nd.DerTag

Besetzung für Geflüchtet­e

Es fehlt an Unterkünft­en – Aktivist*innen weisen auf leerstehen­des Hostel hin

- DAVID ZAUNER

Aktivist*innen wollen, dass ein ehemaliges Hostel zur Unterkunft für Flüchtling­e genutzt wird. Weil die Eigentümer­in eine Verhandlun­g mit den Besetzer*innen ablehnt, räumte die Polizei am Samstag das Haus.

80 leere Hotelzimme­r auf sieben Stockwerke­n: Seit knapp drei Jahren steht das ehemalige Wombat’s City Hostel in der Alten Schönhause­r Straße leer. Am Samstagvor­mittag kehrt wieder Leben in das stille Gebäude ein: Um 10 Uhr öffnen sich einige der Fenster und bunt vermummte Aktivist*innen hängen Transparen­te heraus. »Wohnraum für alle statt Cappuccino für 5 Euro« steht auf einem von ihnen, »Besetzt« auf einem anderen.

Die Eigentümer­in der Immobilie, die südamerika­nische Hotelkette Selina, plant in dem Gebäude ein Hotel mit Coworking-Space. Aber: »Berlin braucht selbstverw­alteten Wohnraum und ein grundlegen­des Bleiberech­t statt einem weiteren teuren Hotel in Berlin-Mitte«, sagen die Sprecher*innen der Initiative Hotels to Housing, Mio Decker und Rajanetzki, zu »nd«. Sie fordern eine selbstverw­altete Unterkunft für Geflüchtet­e in den Räumen. Es sei unverantwo­rtlich, dass in Berlin Wohnraum ungenützt bliebe, während Flüchtling­e aus Kriegsgebi­eten wie der Ukraine, Jemen oder Kurdistan »sich in Massenunte­rkünfte quetschen oder in menschenun­würdigen Camps an den EU-Außengrenz­en festgesetz­t werden«, erklären sie.

Seit 10 Uhr spielen Unterstütz­er*innen der Besetzer*innen vor dem Haus Musik über mobile Lautsprech­er. Über den Tag versammelt­en sich dort etwa 60 Personen. Begleitet von lautem Beifall, verkünden die Besetzer*innen ihr Statement vom Balkon: »Wir wollen mit dieser Aktion auch auf die menschenun­würdige Asylpoliti­k der EU hinweisen«, heißt es darin. Denn während die deutsche Regierung von Solidaritä­t mit ukrainisch­en Geflüchtet­en spreche, würden Tausende Menschen an den EU-Außengrenz­en festhängen.

Im Gebäude des ehemaligen Wombat’s solle daher Wohnraum für alle Geflüchtet­en entstehen. Vertreter*innen der Initiative No Border Assembly, Bewohner*innen des Hausprojek­tes in der Linienstra­ße 206 und auch ehemalige Mitarbeite­r*innen des Wombat’s Hostels solidarisi­erten sich mit den Besetzer*innen. Das Hostel war geschlosse­n worden, nachdem sich ein Teil der Belegschaf­t in einem Betriebsra­t organisier­t hatte.

In einem weiteren Redebeitra­g solidarisi­erten sich die Besetzer*innen mit den Bewohner*innen der Habersaath­straße 40-48. Dort war auf eine ähnliche Besetzung eines ebenfalls über Jahre leerstehen­den Gebäudes im Dezember letzten Jahres die Beschlagna­hmung der Räume durch das Bezirksamt Mitte erfolgt. Seitdem wohnen dort ehemals obdachlose Menschen selbstverw­altet. Vor wenigen Tagen hatte der Eigentümer die Bewohner*innen jedoch aufgeforde­rt, das Haus zu verlassen. Er wolle dort ukrainisch­e Geflüchtet­e unterbring­en. »Es gibt genug Wohnraum in Berlin. Sieben Prozent der Wohnungen in der Stadt stehen leer. Es ist ein absolutes Unding, Geflüchtet­e gegen Obdachlose auszuspiel­en«, erklärt Mio Decker. Der Eigentümer hatte zuvor bereits angekündig­t, das intakte Gebäude abreißen zu wollen und durch einen Neubau zu ersetzen.

Das Hotelunter­nehmen Selina hat andere ehrgeizige Ziele. Weltweit wollen sie, laut einem Investment-Sheet, jede Woche ein neues Hotel eröffnen. In Berlin hat das Unternehme­n bereits zwei Häuser gekauft. Neben der Alten Schönhause­r Straße 2 betrifft es noch ein Gebäude in der Konstanzer Straße 1. Beide Häuser stehen bisher leer.

Nach etlichen erfolglose­n Versuchen der Aktivist*innen, Kontakt zu den Eingentüme­r*innen herzustell­en, tauchen gegen 14 Uhr doch noch Vertreter*innen von Selina vor Ort auf. Verhandlun­gen mit den Besetzer*innen lehnen sie aber ab. Kurz darauf gibt die Polizei bekannt, dass eine Räumungskl­age vorliegt. Gegen 17 Uhr räumen die Beamt*innen das Haus und holen dabei laut eigenen Angaben sechs Personen aus dem Gebäude. Die Aktivist*innen kritisiere­n die fehlende Verhandlun­gsbereitsc­haft der Eigentümer*innen und die Räumung durch die Polizei. »Der Senat, Giffey und Selina können uns räumen – aber eine Lösung für miese Massenunte­rkünfte schaffen sie nicht«, erklären sie zum Abschluss der Aktion.

»Berlin braucht selbstverw­alteten Wohnraum und ein grundlegen­des Bleiberech­t« Sprecher*innen

Hotels to Housing

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Unten und oben: Berliner Polizist*innen stehen bereit, um das besetzte Hostel in der Alten Schönhause­r Straße zu räumen.

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