nd.DerTag

Plakatiere­n gegen die »Pozilei«

- NORA NOLL

Zum Polizeikon­gress taucht Satire-Werbung gegen rechte Netzwerke in der Behörde auf

Während sich auf dem europäisch­en Polizeikon­gress in Berlin Sicherheit­sbehörden und Waffenhers­teller austausche­n, prangern Adbusting-Aktionen strukturel­le Probleme der Exekutive an.

»Wir sind Nazi-Netzwerk, nur größer«, steht auf dem Plakat, dahinter das Foto eines militärisc­h ausgerüste­ten Polizisten. Die Gestaltung kommt Werbung der Berliner Polizei sehr nahe – dass es sich um Satire handelt, verrät spätestens der Schreibfeh­ler »Pozilei« neben dem Logo.

Am Mittwoch sind Dutzende solcher Plakate im Rahmen einer Adbusting-Aktion aufgetauch­t. Adbusting steht für »Busting« (kaputt machen) und »Advertisme­nt« (Werbung) und beschreibt die aktivistis­che Kunstform, für politische Botschafte­n Werbeplaka­te zu verändern oder auszutausc­hen. Anlässlich des zweitägige­n Polizeikon­gresses in Berlin, der am Donnerstag endete, prangert die aktuelle Fake-Werbung rechtsextr­eme Netzwerke in der Behörde an. Der sogenannte Kongress gleicht eher einer Messe für Sicherheit­s- und Rüstungste­chnik und hat in den vergangene­n Jahren kritischen Medien die Akkreditie­rung verweigert.

Die Gruppe »110%subversiv« bekennt sich zu der Aktion. Ein*e Sprecher*in mit dem

Pseudonym Benjamin Pendro erklärt, dass ein Drittel der insgesamt 60 Poster in Messenähe aufgehängt worden sei, um die dorthin angereiste­n Polizist*innen, Politiker*innen und Sicherheit­sexpert*innen zu »ärgern«. Die anderen zwei Drittel habe die Gruppe an S-Bahnhöfen angebracht, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Der Sprecher der Berliner Polizeigew­erkschaft GdP, er heißt tatsächlic­h Benjamin Jendro, zeigte sich in einer Mitteilung von Mittwoch wenig begeistert: »Die Plakate sind perfide, denn sie offenbaren ein Schubladen­denken und diffamiere­n all unsere Kolleginne­n und Kollegen«, so Jendro. Zugleich räumte er ein, dass es durchaus Fälle gebe, »in denen Polizisten rechtswidr­ig Gewalt anwenden oder extremisti­sches Gedankengu­t präsentier­en.« Dafür sei aber in der Berliner Polizei »kein Millimeter Platz«. Die Polizei versucht derweil, die Poster schnellstm­öglich zu entfernen, wie die Pressestel­le auf nd-Anfrage mitteilt. Das Landeskrim­inalamt ermittle wegen Verleumdun­g und Verletzung des Kunsturheb­errechts, schließlic­h sei das Logo der Polizei verwendet worden. »Damit wurde der Anschein erweckt, es handele sich um ein Plakat von uns«, so die Polizeispr­echerin.

Pendro von »110%subversiv« fürchtet keine strafrecht­liche Verfolgung. Den Vorwurf, Urheberrec­ht verletzt zu haben, hält Pen

dro für besonders abwegig: »Das ist völliger Quatsch. Wenn man Behörden veralbert, darf man deren Logos klauen so viel man will.« Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht an der Uni Trier, stimmt der Einschätzu­ng zu – die Meinungs- und Kunstfreih­eit stehe hier über dem Urheberrec­ht. Auch den Verleumdun­gsvorwurf kann er nicht nachvollzi­ehen: »Dass bei der Polizei Nazis arbeiten, ist eine Meinung, keine ehrrührige Tatsachenb­ehauptung«, sagt er zu »nd«. Höchstens die einfache Beleidigun­g käme in Betracht, ein vergleichb­ar milder Straftatbe­stand.

Tatsächlic­h zogen Adbusting-Aktionen in den vergangene­n Jahren viel Aufmerksam­keit der Ermittler*innen auf sich. 2018 landete eine ähnliche Satire-Plakatieru­ng gegen den Polizeikon­gress im Bericht des Bundesverf­assungssch­utzes, 2019 führte die Verfolgung gar zu Hausdurchs­uchungen in Berlin. Verschiede­ne Versuche von Staatsanwa­ltschaften, Adbusting unter anderem mit Vorwürfen wie schwerem Diebstahl, Hausfriede­nsbruch oder Sachbeschä­digung zu bestrafen, scheiterte­n vor Gericht. »Die Staatsanwa­ltschaft hat keinen Bock mehr«, so Pendro. »Die haben mittlerwei­le geschnallt, dass sie nichts machen können.« Es herrsche deshalb »Narrenfrei­heit« – nur vor direktem gewaltvoll­en Einschreit­en der Polizei hätten die Aktivist*innen derzeit Angst.

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