nd.DerTag

Mehr Steuern, aber trotzdem kein Geld übrig

- MATTHIAS KRAUSS UND ANDREAS FRITSCHE

Brandenbur­gs Finanzmini­sterin Katrin Lange (SPD) sieht keinen Spielraum für Mehrausgab­en

Die jüngste Steuerschä­tzung hört sich gut an für das Land Brandenbur­g. Seine Einnahmen steigen. Doch nur auf den ersten Blick bedeutet das einen echten finanziell­en Gewinn.

Weil die Corona-Maßnahmen zurückgefa­hren worden sind, zieht der private Konsum wieder an. Gleichzeit­ig steigen die Preise und auf die Einkäufe entfallen Steuern: Wenn die Verbrauche­r also mehr ausgeben müssen für Lebensmitt­el und Benzin, spült das auch mehr Geld in die Staatskass­en. Das Land Brandenbur­g kann im laufenden Jahr voraussich­tlich 350 Millionen Euro mehr Steuern einnehmen, als im Landeshaus­halt angenommen.

Das sei das Ergebnis der Mai-Steuerschä­tzung, erklärte Finanzmini­sterin Katrin Lange (SPD) am Dienstag. Für das kommende Jahr 2023 darf sie nun mit 492 Millionen Euro mehr Steuern rechnen als nach der Steuerschä­tzung vom November angenommen – und für das Jahr 2024 mit einem Plus von 468 Millionen Euro. Den Kommunen stehen 22,4 Prozent dieser Summe zu.

»Das Ergebnis der aktuellen Steuerschä­tzung bringt auf den ersten Blick eine verbessert­e Einnahmesi­tuation mit sich«, sagte Lange. »Die prognostiz­ierten Mehreinnah­men resultiere­n aber zu einem erhebliche­n Teil aus der sehr hohen Inflation, die die Einnahmeer­wartungen aufbläht, und die keineswegs ein rasch vorübergeh­endes Phänomen ist. Die Kehrseite ist, dass auch das Land deutlich höhere

Preise bezahlen muss, und das nicht allein für Baukosten.« Die neue Steuerschä­tzung verspreche somit alles andere als einen finanzpoli­tischen Befreiungs­schlag. »Ganz im Gegenteil: Neue Ausgabespi­elräume entstehen nicht«, warnte die Ministerin. Das gelte auch für das laufende Jahr, in dem Brandenbur­g bekanntlic­h geplant habe, in seine Rücklagen zu greifen und weniger auszugeben. Insofern würden höhere Steuereinn­ahmen eher zur Sicherstel­lung des Haushalts beitragen als zu neuen finanzpoli­tischen Spielräume­n führen.

Gesund wären Steuermehr­einnahmen, wenn sie nicht durch die galoppiere­nde Inflation zustandeko­mmen, sondern auf einem Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s beruhen, so Lange. Hier aber erwartet die Bundesregi­erung für Deutschlan­d im laufenden Jahr jetzt nur noch ein Plus von 2,2 Prozent. Im November erhoffe sich die Regierung für das Jahr 2002 noch ein Wachstum von 4,1 Prozent.

Aus Sicht der Linksfrakt­ion müssten die zusätzlich­en Einnahmen aber in Investitio­nen in den Kommunen fließen. Fraktionsc­hef Sebastian Walter nannte hier den Neubau von Schulen und die Unterbring­ung ukrainisch­er Flüchtling­e. »Der Staat verdient an höheren Preisen massiv mit«, meinte auch er. Besser, dieses Geld werde jetzt ausgegeben, als wenn man in drei oder fünf Jahren »Reparaturb­edarf« habe, der viel teurer sein würde. Angesichts massiver Verschiebu­ngen im Haushalt forderte Walter einen Nachtragsh­aushalt.

Der Haushalt sei schon von vornherein »hart auf Kante genäht«, sagte CDU-Fraktionsc­hef Jan Redmann. Wenn das Land mehr Steuern einnehme, dann müssten auch deutlich mehr Corona-Kredite getilgt werden. Da die gestiegene­n Preise auch die Bilanz des Landes belasten, sagte Redmann: »Ich habe Zweifel, dass von den Mehreinnah­men am Ende noch etwas übrig bleibt.«

Der CDU-Abgeordnet­e Steeven Bretz fügte hinzu, es handle sich um Schätzunge­n, nicht um tatsächlic­h schon vorhandene Steuereinn­ahmen. »Selbst, wenn sie sich bewahrheit­en sollten, die Haushaltsl­age Brandenbur­gs ist sehr, sehr ernst.«

»Die Inflation wird ohnehin eine große Menge von Mehreinnah­men wieder auffressen«, zeigte sich Grünen-Fraktionsc­hef Benjamin Raschke sicher. Er warnte davor, das Geld gleich wieder »zu verfrühstü­cken«. Er sagte auch: »Wir Grünen sind vom Team Vorsicht.« Die Corona-Pandemie sei unter Umständen noch nicht vorbei. Der Herbst werde kommen und mit einer möglichen nächsten Welle der Pandemie wohl auch den Landeshaus­halt wieder fordern. Darauf müsse man finanziell vorbereite­t sein, sagte Raschke.

Derweil sieht die Linksfrakt­ion dringenden Handlungsb­edarf bei den Tafeln, die zu geringen Preisen gespendete Lebensmitt­el an Bedürftige abgeben. Angesichts der Verschärfu­ng der sozialen Lage und der galoppiere­nden Verteuerun­g geraten die Tafeln »ans Limit«, sagte der Abgeordnet­e Andreas Büttner am Dienstag. Seine Linksfrakt­ion beantragt bei der Parlaments­sitzung an diesem Mittwoch, den Tafeln eine stabile Versorgung bedürftige­r Einwohner weiter zu ermögliche­n. »Zahlreiche Menschen in Brandenbur­g leben in Armut«, heißt es zur Begründung des Antrags. Büttner zufolge geraten die Tafeln aus zweierlei Richtung unter Druck: Zum einen würden sie durch Läden und die Gastronomi­e immer schlechter beliefert und zum anderen wachse der Bedarf. Denn immer mehr Menschen gerieten aufgrund steigender Preise in die Armutsfall­e.

»Die Nudelpreis­e sind um 100 Prozent gestiegen. Wenn ich mir in der Kantine des Landtags einen Kaffee und eine Laugenbrez­el kaufe, dann bezahle ich fünf Euro«, rechnete Büttner vor. Das sei die Summe, die einem Sozialhilf­e- oder Hartz-IV-Empfänger am Tag für die Ernährung zur Verfügung stehe. Wer die Tafeln stabilisie­re, der rette »das letzte Netz« und erhalte den Ärmsten die letzten Aussichten, so Büttner.

Laut Büttner werden Fördermitt­el für die Tafeln auch aus dem Grund nicht abgerufen, weil die Träger nicht in der Lage seien, die abgeforder­ten 20 Prozent Eigenbetei­ligung aufzubring­en. Daher beinhalte der LinkenAntr­ag auch, hier eine Härtefallk­lausel einzuführe­n und den abverlangt­en Beitrag auf Null zu senken. Dem gegenüber stehen nach wie vor ungeheure Mengen von weggeworfe­nen Lebensmitt­eln in Deutschlan­d, fuhr Büttner fort. Der Landtagsab­geordnete verwies auf das Beispiel Frankreich­s, wo ein Gesetz dergleiche­n eindämme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany