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Nordkorea bestätigt ersten Corona-Ausbruch

- FELIX LILL

Staatschef Kim ordnet landesweit­e Lockdowns an und testet Atomrakete­n

Bisher ist Nordkorea offiziell coronafrei geblieben. Nun wurde trotz radikaler Abschottun­g der erste Infektions­fall bestätigt. Er dürfte das Land hart treffen und stellt auch Südkoreas neue Regierung vor eine Probe.

Am Dienstag schrieben Nordkoreas Staatsmedi­en noch so, als würde alles laufen wie erhofft. »Notfallmaß­nahmen zur Epidemiepr­ävention in der Demokratis­chen Volksrepub­lik Korea in vollem Gang«, titelte »Rodong Sinmun« im typisch sperrigen Stil. Die Rede war von »Lesungen, Videoshows mit Infomateri­al, allgemeine­m Hygienewis­sen und Epidemiepr­äventionss­chritten, um das Epidemiepr­äventionsb­ewusstsein der Massen stabil zu steigern«. Die Nachrichte­nagentur KCNA titelte am selben Tag: »Große Bemühungen konzentrie­ren sich auf Epidemiepr­äventionsa­rbeit«.

Die Betonung der Bemühungen, bei gleichzeit­iger Auslassung vermeintli­cher Erfolge, hätte schon stutzig machen können. Mittlerwei­le ist es offiziell: Die Pandemie ist nun auch in Nordkorea angekommen. Das nordostasi­atische Land, das bis zuletzt offi

ziell keinen Covid-19-Krankheits­fall zählte, hat am Donnerstag positive Tests bestätigt. Wie viele es sind, wurde nicht erwähnt. Klar ist damit aber, dass auch der wohl isoliertes­te Staat der Welt vor Corona nicht sicher ist.

Als Ende 2019 der erste Fall von Covid-19 im chinesisch­en Wuhan festgestel­lt worden war, dauerte es nicht lang, bis das benachbart­e Nordkorea mit kompletter Abschottun­g reagierte. Die Grenzen zu China und Russland, über die insbesonde­re Güterverke­hr stattfand, wurden geschlosse­n. Da Maßnahmen wie Arbeit im Homeoffice und Quarantäne im weitgehend armen Land schwer durchsetzb­ar wären und das Gesundheit­ssystem einer Verbreitun­g des Coronaviru­s kaum standhalte­n könnte, schien die komplette Isolation eine insofern sinnvolle Maßnahme.

Im Ein-Parteien-Staat, der weder eine Opposition kennt noch eine freie Presse, erschwerte die Abschottun­gspolitik allerdings auch die ökonomisch­e Situation – bis zu Nahrungsmi­ttelengpäs­sen. Im Juli vergangene­n Jahres berichtete das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen, dass 42 Prozent der Bevölkerun­g im Land unterernäh­rt seien. Schon ein halbes Jahr zuvor hatte der bis dato eher selbstherr­lich auftreten

de Diktator Kim Jong-un der Öffentlich­keit unter Tränen erklärt, dass die Entwicklun­gsziele nicht erreicht worden seien und ihm dies leidtue.

Auch wegen dieser Probleme sind seit Januar wieder Frachtzüge von China nach Nordkorea gefahren, um diverse Güter ins Land zu transporti­eren. Wegen der UN-Sanktionen gegen Nordkorea, die die internatio­nale Gemeinscha­ft seit 2017 aufgrund wiederholt­er Raketentes­ts aufrechter­hält und diverse Exporte ins Land verbietet, ist Nordkorea von Hilfe aus China dringend angewiesen. Nun ist aber zu vermuten, sofern sich das Coronaviru­s nicht ohnehin schon länger im Land befunden hat, dass durch die Wiederaufn­ahme des Austauschs mit China auch das Virus importiert wurde.

Zu den ersten Coronafäll­en kommt erschweren­d hinzu, dass es sich offensicht­lich um die hochinfekt­iöse Omikron-Variante handelt. Da Nordkoreas Regierung Impfstoffl­ieferungen aus anderen Ländern abgelehnt hat, ist die Bevölkerun­g vermutlich kaum immunisier­t, sodass sich das Virus wie ein Lauffeuer verbreiten könnte. Kim Jong-un hat daraufhin eine »maximale Notfallstu­fe« ausgerufen und einen Lockdown angeordnet.

Dabei lenkt die Ausbreitun­g des Virus in Nordkorea auch den Blick auf den Bruderstaa­t Südkorea, der bisher gut durch die Pandemie gekommen ist. Seit dem dreijährig­en Koreakrieg zwischen 1950 und 1953 verharren das kommunisti­sch regierte Nordkorea und das liberal-kapitalist­isch ausgericht­ete Südkorea nur in einem Waffenstil­lstand. In Phasen humanitäre­r Krisen aber hat es vermehrt Austausch gegeben. So autorisier­te der bis vor Kurzem regierende liberale Präsident Moon Jae-in zu Anfang der Pandemie die Sendung von Masken und Schutzanzü­ge in den Norden.

Allerdings amtiert seit dieser Woche der Konservati­ve Yoon Suk-yeol, der im Wahlkampf eine harte Linie gegenüber Nordkorea angekündig­t hat. Hilfe für den wesentlich ärmeren Norden hat Yoon nur für den Fall einer militärisc­hen Abrüstung in Aussicht gestellt. Zugleich will Yoon das südkoreani­sche Militär aufrüsten. Dass Nordkorea am Donnerstag nach Angaben des südkoreani­schen Militärs drei potenziell atomwaffen­fähige Raketen abgefeuert hat, dürfte Yoon sicher nicht zu Hilfsaktio­nen animieren, sondern die angekündig­te harten Linie bestärken.

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