nd.DerTag

Geschichte unter dem Strang geschriebe­n

- ANDREAS FRITSCHE

Internetse­ite zum Julius-Fučík-Denkmal im Bürgerpark Pankow

Wer kennt heute noch Julius Fučík? Anwohner Gerhard Hochhuth kümmert sich um das Berliner Denkmal des tschechisc­hen Nazi-Opfers.

Im Berliner Bürgerpark Pankow steht ein Denkmal für den tschechisc­hen Kommuniste­n Julius Fučík, der am 8. September 1943 im Berliner Gefängnis Plötzensee hingericht­et wurde. Vom Fenster seiner Wohnung in der Cottastraß­e 2a aus kann Gerhard Hochhuth das Denkmal sehen.

»Ich fand es wichtig, dass da ein Stück Geschichte steht, das nicht verschwind­en sollte«, erklärt der 75-Jährige, warum er beim Museum und bei der Gedenktafe­lkommissio­n des Stadtbezir­ks anregte, das Denkmal mit einer Hinweistaf­el zu versehen. Denn heute wissen viele nicht mehr, wer Julius Fučík war. In der Tschechosl­owakei und in der DDR waren sehr viele Schulen, Straßen und Plätze nach diesem Opfer des Faschismus benannt. Aber nur noch wenige tragen heute seinen Namen.

Gerhard Hochhuth ist im westdeutsc­hen Kassel aufgewachs­en. Aber als Schüler ist er 1965 auf Klassenfah­rt in Prag gewesen, und 1966 hat er sogar drei Monate in der Stadt verbracht, in der es einen Fučíkplatz gab. Von daher war ihm der Name ein Begriff, bevor er 2009 in die Cottastraß­e zog. Der pensionier­te Pfarrer kümmert sich um Stolperste­ine für jüdische Nazi-Opfer. Da liegt es auf der Hand, dass ihm ein tschechisc­hes NaziOpfer

nicht egal ist, zumal er seit seiner Jugend ein Faible für Prag hat, wo Fučík einst unter dem Decknamen Professor Horák antifaschi­stischen Widerstand leistete.

Es ist schon länger her, dass Hochhuth eine Hinweistaf­el vorschlug. Der Denkmalsch­utz wolle so eine Ergänzung nicht, sei ihm gesagt worden, erzählt der Theologe. Da möchte er noch einmal nachbohren, ob dies wirklich nicht möglich ist. Die Tafel müsse ja nicht direkt ans Denkmal geschraubt werden, sondern könnte in angemessen­er Entfernung aufgestell­t werden.

Zunächst freut sich Hochhuth, dass seine Anregung schon etwas bewirkte. Das Museum Pankow richtete eine Internetse­ite ein, auf der über das Schicksal von Julius Fučík und sein Denkmal im Bürgerpark informiert wird. Das Nationalmu­seum Prag und der Historiker Stefan Zwicker haben dabei geholfen. Im September, zum 79. Todestag von Fučík, ist im Museum eine Veranstalt­ung dazu geplant.

»Nicht dass die CDU als Nächstes darauf kommt, den Abriss des Fučík-Denkmals zu fordern«, sagt Hochhuth mit Blick auf einen Vorstoß, das Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswald­er Straße einzuschme­lzen. Wie berichtet, hatte das Bezirkspar­lament diesen Vorschlag der CDU am 2. Mai abgelehnt. Aber man weiß ja nie.

So wie das Denkmal des 1944 im KZ Buchenwald ermordeten KPD-Vorsitzend­en Thälmann wird auch das Fučík-Mahnmal immer wieder beschmiert. Der aufmerksam­e

Anwohner Hochhuth meldet das dann, damit es gereinigt wird. Das 1974 eingeweiht­e Denkmal besteht aus fünf Stelen, von denen eine im Relief Julius Fučík zeigt und eine in deutscher, russischer und tschechisc­her Sprache den Schluss der »Reportage unter dem Strang geschriebe­n« zitiert: »Menschen, ich hatte euch lieb. Seit wachsam!«

Berühmt wurde Julius Fučík durch diese Reportage. Verfasst hat er sie nach seiner Verhaftung am 24. April 1942 im Prager Gefängnis Pankrác, in dem er bis zu seiner Überstellu­ng nach Berlin inhaftiert war. Mit Bleistift auf Toilettenp­apier machte der Journalist seine Notizen, schilderte seine Verhaftung, sein erstes Verhör und die ersten Monate seiner Haft. Die Wärter Adolf Kolínský und Jaroslav Hora haben die 167 Blätter aus der Zelle geschmugge­lt und versteckt. Kolínský übergab das Manuskript im Mai 1945 an Fučíks Witwe Gusta. Noch im selben Jahr wurde es als Buch veröffentl­icht.

Bis 1990 blieben aber in allen Ausgaben die Passagen gestrichen, die nicht zu einem Heldenmyth­os zu passen schienen. Weggelasse­n wurde etwa die Beschreibu­ng der Ausflüge, die Gestapo-Vernehmer Joseph Böhm mit Fučík unternahm. Böhm führte ihn beispielsw­eise in ein Gartenloka­l aus – wie Fučík vermutete, um ihn zu belastende­n Aussagen über andere Widerstand­skämpfer zu bewegen. Da der Häftling tatsächlic­h Namen nannte, hätte sich für die Leser die heikle Frage aufgedräng­t, ob er Böhm wie behauptet nur zum Narren hielt oder Genossen verraten hat.

Inzwischen untersucht­e Historiker Stefan Zwicker ein Verhörprot­okoll vom 29. Juni 1942 und stellte fest, dass alle Personen, die Fučík hier erwähnte, bereits verurteilt, in Haft oder auf der Flucht waren. Vermutlich half er der Gestapo also nicht, irgendjema­ndem auf die Spur zu kommen, heißt es vom Museum Pankow.

Das Museum spart Fehler Fučíks nicht aus. Der Kommunist war 1929 Redakteur der Parteizeit­ung »Rudé Pravó« geworden und 1930 mit einer Delegation in die Sowjetunio­n gereist. Von seinen Eindrücken berichtete er begeistert in Reportagen, die gesammelt unter dem Titel »Eine Welt, in der das Morgen schon Geschichte ist« erschienen. 1934/35 kehrte er als Korrespond­ent der »Rudé Pravó« in die Sowjetunio­n zurück, die er in seinen Berichten feierte. Ihren Höhepunkt erreichten die Säuberunge­n, die Schauproze­sse und der Terror zwar erst in den Jahren 1936 bis 1938. Doch bereits vorher waren die Schrecken des Stalinismu­s schwer zu übersehen. Deshalb stießen Fučíks überschwän­gliche Reportagen selbst in kommunisti­schen Kreisen auf Kritik.

Doch für Julius Fučík gilt, was die Historiker­in Annette Leo kürzlich über den KPD-Vorsitzend­en Thälmann sagte: »Ja, er war Stalinist. Aber darüber darf man nicht vergessen, dass er ein Opfer des Faschismus gewesen ist. Alle Opfer des Nationalso­zialismus verdienen unseren Respekt.«

fucik.museum-pankow.de

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