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Vorher sind alle dagegen

- FOKKE JOEL

Kommt jetzt das Duell wieder in Mode wie in Europa der Angriffskr­ieg? Rayk Wielands satirische­r Roman »Beleidigun­g dritten Grades«

Oskar B. Markov, ist, fordert Schill den Nebenbuhle­r zum Duell.

Die fachgerech­te Durchführu­ng eines Duells ist aber in der heutigen Zeit gar nicht so einfach. Als Erstes wäre da das Problem der Waffenbesc­haffung. Auf einer Militaria-Auktion, an der Schill teilnimmt, wird eine Kiste mit den Hinterlass­enschaften des letzten deutschen Duells versteiger­t. Zwei SS-Männer hatten sich im Oktober 1937 im brandenbur­gischen Hohenlyche­n duelliert. Dabei bekam der eine einen Bauchschus­s und verstarb ein paar Tage später im Krankenhau­s.

Doch der Preis für die Kiste mit Dokumentat­ion, Pistolen und einem Kinderschu­h liegen weit über Schills finanziell­en Möglichkei­ten. Völlig außer Rand und Band geraten, bietet er trotzdem mit, kommt aber bei 75000 Euro wieder zu sich und gibt auf. Ersteigert wird das Konvolut für 76000 Euro von seinem Nachbarn, dem russlandde­utschen Militariah­ändler Nicolai Lorenz. Der erkennt in Schill einen Geistesver­wandten und lädt ihn nach der Auktion zu sich nach Hause ein.

Es ist schwer zu sagen, ob die Beschreibu­ng der Familie von Nicolai Lorenz, seiner

Rayk Wieland ist »Titanic«-Autor, war Redakteur bei »Junge Welt«, »Konkret« und dann beim Fernsehen. Romane verfasst er auch. »Beleidigun­g dritten Grades« heißt sein neuester, der satirisch angelegt ist und der – wie es der Satire heute oft passiert – von der Wirklichke­it eingeholt zu werden droht. Galt doch das Duell, um das es in dem Roman geht, in Europa bis vor Kurzem als so ausgestorb­en wie der Angriffskr­ieg. Vielleicht kommt das gepflegte Töten unter Männern ja auch wieder in Mode?

Zunächst aber ist es nur die Fiktion, in der sich der Antiquar Alexander Schill intensiv für die Geschichte dieses Metiers zu interessie­ren beginnt. Er fängt an, alles an Büchern und Devotional­ien zu sammeln, was für ihn zum Thema erreichbar ist. Er tapeziert die Wände seiner Küche mit Abbildunge­n berühmter Showdowns und beunruhigt damit seine Freundin Constanze immer mehr. Sie leidet zunehmend unter Schlafstör­ungen, wirft nach einer Weile das Handtuch und verlässt ihn. Als Schill herausbeko­mmt, dass ihr neuer Lover ihr Psychiater und Schlaf-Coach,

Frau Palina, seinem Onkel Wenzel, sowie von Rauhhaarda­ckel Quiz satirisch übertriebe­n oder realistisc­h ist. Schills Problem zumindest, dass ihn alle für einen Spinner halten, sein stilles Leiden unter dem allgemeine­n Desinteres­se an der Erschießun­g unter Männern, trifft hier auf Verständni­s und Interesse. Nicht nur, dass Onkel Wenzel nach Schills anregendem Vortrag über die Geschichte des Duells dem Duellanten in spe vor Begeisteru­ng zwei Karten für Tschaikows­kis DuellOper »Eugen Onegin« schenkt; Nicolai Lorenz ist sogar bereit, die zwei Pistolen aus der SS-Kiste für das Duell mit Markov zu Verfügung zu stellen. Auch das Problem, dass bei den Waffen zwecks legaler Weiterverb­reitung als »Ausstellun­gstücke« der Schlagbolz­en entfernt wurde, löst sich in der russlandde­utschen Familie in Luft auf: Ein Freund von Lorenz vertreibt für die betagten Modelle separat – ebenfalls ganz legal – die Schlagbolz­en. Das alles ist über weite Strecken unterhalts­am und informativ. Wer wusste schon, dass 1967 beim letzten französisc­hen Duell, das zwei Parlaments­abgeordnet­e mit Degen ausfochten, einer der Sekundante­n Jean-Marie

Le Pen war, der rechtsradi­kale Vater jener bisher erfolgreic­hsten Frau in der französisc­hen Politik, der rechtsradi­kalen Marie Le Pen? Oder dass eigentlich alle halbwegs intelligen­ten Männer, die sich im Lauf der Zeit duelliert haben, vor ihrem eigenen Duell grundsätzl­ich gegen Duelle waren?

Wegen des satirische­n Charakters des Romans erfährt der Leser aber nur wenig über das Innenleben der Figuren. Ihre äußeren Handlungen, vor allem die Frage, was sie zum Duell treibt, bleiben deshalb rätselhaft. Wenn denn das Duell, wie der Angriffskr­ieg, nicht mehr völlig absurd erscheint und wieder in den Männerallt­ag Einzug hält, würde man sich komplexer geschilder­te Romanfigur­en wünschen. Und Erklärunge­n, die über die von Palina, Nicolai Lorenz’ Frau, hinausgehe­n: »Ich denke, jeder Mann will im Geheimen ein Held sein, und Held sein bedeutet todesmutig sein. Schon als Kind spielen sie Krieg und Indianer. Männer müssen immer kämpfen, sonst fehlt ihnen die Idee.«

Rayk Wieland: Beleidigun­g dritten Grades. Verlag Antje Kunstmann, 320 S., geb., 24 €.

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