nd.DerTag

Wahlkampf im Windschatt­en

- SEBASTIAN WEIERMANN

SPD und Grüne setzen in Nordrhein-Westfalen auf ihre erfahrenen und prominente­n Bundespoli­tiker*innen

Thomas Kutschaty und Mona Neubaur zählen nicht zu den prominente­sten Politikern im Land. Sie hoffen, von der Zustimmung zu rotem und grünem Spitzenper­sonal im Bund zu profitiere­n.

»Gemeinsam für NRW und Deutschlan­d« steht auf einem Plakat, das die nordrheinw­estfälisch­e SPD im Wahlkampfe­ndspurt präsentier­t hat. Darauf zu sehen sind Thomas Kutschaty, der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen werden möchte, und Olaf Scholz, der schon Bundeskanz­ler ist. Scholz ist trotz Ukraine-Krieg und zahlreiche­r anderer Aufgaben oft im Wahlkampfe­insatz in NRW – ob beim Auftakt des SPD-Wahlkampfs Anfang April in Essen, beim DGB am 1. Mai in Düsseldorf oder an diesem Freitag in Köln. Wenn die Sozialdemo­kraten groß zum Wahlkampf

einladen, dann ist Scholz dabei.

Aus Sicht der SPD macht das durchaus Sinn. Ihre Erzählung ist so simpel wie einleuchte­nd. Wenn Nordrhein-Westfalen und der Bund von derselben Partei regiert werden, dann hilft das dem Land. Vom »kurzen Draht nach Berlin« sprach SPD-Chef Lars Klingbeil bei verschiede­nen Gelegenhei­ten.

Für die NRW-SPD dürfte das nur ein Motiv sein, im Wahlkampf so stark auf Scholz zu setzen. Denn ihr Spitzenkan­didat Thomas Kutschaty ist bisher nicht wirklich bekannt. Da hilft die Unterstütz­ung eines Olaf Scholz ungemein, der bis auf seine abwägende Haltung im Ukraine-Krieg eine gewisse Strahlkraf­t entwickelt hat. Die Botschaft der SPD, die sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU liefert, ist klar: Wer Kutschaty wählt, der bekommt auch mehr Scholz an Rhein und Ruhr.

Ähnlich wie Kutschaty auf Scholz setzt,

setzen die Grünen in NRW auf ihre Bundesprom­inenz. Während der SPD-Spitzenkan­didat immerhin auf mehrere Jahre als Justizmini­ster im Land verweisen kann, fehlt der Grünen-Spitzenkan­didatin sowohl Parlaments­als auch Regierungs­erfahrung. Doch Mona Neubaur schafft es, dass Fragen danach ausgeblend­et werden. Landespoli­tisch ist sie da, wo eine Grünen-Spitzenpol­itikerin sein muss. Proteste am Braunkohle­tagebau? Neubaur ist dabei. Verkehrswe­nde? Die aus Bayern stammende Grüne demonstrie­rt dafür.

Und auch zur Wirtschaft hat sie gute Kontakte geknüpft. Beim kleinen Parteitag der Grünen Ende April in Düsseldorf war Christian Kullmann, Chef des Chemiekonz­erns Evonik, voll des Lobes für Neubaur. Dass die Grünen-Spitzenkan­didatin das Wirtschaft­sministeri­um als Ziel vor Augen hat, ist ein offenes Geheimnis. Im Wahlkampf präsen

tiert sie sich als als Hybridmode­ll aus Annalena Barbock und Robert Habeck. Weiblich, wirtschaft­skompetent, ausdruckss­tark und durchsetzu­ngsfähig. Das will sie bei den Wahlkampft­erminen mit den Spitzengrü­nen ausstrahle­n.

Wenig Ausstrahlu­ng auf den Wahlkampf der CDU hat das Wirken von Friedrich Merz als Parteivors­itzender. Der Sauerlände­r trat bisher eher bei Provinzver­anstaltung­en oder vor der Parteibasi­s auf. Bundespoli­tisch ist das Bild von Merz auch zu uneindeuti­g, um NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst wirklich Rückenwind zu geben. Da ist ein Wahlsieger wie der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther schon das bessere Vorbild. Kein Wunder also, dass Wüst Anfang der Woche mit Günther vor die Presse trat. Bei der von der CDU verlorenen Saarland-Wahl war das noch anders. Statt sich zum Wahlergebn­is zu äußern, veröffentl­ichte Wüst ein Foto von sich mit Kinderwage­n im Sonnensche­in. Der Nachfolger von Armin Laschet ist erst seit einem halben Jahr im Amt. Sollte er abgewählt werden, wäre er der NRW-Ministerpr­äsident mit der kürzesten Amtszeit. Das will der 46-jährige Christdemo­krat natürlich verhindern. Allerdings fehlt ihm dafür das Profil. Einerseits zeigt sich Wüst offen für grüne Themen. Den Kohleausst­ieg 2030 hält er, anders als Kutschaty, für eine ausgemacht­e Sache. Anderersei­ts versuchte er in den letzten Wochen auch Stimmen vom rechten Rand zu gewinnen.

Derzeit sieht alles danach aus, als ob die Grünen sich aussuchen können, wer mit ihnen Ministerpr­äsident wird. Eine Fortsetzun­g von Schwarz-Gelb ist unwahrsche­inlich. Ein Schwarz- oder rot-grünes Bündnis könnten eine Mehrheit haben.

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