Die Pioniere und ihre Enkel
Der Potsdamer »Treffpunkt Freizeit«, einst als Pionierhaus »Erich Weinert« eröffnet, wird 70 Jahre alt
Das alte Potsdamer Pionierhaus am Neuen Garten, nach 1990 weitergeführt als Treffpunkt Freizeit, wird 70 Jahre alt. Bei einer Feier wurde am Donnerstag zurückgeschaut, aber auch nach vorn.
Der vielleicht meistgenutzte Satz des Abends ist wohl »Ich war hier schon, als...«. So mutmaßt zumindest Henri Herbor, der im Treffpunkt Freizeit tätig ist. Einige hundert Gäste kommen zur Feier des 70. Geburtstags des alten Pionierhauses, das heute den Namen »Treffpunkt Freizeit« trägt. Herbor zufolge geben sich in dem Komplex Kinder, Eltern und Großeltern »die Klinke in die Hand« – der Eindruck, dass einstige Pioniere ihre Enkel hierher mitbringen, trügt also nicht.
1949 wurde auf Initiative der sowjetischen Militäradministration der Bau des zweistöckigen Pionierhauses mit Theatersaal und Sporthalle in Auftrag gegeben. Der Zweite Weltkrieg lag erst wenige Jahre zurück und Potsdam lag noch in Trümmern, als 1952 das Pionierhaus »Erich Weinert« seine Toren öffnete. Es beherbergte 80 Arbeitsgemeinschaften. In den Ferien war besonders viel los. Und ja, es stand ein Panzer im Hof, ein sowjetischer T-34, an dem die Kinder herumturnen konnten. Einen bösen Verdacht wurde das Haus nach der Wende viele Jahre nicht los. Mit einem »Geist, der hier vermeintlich noch weht«, befasste sich Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) in seinen Grußworten. Für ihn, der hier schon als Kind gebastelt habe, stand nicht der Auftrag im Vordergrund, junge DDR-Sozialisten heranzuziehen. »Es war eine Ort der Freude und des Spaßes.«
Doch wehte zunächst ein kalter Wind. Im Jahr 2000 hatte die Stadt den Abriss beschlossen und damit eine Protestbewegung in der Stadt ausgelöst, die am Ende erfolgreich war. Manche sprechen von 18 500 Unterstützern, andere von 24 000. Fakt ist: Die PDS hatte sich für den Erhalt stark gemacht.
Für ihn waren das »gravierende Erlebnisse«, sagte Ex-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der sich unter den Gästen der Feier befindet. Jakobs verkörpert den Beschluss zur Schließung des Hauses, aber auch dessen Rücknahme in der Stadtverordnetenversammlung. Die zunächst nicht vorhandenen Mittel zur Sanierung und Modernisierung seien schließlich aufgetrieben worden. Vor allem aber ist der Erhalt des Zentrums Ergebnis der damaligen Bürgerinitiative. »Das war clever gemacht«, erinnert sich Jakobs. Und mit Blick auf das Ergebnis? »Ist toll«, freut er sich. Sein Tipp für die Zukunft des Treffpunkts: »Sich neuen Herausforderungen stellen, die Familienorientierung beibehalten und über den Einzugsbereich hinaus aktiv werden.«
Im Unterschied zum Berliner Palast der Republik hat das Potsdamer Pionierhaus die bedrohliche Situation überstanden, obwohl es manche zu den wenigen Beispielen »stalinistischer« Bauweise in Potsdam zählen. Die Entscheidung für seinen Erhalt war damit verbunden, es nicht mehr als kommunale Einrichtung zu betreiben, sondern es der gemeinnützigen Kubus GmbH anzuvertrauen.
Bei allen Um- und Erweiterungsbauten, die seither vorgenommen wurden, hat das Haus »seinen Charme behalten«, findet Oberbürgermeister Mike Schubert. Will sagen, der ursprüngliche Charakter ist erhalten geblieben. Das könne man nicht von allen Gebäuden sagen, die nach 1990 in Potsdam saniert worden sind. Schubert nannte als Beispiel das Bürgerhaus am Schlaatz, erbaut in den 1980er Jahren als Jugendfreizeitzentrum des Bezirks Potsdam.
Die Transformation von einem Pionierhaus zur Mehrgenerationen-Einrichtung für Kinder, Jugendliche, Familien und Ältere sei »mit allen Schmerzen« erfolgt, die so eine Neuprofilierung mit sich bringt, sagt Leiter Uwe Rühlin. »In einer Ausstellung zeigen wir die Geschichte des Hauses bis zur Jahrtausendwende.« Ihm zufolge gibt es auch keine Begehrlichkeiten der Stiftung preußische Schlösser und Gärten mehr, die lange Zeit darauf beharrte, dass das Anfang der 1950er Jahre abgetrennte Gelände wieder zum
Parkgelände gemacht werden müsse. »Das Grundstück ist enteignet, es gehört der Stadt«, versichert Rühling. Und Spielplatz und Café nutzten die Besucher des historischen Neuen Gartens inzwischen gerne.
Keineswegs fällt die Jubiläumsfeier in eine Phase der Gemächlichkeit und der sicheren Aussichten. Sie stand gewissermaßen »auf der Kippe«. Das Freizeitzentrum hat auf Bitten der Stadt knapp hundert ukrainischen Flüchtlingen eine Notunterkunft geboten. Das erforderte einen »Kraftakt«, denn vorbereitet war man nicht darauf und mehr Personal gab es auch nicht.
Auch Corona warf lange Schatten. Völlig geschlossen blieb das Haus nicht allzu lange, aber die Einschränkungen haben Spuren hinterlassen. Die gewohnte Besucherzahl von 100 000 bis 120 000 wurde in den vergangenen Jahren nicht erreicht. Schulprojekte, die lange als sicher galten, »sacken zusammen, weil das Geld fehlt«, sagt Verwalter Herbor. Es ließ sich nicht vermeiden, dass »Substanz verloren ging«. Das aber werde nun wieder anders. »Die Türen gehen auf.« Der Blick ist nach vorn gerichtet. Das Projekt »Neuer Spielplatz« wird vorgestellt und um Spenden geworben.
Seitlich vor dem Haus, etwas im Gebüsch versteckt, steht ein Gedenkstein für den KPDVorsitzenden Ernst Thälmann, der 1944 im KZ Buchenwald ermordet wurde.