Am Stadtrand werden die Kita-Plätze knapp
Freie Träger fordern Änderung des Haushaltsplans und Aufstockung der Fördermittel für den Kita-Ausbau
Eine Übersicht der Senatsjugendverwaltung zeigt, dass in vielen Berliner Gegenden Kita-Plätze zum raren Gut geworden sind. Mit den Zuschüssen kommen die freien Träger nicht weit.
Die Zeit läuft. Nur noch bis Ende Mai können Träger von Berliner Kindertageseinrichtungen im Rahmen des Landesprogramms »Auf die Plätze, Kitas, los!« für 2023 Fördermittel für die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze durch Neu-, Um- und Ausbau beantragen. Ein Blick in den jüngst veröffentlichten KitaFörderatlas 2022 der Jugendverwaltung zeigt dabei, dass es insbesondere außerhalb des SBahn-Rings ganz dringend losgehen sollte.
Düster sieht es beispielsweise in MarzahnHellersdorf aus. Sechs von neun sogenannten Bezirksregionen fallen hier in die Kategorie Knirsch. Das heißt: »Derzeit keine Platzreserven, prognostisch steigender Bedarf.« Nur unwesentlich entspannter ist es im benachbarten Lichtenberg. Zwar heißt es hier lediglich für vier von 13 Regionen, darunter Karlshorst und Neu-Hohenschönhausen: Nichts geht mehr. Dazu kommen aber noch einmal fünf Gebiete, in denen es »nur noch geringe Platzreserven« gibt.
Insgesamt müsste der Übersicht der Senatsverwaltung zufolge in über 40 der rund 140 Berliner Bezirksregionen ganz dringend
in den Kita-Ausbau investiert werden, weil es hier überhaupt keine Reserven, aber einen kontinuierlich steigenden Bedarf gibt.
Im Haus von Jugendsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) ist man derweil bemüht, die Fortschritte bei der Kita-Entwicklung hervorzuheben. 2018 gab es schließlich noch gut 50 Regionen in der Alarmkategorie. Jugend- und Familienstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) sagt dann auch zu »nd«: »Grundsätzlich ist es erfreulich, dass der Kita-Ausbau der letzten Jahre so wirkt, dass wir immer mehr Gebiete haben, die in einen Ausgleich zwischen Kita-Platz-Nachfrage und -Angebot kommen.«
Senat will zielgerechter investieren
Der Förderatlas sei dabei ein »hilfreiches Instrument«, um zu sehen, »wo wir unsere Schwerpunkte legen müssen«. So sei man »jetzt in der Phase, zielgerichtet genau dort investieren zu können, wo gerade die Menschen leben, die besonders auf die Solidarität unserer Gesellschaft angewiesen sind«, sagt Bozkurt mit Blick auf den Umstand, dass sich unter den Regionen mit dem höchsten Bedarf auffallend häufig Großsiedlungen am Stadtrand finden, in denen überproportional viele Menschen Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen haben.
»Das finde ich ja schön, dass die Senatsverwaltung die unterversorgten Bereiche identifiziert hat, aber dann muss sie jetzt auch endlich
mal mehr Geld in die Hand nehmen«, sagt Sabine Radtke, Referentin für Kindertagesstätten beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin, zu »nd«. In ihrem Verband sind über 120 freie Kita-Träger organisiert, die zusammen rund 45 000 der berlinweit 180 000 Betreuungsplätze bereitstellen.
Geld reicht vorn und hinten nicht
Tatsächlich nehmen sich die im Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2022/2023 eingestellten Zuschüsse an freie Träger für den Kita-Ausbau bescheiden aus. 56,5 Millionen Euro stehen dafür in den beiden Haushaltsjahren bereit. Zum Vergleich: Für die große Schwester Schulbauoffensive sind über 1,4 Milliarden Euro vorgesehen.
Zugleich, fordert Sabine Radtke, müssten aber auch die Förderzuschüsse für freie Träger generell angehoben werden. Aktuell werden etwa Neu- und Erweiterungsbauten mit bis zu 30 000 Euro pro neu geschaffenem Kita-Platz vom Land bezuschusst. Was insofern aus der Zeit gefallen wirkt, als Neubauten der landeseigenen Kita-Betriebe zuletzt mit bis zu 55000 Euro pro Platz zu Buche geschlagen haben. »Deshalb weiß doch das Land genau, dass man heute mit 30 000 Euro nicht mehr weit kommt«, sagt Radtke. »Die Baupreise explodieren, da reichen die Zuschüsse vorne und hinten nicht.« Benötigt würden inzwischen 35 000, eher 40 000 Euro je Platz.
Lars Békési, Geschäftsführer des Verbands der kleinen und mittelgroßen Kita-Träger Berlin (VKMK) mit etwas mehr als 10 000 Plätzen, wird noch deutlicher. »Mir ist bewusst, dass ich mich damit nicht beliebt mache, aber es braucht im Haushalt tatsächlich eine Milliarde Euro für den Kita-Ausbau. Alles andere ist unseriös«, sagt Békési zu »nd«. Bei 56,5 Millionen Euro Gesamtvolumen käme man mit 30 000 Euro Zuschuss auf lediglich 1900 Plätze – und damit nicht einmal ein Drittel des im vergangenen Jahr von der Senatsverwaltung für 2022 und 2023 prognostizierten Mehrbedarfs. »Ich spreche hier von einfachster Mathematik, das sollte Senatorin Busse kennen.«
Was die deutlich höheren Kosten bei Baumaßnahmen der Landesbetriebe betrifft, »könnte man vielleicht fairerweise sagen, gut, die freien Träger arbeiten eben wirtschaftlicher, die kommen auch mit weniger Geld zurecht – aber auch das haut nicht hin«, so der VKMK-Chef. Der Markt sei schließlich ein und derselbe. »Die Kosten rennen uns allen davon.« Auch die langwierigen Baugenehmigungsverfahren seien nicht länger hinnehmbar. Es müsse Schluss gemacht werden mit der »Schaufensterpolitik« der Jugendsenatorin, aber auch der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD): »Was waren Kinder vor den Wahlen wichtig für Frau Giffey! Das ist jetzt alles vergessen«, sagt Békési.