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Das Ende einer Ära Die Zinswende führt auch zu einem Niedergang der Kryptowähr­ungskurse

- SIMON POELCHAU Satoshi Nakamoto

Bitcoin und Co. sind ein Produkt der Finanzkris­e von 2007/08. Für ihre Fans sind sie das digitale Pendent zu Gold. Doch könnte sich das angesichts steigender Zinsen ändern.

Es war eine Meldung, die irritierte: Die Zentralafr­ikanische Republik will die Kryptowähr­ung Bitcoin als legales Zahlungsmi­ttel akzeptiere­n. Es wurde gleich darüber spekuliert, was hinter der Entscheidu­ng steht. Etwa ein Deal mit Moskau zur Umgehung der Sanktionen? Denn perfekte Vorrausset­zungen zur Einführung einer internetba­sierten Währung hat das Land, das eines der am wenigsten entwickelt­en Länder der Welt ist, wahrlich nicht. Lediglich 15 Prozent seiner Einwohner*innen haben Zugang zu Elektrizit­ät, beim Internet sind es sogar nur 10 Prozent.

So konnte die Idee aus Zentralafr­ika auch den Kursverfal­l der Kryptowähr­ungen nicht aufhalten. Am Donnerstag fiel der Kurs des Bitcoin zum Dollar auf einen neuen Tiefststan­d.

Ein Bitcoin wurde auf der Handelspla­ttform Bitfinex mit 26 591 US-Dollar gehandelt. Das ist der niedrigste Wert seit Ende 2020. Die bekanntest­e Kryptowähr­ung verlor damit innerhalb eines Monats ein Drittel an Wert. Seit Jahresanfa­ng sind es rund 40 Prozent. Auch andere Kryptowähr­ungen büßen ein. Der Marktwert aller rund 19 400 Kryptoanla­gen beträgt derzeit rund 1,1 Billionen Dollar. Als sie im November einen historisch­en Höhenflug erlebten, waren es noch fast 3 Billionen Dollar.

Doch was löste den Niedergang aus? Eigentlich profitiert­en Kryptowähr­ungen in den letzten Jahren von Krisen. So sind sie für ihre Anhänger so etwas wie ein digitales Pendent zu Gold. Das liegt nicht nur an den Eigenschaf­ten, die beide Anlageform­en teilen: Sie sind vor allem knapp und werfen im Gegensatz etwa zu Aktien oder Sparbücher­n weder Dividenden noch Zinsen ab. Dafür gelten sie unter ihren Fans als sicherer Hafen in Krisen. Salopp gesagt: Wenn Senior*innen in unsicheren Zeiten Gold kaufen, dann machen ihre Enkelkinde­r in Bitcoin und Co.

Letztlich sind die Kryptowähr­ungen sogar Kinder einer Krise – nämlich der Finanzkris­e von 2007/08. Der Erfinder von Bitcoin, der nur unter seinem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt ist, wollte eine Währung schaffen, die unabhängig von Banken und Staaten ist. »Das Kernproble­m konvention­eller Währungen ist das Ausmaß an Vertrauen, das nötig ist, damit sie funktionie­ren«, schrieb er angesichts der Finanzkris­e im Oktober 2008. Um dieses Vertrauens­problem zu lösen, setzte Nakamoto auf die sogenannte Blockchain­Technologi­e. Diese ist im Grunde eine von den Akteuren im Bitcoin-Netzwerk gemeinsam und dezentral verwaltete Datenbank, die sich automatisc­h fortschrei­bt. Das sollte anonymes Bezahlen im Internet möglich machen, ohne auf Instanzen wie Banken und Zentralban­ken angewiesen zu sein.

Anfang 2009 wurden die ersten Bitcoins kreiiert. Andere Digitalwäh­rungen, die mehr oder weniger auf dem Bitcoin-Prinzip aufbauten, folgten später. Doch wirklich als Zahlungsmi­ttel konnten sie sich nie etablieren. Neben technische­n Problemen liegt dies vor allem an den erhebliche­n Kursschwan­kungen, die die Kryptowähr­ungen in den letzten Jahren hatten. Denn was essentiell dafür ist, dass Währungen als Zahlungsmi­ttel und so als Geld allgemein akzeptiert werden, ist, dass ihr Wert möglichst konstant bleibt. Folglich kamen Bitcoin & Co. nie wirklich von ihrem Status als extrem riskante und etwas zweifelhaf­te Anlageobje­kte los.

»Das Kernproble­m konvention­eller Währungen ist das Ausmaß an Vertrauen, das nötig ist, damit sie funktionie­ren.«

Dass sie überhaupt eine so große Verbreitun­g und Bekannthei­t erlangten, hängt mit einer Sache zusammen, die ebenfalls aus der Finanzkris­e von 2007/08 resultiert­e: Seitdem waren die Zinsen auf historisch­en Tiefststän­den. Und wenn dadurch risikoarme Anlageform­en kaum noch oder gar keine Zinsen mehr abwerfen, dann ist die Versuchung groß, auch mal etwas Geld in riskante Kryptowähr­ungen zu stecken.

Doch genau dies ist auch der Grund, warum Bitcoin und Co. jetzt fallen, statt zu steigen. Denn die ökonomisch­e Krise, die sich im Zuge des Krieges in der Ukraine anbahnt, ist anders als die der letzten 10, 15 Jahre. Da die Inflations­raten in seit Jahrzehnte­n unbekannte Höhen steigen, sind die Notenbanke­n gezwungen, darauf zu reagieren. Und zwar in Form von höheren Zinsen. Die US-Notenbank Fed hat die Zinswende bereits eingeleite­t. Im März erhöhte sie den Leitzins um 0,25 Prozentpun­kte und vergangene Woche noch einmal um 0,5 Prozentpun­kte auf nun 0,75 bis 1,00 Prozent. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) dürfte im Sommer folgen. In diese Richtung äußerte sich am Mittwoch auch EZB-Chefin Christine Lagarde.

So könnte mit der Ära der Niedrigzin­sen auch die Ära der Digitalwäh­rungen zu Ende gehen. Denn mit der Zinswende geraten die in den vergangene­n Jahren aufgepumpt­en Finanzmärk­te im Allgemeine­n unter Druck. So erleiden Aktien – insbesonde­re jene von Tech-Unternehme­n – derzeit einen massiven Wertverlus­t. Mit Bitcoin stürzte der gesamte Kryptomark­t ab. »Der zu beobachten­de Gleichlauf zu Aktien ist bei den jüngsten Bewegungen erstaunlic­h hoch und hat in den vergangene­n Wochen sogar noch zugenommen«, schreibt die Deutsche Bank in einer Analyse. Die Kursverlus­te der Kryptowähr­ungen überstiege­n die der Aktien allerdings um ein Vielfaches.

Bitcoin-Erfinder

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Wie die Niedrigzin­sphase ist auch Bitcoin ein Produkt der Finanzkris­e von 2007/08.

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