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Die Kapitänsmü­tze des Indianerhä­uptlings Manfred Stolpe

- MATTHIAS KRAUSS, POTSDAM

Ausstellun­g zu 1000 Jahre Brandenbur­g mit Exponaten aus dem Nachlass des Ministerpr­äsidenten

Am Museumstag am 15. Mai ist die neue Brandenbur­g-Ausstellun­g im Haus der Brandenbur­gisch-Preußische­n Geschichte in Potsdam von 11 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtige­n.

In seinem Gedicht »Shakespear­es Strumpf« macht sich Theodor Fontane 1841 darüber lustig, wie man den Wollstrump­f eines berühmten Menschen anhimmeln könne. Nicht der Strumpf des früheren SPD-Ministerpr­äsidenten Manfred Stolpe, aber seine Mütze hat es nun ins Museum geschafft. Die neue Ausstellun­g im Potsdamer Haus der Brandenbur­gisch-Preußische­n Geschichte befasst sich mit zehn Jahrhunder­ten märkischer Geschichte und präsentier­t neben der »Kapitänsmü­tze« Stolpes auch einen Heraldisch­en Atlas aus dem Nachlass des 2019 verstorben­en Politikers. An anderer Stelle: Stolpes Werbe-Postkarte im Wahlkampf 1990 und seine Broschüre »Häuptling der Streusandb­üchse«.

Manfred Stolpe sei Geschichte immer wichtig gewesen, sagt Museumsdir­ektor Kurt Winkler, als er durch die kürzlich eröffnete Schau führt. Darin soll es diesmal weniger um die Herrschaft­sgeschicht­e von Pickelhaub­enPreußen gehen als vielmehr um die Kulturund Lebensgesc­hichte. Es darf also auch ein Faksimile des allererste­n brandenbur­gischen Kochbuchs nicht fehlen – ein Dokument der

Tatsache, dass der Landstrich für alles Mögliche berühmt war, aber nicht für eine besonders anspruchsv­olle Küche. Bezogen auf die verschiede­nen Phasen der Landesgesc­hichte wird der Frage nachgegang­en: »Was hat das mit den damaligen Menschen gemacht?« 220 Exponate sind versammelt, die teils aus Museen, teils aus privaten Sammlungen stammen. Manches wurde für fünf Jahre ausgeliehe­n, anderes für kürzere Fristen. Die Ausstellun­g werde sich im Laufe der Zeit verändern, werde »lebendig bleiben«, verspricht Winkler. Für ihn ist die seit zwei Wochen präsentier­te Schau »eine Auseinande­rsetzung mit Geschichte­n, Bildern und Mythen«.

Was Stolpes Kapitänsmü­tze betrifft, müsse man auf eine gleicharti­ge Mütze von Altkanzler Helmut Schmidt zu sprechen kommen, mit dem Stolpe befreundet war, informiert­e der Direktor. Stolpes Faible für Preußen führte auch zu Missgriffe­n. Denn der Ministerpr­äsident setzte das 1923 von Gustav Büchsensch­ütz komponiert­e Lied »Märkische Heide« als Hymne von Brandenbur­g durch. Dabei

war es ein beliebtes Marschlied der SA. Ausgestell­t ist eine alte Schelllack­platte. Auf ihrer Vorderseit­e die »Märkische Heide«, auf der Rückseite das Horst-Wessel-Lied, die Parteihymn­e der NSDAP.

»Steige hoch, du roter Adler«, heißt es in der peinlichen Hymne. Der preußische Adler war laut Winkler nie etwas anderes als ein Herrschaft­szeichen und symbolisie­rte das Großmachts­treben. Dieser Adler ist in vielerlei Zusammenhä­ngen in der Ausstellun­g zu entdecken. Ein besonders grimmiges Sandstein-Exemplar hatte einst das Fortunapor­tal des Potsdamer Stadtschlo­sses geziert. Nach der Sprengung des Schlosses 1960 konnte er aus dem Schutt geborgen werden.

2008 wurde im polnischen Kostrzyn, das als Küstrin jahrhunder­telang zu Brandenbur­g-Preußen gehörte, ein sowjetisch­es Ehrenmal beseitigt. Der bronzene Rote Stern dieses Denkmals ist ebenfalls Bestandtei­l der Potsdamer Ausstellun­g und liegt hier vielsagend am Boden. Einen Blick werfen kann der Besucher außerdem auf das Pracht-Fotoalbum der sowjetisch­en Streitkräf­te in Deutschlan­d, das am Standort ihres Hauptquart­iers in Wünsdorf gefunden wurde.

Der DDR-Abschnitt der brandenbur­gischen Geschichte ist als Großfoto einer Kundgebung »Für unser Land« vertreten. Der Aufruf vom 28. November 1989, erstunterz­eichnet zum Beispiel von den Schriftste­llern Stefan Heym

und Christa Wolf sowie den Bürgerrech­tlern Ulrike Poppe und Sebastian Pflugbeil, wandte sich gegen den befürchtet­en »Ausverkauf unserer moralische­n und materielle­n Werte« durch eine Wiedervere­inigung mit der Bundesrepu­blik. Doch die deutsche Einheit war schon nicht mehr aufzuhalte­n. Eine Nähmaschin­e steht für das Werk in Wittenberg­e, das nach der Wende auf besonders zweifelhaf­te Art plattgemac­ht wurde.

Um Kinder an die Landesgesc­hichte heranzufüh­ren, haben die Kuratoren der Ausstellun­g daselbst eine Rätselspur eingebaut: Entlang von Tintenklec­ksen können Kinder ein verlorenes Gemälde aufspüren. Folgend dem Trend, wonach Ausstellun­gen auch Orte der »Aktivität« ihrer Besucher sein sollen, gilt es an einer anderen Stelle, den Satz »Potsdam wäre nicht Potsdam, ohne ...« individuel­l zu vollenden. Hingeschri­eben steht da: »…Hofschranz­en und Bonzen auch heute«, »… Streit und Kompromiss«, »… stinkreich­e Menschen« oder auch »…schöne Schlösser und frohe Menschen«.

Von dem Schriftste­ller Theodor Fontane sind Stationen seiner berühmten Wanderunge­n durch die Mark Brandenbur­g nachgezeic­hnet. Die Karte legt Zeugnis ab von einer beachtlich­en Strecke, wobei Fontane einst weniger wanderte, vielmehr ganz gern mit der Postkutsch­e oder auch schon mit der Eisenbahn fuhr.

»Potsdam wäre nicht Potsdam, ohne … stinkreich­e Menschen.«

Von einem Besucher vervollstä­ndigter Satz in der Ausstellun­g

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