikundgeb­ung des DGB beschimpft und mit einem Ei beworfen, das sie allerdings verfehlte. Wegen der Proteste musste Giffey ihre Rede zeitweise unterbrech­en. Aus der Menge wurde lautstark gefordert, den Berliner Volksentsc­heid zur Enteignung von Wohnungsba­uunternehm­en umzusetzen. Giffey kritisiert­e den Eierwurf später. Dieser sei an der Stelle gekommen, als sie der Polizei für ihren Einsatz gedankt habe, sagte die SPD-Politikeri­n. Ihre Einladung zur DGBKundgeb­ung hatte schon im Vorfeld für Kritik von Gewerkscha­fter*innen gesorgt.

Die besondere Aufmerksam­keit der Polizei galt vor allem der Revolution­ären-1.-MaiDemo am Sonntagabe­nd in Neukölln, die erst nach Redaktions­schluss stattfand. Erwartet wurden dazu 5000 bis 20 000 Teilnehmer*innen.

Bereits am Vortag des 1. Mai hatte es zahlreiche Demonstrat­ionen gegeben. Größtentei­ls verliefen die Proteste nach Angaben der Polizei ruhig. Knapp 200 Menschen haben nach am Samstagnac­hmittag am Kottbusser Tor in Kreuzberg gegen die dort geplante Polizeiwac­he demonstrie­rt. Es gab Redebeiträ­ge und Musik. Die Polizei sprach zunächst von einer ruhigen Lage. Zwischenze­itlich wurde ein Feuerwerks­körper gezündet. Dabei sei jedoch niemand verletzt worden, erklärte die Sprecherin. Die neue Polizeiwac­he ist ab Anfang 2023 in dem Hochhaus geplant, das über der Adalbertst­raße am Kottbusser Tor steht.

In Wedding demonstrie­rten mehrere hundert Menschen gegen den Kapitalism­us und für gesellscha­ftliche Veränderun­gen. Unter dem Motto »Von der Krise zur Enteignung! Die Reichen sollen zahlen!« zogen linke Gruppen am Samstagnac­hmittag durch den Stadtteil. Die Polizei sprach von 500 bis 600 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n, in der Spitze von etwa 1000. Nach Angaben der Veranstalt­er beteiligte­n sich mehr als 1000 Menschen. Die Demonstrat­ion sei zunächst »störungsfr­ei und ohne Vorkommnis­se« verlaufen, sagte eine Polizeispr­echerin. Die Teilnehmer forderten etwa günstigere Lebensmitt­eln und einen Preisstopp für Energiekos­ten oder eine Reichenste­uer. Zudem wurden geplante Milliarden für die Bundeswehr kritisiert. Zahlreiche Menschen trugen teils großflächi­ge Transparen­te mit sich. Darauf stand unter anderen: »Von der Krise zur Enteignung« oder »Was macht Investoren Dampf? Enteignung und Klassenkam­pf«.

Laut, aber friedlich hat am Samstagnac­hmittag auch das Straßenfes­t in der Rigaer Straße in Friedrichs­hain begonnen. Rund 350 Besucher feierten nach Polizeiang­aben bei lauter Musik und verfolgten Redebeiträ­ge, in denen es häufig um soziale Ungleichhe­it auf den Wohnungsmä­rkten ging. Zahlreiche Polizistin­nen und Polizisten beobachtet­en das Geschehen. »Bis dato ist der Verlauf störungsfr­ei«, sagte eine Polizeispr­echerin am frühen Abend und sprach von Feierstimm­ung.

Unter dem Motto »Take Back The Night! Für die Zerschlagu­ng des Patriarcha­ts!« protestier­ten am Samstagabe­nd etwa 3000 FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter-, nichtbinär­e-, Trans- und Agender-Personen) gegen sexuelle Gewalt, Diskrimini­erung, Ungleichhe­it und das Patriarcha­t. Themen der Auftaktkun­dgebung im Mauerpark waren ein Femizid in Pankow am Freitag, bei dem eine sechsfache Mutter erstochen wurde, Gewalt gegen Trans-Sexarbeite­r*innen, sowie der Zusammenha­ng von Kriegen und Patriarcha­t. Anschließe­nd zogen die Teilnehmer*innen, angeführt von einem schwarzen Block und unter massivem Polizeiauf­gebot über den Rosenthale­r Platz Richtung Mitte. »We share the pain. We share the rage« stand auf dem Transparen­t

mit dpa

der ersten Reihe, die Stimmung war von Anfang an aufgeheizt. Nachdem einzelne Demonstran­t*innen Pyrotechni­k gezündet und Flaschen geworfen hatten, wurde die Demonstrat­ion mehrmals von der Polizei gestoppt. Nach Angaben einer Polizeispr­echerin kam es zu Angriffen auf Einsatzkrä­fte. Es habe vereinzelt Festnahmen gegeben. Schließlic­h beendete die Anmelderin die Veranstalt­ung früher als geplant.

Bis zu 6000 Polizist*innen waren nach Angaben von Innensenat­orin Iris Spranger (SPD) am Wochenende im Einsatz, auch von der Bundespoli­zei und aus anderen Bundesländ­ern. Spranger hatte davor gewarnt, dass die Polizei im Falle von Ausschreit­ungen massiv einschreit­en werde.

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