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Ukrainisch­e Gehörlose dürfen bleiben

Sozialsena­torin will nun doch Ausnahme für Geflüchtet­e

- PATRICK VOLKNANT

Seit Wochen wird in der Hauptstadt um die Zukunft einer Gruppe gehörloser Geflüchtet­er aus der Ukraine gestritten. Nun hat Sozialsena­torin Katja Kipping (Linke) eine Entscheidu­ng getroffen, die es den Menschen ermöglicht, gemeinsam in Berlin zu bleiben. »Alle hatten den Wunsch, die zunehmend belastende Ungewisshe­it für diese Gruppe zu beenden«, wird die Senatorin in einer Pressemitt­eilung am Freitag zitiert. Kipping spricht von einem »Spannungsf­eld«, in dem sich das Land auf der Suche nach einer Lösung bewegt habe: Einerseits sei der Gruppe aus guten Gründen versproche­n worden, zusammenzu­bleiben. Anderersei­ts müssten klare Kriterien für die Verteilung von Geflüchtet­en herrschen.

Ursprüngli­ch gehörten der betroffene­n Gruppe, die in den ersten Wochen des Krieges aus der Ukraine nach Berlin floh, rund 180 Menschen an. Inzwischen halten sich noch lediglich 85 von ihnen in der deutschen Hauptstadt auf. Innerhalb der vergangene­n Woche sollen sich nun laut Kipping 50 von ihnen am Ankunftsze­ntrum in Tegel registrier­t haben. Vorausgega­ngen sei eine erneute Informatio­nsveransta­ltung durch das Landesamt für Flüchtling­sangelegen­heiten (LAF).

Mittlerwei­le erfüllten 60 Prozent der Geflüchtet­en die Voraussetz­ungen für eine Berlinzuwe­isung, so die Sozialsena­torin. Gründe seien beispielsw­eise eine nachweisba­re Aussicht auf Arbeit oder gesundheit­liche Probleme. »Um das gegenüber dieser konkreten Gruppe gegebene Verspreche­n, zusammenbl­eiben zu können, einzuhalte­n, habe ich entschiede­n, dass die verbleiben­den 35 Personen nun auch auf Berlin zugewiesen werden«, teilt Kipping mit. Hierbei handele es sich ausdrückli­ch um keine Präzedenze­ntscheidun­g für weitere gehörlose Geflüchtet­e, die nach Berlin kommen. Der Entschluss beziehe sich lediglich auf die verblieben­en Mitglieder der Gruppe.

Jüngst hatte die Senatsverw­altung für Integratio­n, Arbeit und Soziales noch mitgeteilt, dass eine Ausnahme, die gemacht werde, »im Sinne der Gleichbeha­ndlung« für jede Gruppe mit den gleichen Voraussetz­ungen gelten müsse. Eigentlich sollte die Gemeinscha­ft auf Grundlage des Königstein­er Schlüssels Mitte April nach Köln verlegt werden. Unklarheit­en in der Kommunikat­ion hatten dafür gesorgt, dass ein Teil der Gruppe den für Mitte April geplanten Umzug verweigert­e. Die übrigen Geflüchtet­en waren daraufhin in eine Containeru­nterkunft am Stadtrand verlegt worden.

Der Berliner Gehörlosen­verband und Flüchtling­srat kritisiert­en allerdings die Bedingunge­n vor Ort, insbesonde­re die Verpflegun­g sowie den Brandschut­z. Die Geflüchtet­en seien zudem gesundheit­lichen Risiken ausgesetzt und nicht über ihre Rechte informiert worden. In einer Presseerkl­ärung erhob Georg Classen vom Flüchlings­rat den Vorwurf, man wolle »ein Exempel statuieren«, um die Geflüchtet­en »aus der Stadt zu vertreiben«. Mittlerwei­le sollen die gehörlosen Geflüchtet­en laut Sozialverw­altung in eine Unterkunft mit besserem Brandschut­z und eigenen Kochmöglic­hkeiten verlegt worden sein.

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