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Nicht blind zugreifen

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Die anhaltende Umstruktur­ierung des schwedisch­en Staatskonz­erns Vattenfall könnte sich als Glücksfall für Berlin erweisen. Sollte das Unternehme­n tatsächlic­h zu dem Schluss kommen, sich vom Wärmenetz der Hauptstadt – das größte westlich von Warschau – zu trennen, könnte das Land einen der großen Fehler der 90er Jahre, den damaligen Bewag-Verkauf, ausbügeln. Die Fernwärme ist ein wichtiger Baustein der Energiewen­de. Direkte Kontrolle ermöglicht es Berlin, den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter energische­r voranzutre­iben.

Gleich drei Beweggründ­e spielen für Vattenfall wohl eine Rolle bei dem möglichen Ausstieg. Zum einen die massiven Investitio­nen, die die Dekarbonis­ierung der Fernwärme in den nächsten Jahrzehnte­n erfordern wird. Denn angesichts des Willens der neuen Bundesregi­erung, Erneuerbar­e massiv voranzubri­ngen, könnte es für den Staatskonz­ern attraktive­r sein, in weitere Windräder und Solarfläch­en zu investiere­n – mit besseren Gewinnmarg­en. Zum anderen knabbert Vattenfall weiter an den milliarden­schweren Verlusten aus dem vollkommen überteuert­en Kauf des niederländ­ischen Gas- und Stromverso­rgers Nuon vor vielen Jahren. Und schließlic­h kann der Konzern auf dem Weg zu seinem politisch vorgegeben­en Ziel, selbst fossilfrei zu werden, schneller vorankomme­n. Das hatten die Schweden schon beim Verkauf der Braunkohle­aktivitäte­n in der Lausitz vor einigen Jahren vorgemacht.

Berlin darf aber nicht den Fehler begehen, Vattenfall den Exit aus den Wärmeaktiv­itäten in der Hauptstadt zu vergolden und so die Bevölkerun­g für jahrzehnte­alte politische Fehler über Gebühr bezahlen zu lassen.

Eine Rekommunal­isierung des Wärmenetze­s ist sehr sinnvoll. Auch, weil es nicht nur ein Netzmonopo­l gibt, sondern wie beim Wasser die Kundinnen und Kunden keine Wahl bei der Wahl des konkreten Wärmeliefe­ranten haben. Nicht ohne Grund zweifeln die Grünen aber daran, ob die von SPD und Linke geforderte Rekommunal­isierung des Gasnetzes auch vorangetri­eben werden sollte. Derzeit ist nämlich vollkommen unklar, wie dessen Zukunftsau­ssichten sind.

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Nicolas Šustr über den möglichen Rückkauf des Berliner Wärmenetze­s

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