Verharmloser
Impfgegner Sucharit Bhakdi wegen Volksverhetzung angeklagt
Sucharit Bhakdi könnte schon seit vielen Jahren seinen Ruhestand genießen. Bereits 2012 verabschiedete die Johannes Gutenberg Universität Mainz ihren ehemaligen Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Pension. Wäre Corona nicht gewesen, hätte jenseits der akademischen Fachwelt auch kaum jemand vom heute 75-Jährigen Notiz genommen.
Doch die Pandemie löste bei manchen Wissenschaftler*innen einen Profilierungsdrang aus, obwohl diese selbst nie zu Coronaviren gearbeitet hatten. Bhakdi hielt das nicht ab, starke Meinungen zu vertreten. Dass Covid-19 nicht gefährlicher als eine gewöhnliche Influenza-Erkrankung sei, gehört noch zu seinen harmloseren Thesen. In jenen Kreisen, die Corona verharmlosen und in der Pandemie allerlei Stoff für Verschwörungen wittern, wurde der Mediziner zu einer Art Popstar, ein von ihm veröffentlichtes Buch zum Bestseller.
Juristische Grenzen des Sagbaren könnte Bhakdi da überschritten haben, wo er sich statt zu medizinischen über politische Fragen äußerte. Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein erhob am Donnerstag Anklage aufgrund des Vorwurfs der Volksverhetzung in zwei Fällen, am Freitag erklärte die Universität Mainz, sie prüfe, dem Mikrobiologen das Führen seines Professorentitels zu untersagen.
Konkret geht es um ein Video aus dem vergangenen Jahr, in dem Bhakdi Israel aufgrund seiner Impfkampagne als »Hölle auf Erden« bezeichnet. Der Mediziner steigerte sich in eine antisemitische Hasstirade hinein, spricht davon, wie lernfähig Juden seien und dass es kein Volk gibt, »das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt.« Ein weiterer Fall bezieht sich auf einen Auftritt Ende September in Kiel. Der Wissenschaftler trat als Kandidat der Kleinstpartei »Die Basis« zur Bundestagswahl an und brachte die Zulassung der Corona-Impfstoffe mit einem »Endziel« und einem zweiten Holocaust in Verbindung.
The Länd of Hendlcube Wer analog einkauft, bekommt Einblicke, die den Lieferheini-Kunden auf ewig verborgen bleiben. Da haben die noch mal Glück gehabt, meint Christoph Ruf.
Gerade war ich im Viertel einkaufen und habe mich mal wieder gewundert, wie viele Leute sich mittlerweile nicht nur ihre Pizza anliefern lassen, sondern auch Reis, HMilch oder Duschgel. Von mir haben die „Gorillas“-Lieferheinis noch keinen Cent bekommen, und auch Amazon muss weiter ohne mich expandieren. Das allerdings nicht nur aus politischen Gründen. Ich kaufe einfach so gerne analog ein, dass ich in meinem Lieblingssupermarkt problemlos alle Kassiererinnen und Kassierer an der Stimme erkennen würde. Und zwar nicht nur den, der den sonderbaren Brauch pflegt, jeden Artikel mit leiser Stimme beim Namen zu nennen, ehe er abkassiert: »Frischmilch«, »Spaghetti«, »Quark, 20 Prozent Fettgehalt«, raunt er, ehe er deutlich lauter den Preis nennt: »12 Euro 17«.
Diesmal war ich allerdings irritiert, als ich mit meinem Einkaufsnetz lustwandelte. Es gibt ja nicht mehr so viele »Wienerwald«-Filialen in Deutschland. Warum der Inbegriff westdeutscher Nachkriegsidylle auf seine alten Tage auf die Idee kommt, seine Hähnchen-fast-food-Betriebe umzubenennen, ist mir ein Rätsel. Die Karlsruher Filiale heißt jedenfalls künftig »Hendlcube«, was in seiner britisch-teutonischen Sprachverwirrung nicht wirklich appetitanregend ist. »Karpfencorner«, »Leberkäs-Lounge« oder »Brotzeit-Box« klänge ja auch kacke.
Und »Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Hendlcube« ist phonetisch eher Kreisklasse. Einigermaßen irritiert schlenderte ich also die Straße herunter und ward vom Blitz, also einem lightning-Schlag, getroffen: Ein gar nicht mal unsympathisch aussehender Mittvierziger trug doch allen Ernstes ein Cap, auf dem „The Länd“stand.
Nun müssen Sie wissen, dass in BadenWürttemberg im vergangenen Herbst eine Imagekampagne vorgestellt wurde, die dermaßen einhellig für Spott, Hohn und tief
ist freier Autor und beobachtet in seiner nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten. Die sind ab jetzt immer montags an dieser Stelle zu finden.
empfundene Scham sorgte, dass plötzlich kein Mensch mehr von der so tief gespaltenen Gesellschaft sprach, in der wir angeblich leben. Manch einer fragte zudem erzürnt, ob es denn tatsächlich stimme, dass das Land für diese Geistesflatulenz 21 Millionen Euro an eine Werbeagentur gezahlt habe, die vorher unmöglich andere Auftraggeber gehabt haben könne. Es stimmte. Und so verwunderte es nicht, dass es ein paar Tage dauerte, bis der einzige Südwestdeutsche vor die Mikrofone durfte, der „The Länd“lustig fand. Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte ohne erkennbaren Zusammenhang, die Kritiker sollten doch mal ein wenig Humor zeigen. Das war allerdings wirklich lustig, weil Kretschmann dabei aussah wie ein Nussknacker in dem Moment, in dem die Schale der Walnuss kracht. Also wie immer.
Ironischerweise stachelte „The Länd“in der Folgezeit den Lokalpatriotismus manches Südwestlers an. Ich erinnerte mich an durchaus gelungene Kampagnen: „Wir können alles, außer Hochdeutsch“war angemessen selbstironisch. Und der großmäulige Spruch „Schön hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?“hatte mich im genau richtigen Moment erwischt. Aufgedruckt auf einen Intercity, der das Ruhrgebiet mit Süddeutschland verband und just in dem Moment an mir vorbeifuhr, als ich am Bahnhof Leverkusen Mitte auf die S-Bahn wartete. Leverkusen kann an ästhetischer Wucht nicht ganz mit Florenz oder Paris mithalten. Das Duell mit Ludwigshafen ist allerdings noch unentschieden.
Schwer bepackt ging ich also eine halbe Stunde später wieder nach Hause und wunderte mich erneut über die rosa »Hendlcube«-Sticker am Eingang zum »Wienerwald«. Und dann hatte plötzlich alles einen Sinn: das Universum, die Frage nach dem Sinn des Lebens und das Rätsel, warum Kretschmann eine Werbeagentur beauftragt, die »The Länd« vorschlägt. Ich hatte mich getäuscht. Die Damen und Herren von der Agentur sind mit den 21 Millionen nicht auf die Malediven verschwunden. Sie leben nun in der Karlsruher Weststadt, tragen ihre eigenen Fanartikel. Und sie arbeiten für die hiesige »Wienerwald«-Filiale.
Rasanter Wandel
Halbgare Versprechungen
Ralf Berg, Dobbertin
Kritischer Kommunist
Prof. Dr. Mario Keßler, Berlin
Begeisterter Fan Zu »Leipziger Folklore«, 10.5., S.16; dasnd.de/1163628
Zu »Wo bleibt das laute Nein zur Rüstung?«, 10.5., S.7; dasnd.de/1163646
Dem Beitrag von Dr. Heinrich Niemann in der Debatte »Linke, Krieg und Frieden« kann ich nur zustimmen. Mehr Waffen bringen nicht mehr Sicherheit. Jeder anderen Unterstützung der Ukrainer stimme ich vorbehaltlos zu. Ich bin besonders schockiert, dass sich die Grünen innerhalb kürzester Zeit von einer Friedens- in eine Kriegspartei gewandelt haben. Dabei sind, so ganz nebenbei, Forderungen und konkrete Maßnahmen zum Umweltschutz, zur Erhaltung der Menschheit auf unserer Erde verschwunden. Vielleicht werden sie einst den Rückgang des CO2- Ausstoßes für den kleinen überlebenden Rest der Menschheit als ihren Verdienst angeben.
Dr. Klaus Bormann, Tharandt
Zu »Habeck verspricht Schwedt eine Zukunft“, 11.5., S.1; dasnd.de/1163663
Habeck versichert, er werde sich für Schwedt einsetzen, man wolle dort eine »zukunftsfähige Industrie aufbauen«. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte lehren, dass den Versprechungen betreffend Schwedt und Leuna nicht zu trauen ist; und mit Herrn Putin haben Kanzler und Wirtschaftsminister ja längst ihren Universalschurken bei der Hand, dem alles in die Schuhe zu schieben ist. Bei dieser schwammigen Formulierung gilt das Versprechen als erfüllt, selbst wenn die Hälfte der Bevölkerung von Schwedt vertrieben wird (sprich: sich nach Arbeitslosigkeit bundesweit zu bewerben und in weitem Umkreis keine wirkliche Alternative hat).
Zu »Von Widerstand und Ästhetik«, 10.5., S.12; dasnd.de/1163622
Erik Zielkes ausführliche und nuancierte Würdigung von Peter Weiss als Schriftsteller, Maler und Filmschaffender verdient eine Ergänzung: Zu erinnern ist hier auch an den kritischen Kommunisten Peter Weiss, der 1968 in die schwedische Linkspartei Die Kommunisten eintrat, nachdem diese mit dem Stalinismus gebrochen hatte. Zugleich nahm er mit seinem Drama »Trotzki im Exil« engagiert den Kampf gegen die Verkünder stalinistischer wie antikommunistischer Zerrbilder auf, die auch heute noch gegen Trotzki in Stellung gebracht werden. Wie Trotzki bekämpfte auch Weiss jahrzehntelang in Wort und Schrift den Antisemitismus, der das Leben beider wie so vieler anderer Verfolgter einschneidend bestimmte.
Große Klasse die Kolumne »Ballhaus Ost« von Frank Willmann zum Ortsderby – dem wichtigsten Spiel des Jahres für nach wie vor sehr viele echte Fußballfans in Leipzig. Genauso war es gewesen. Ich saß übrigens auf dem Dammsitz. Ich schließe mich aber auch der Meinung der beiden Trainer an, die auf der Pressekonferenz betonten, dass es wichtig ist, dass es überhaupt noch solche Traditionsduelle im Osten gibt.
Mario Maron, Leipzig
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