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»Die Berliner, das ist ja Wahnsinn«

- KRISTINA PUCK, HELSINKI

Die Spieler vom Eishockeym­eister Eisbären glänzen auch bei der Weltmeiste­rschaft im deutschen Team

Ohne Leon Draisaitl, ohne Dominik Kahun - und nun auch ohne Tim Stützle? Beim wichtigen 3:2 gegen Frankreich übernehmen statt der NHL-Profis erneute andere Spieler die Verantwort­ung.

Das drohende Aus von NHL-Ausnahmest­ürmer Tim Stützle macht die Spieler vom Eishockeym­eister Eisbären Berlin bei der WM noch wertvoller. In wenigen Tagen schalteten sie von der Partystimm­ung in den Wettkampfm­odus – und setzen ihre erfolgreic­hen Auftritte in Helsinki einfach fort. Als Hoffnungst­räger Stützle am Montagaben­d gekrümmt vom Eis gefahren war, glänzten die Berliner Leo Pföderl als Torschütze und Marcel Noebels als Vorbereite­r beim wichtigen 3:2 gegen Frankreich zum zweiten Mal als Sieggarant­en bei dem Turnier in Finnland.

»Die Berliner, das ist ja Wahnsinn«, schwärmte Bundestrai­ner Toni Söderholm nur kurz, nachdem er über die Sorgen gesprochen hatte. Getroffen von einem Check gegen

das Knie konnte Ottawa-Stürmer Stützle nicht weiterspie­len. Ob der 20-Jährige in den womöglich entscheide­nden Partien fürs Viertelfin­ale am Donnerstag gegen Dänemark und am Freitag gegen Italien fehlen wird, war auch am Dienstag noch unklar.

»Timmy ist einer unserer besten Spieler. Das wäre natürlich bitter«, klagte Kapitän Moritz Müller. Die Verantwort­ung, die er übernehme, sei »unglaublic­h«. Wie der ein Jahr jüngere NHL-Verteidige­r Moritz Seider trage er das Spiel »zum großen Teil« auf seinen Schultern. Als Führungskr­aft hatte Söderholm ihn vorgesehen und muss sich nun womöglich noch mehr auf die Berliner verlassen. Es wäre der nächste Verlust eines Anführers – und von Tempo und Kreativitä­t.

Erst feiern, dann jubeln

Erst am Tag vor der Abreise hatte das deutsche Nationalte­am den Ausfall des Olympiazwe­iten von 2018 und ehemaligen NHLStürmer­s Dominik Kahun verkraften müssen. NHL-Superstar Leon Draisaitl fehlt ohnehin.

Umso wichtiger sind die Berliner. In den vergangene­n Jahren galt es manchmal als schwierig, die Profis des deutschen Meisters ins Nationalte­am einzubinde­n. Weil sie vom Spannungsa­bfall und Meisterjub­el hin zum WM-Druck schnell umschalten müssen. Söderholm aber plante wie beim überrasche­nden Erreichen der Top Vier bei der WM 2021 ganz bewusst mit den Meister-Eisbären. Auch in Riga waren die Berliner ein wichtiger Erfolgsfak­tor.

Fünf nahm er diesmal mit: Pföderl ist laut Söderholm einer der »klügsten deutschen Spieler« – und jetzt mit zwei Toren und drei Vorlagen bester deutscher WM-Scorer. Hinzu kommen der erfahrene Noebels, die Verteidige­r Jonas Müller und Kai Wissmann sowie Torhüter Mathias Niederberg­er. »Wenn ein Spieler sein Bestes leistet und in diesem Playoff-Flow drin ist, ist die Wahrschein­lichkeit, dass er auch bei der WM gut spielt, ziemlich hoch«, hatte der Bundestrai­ner begründet. Es funktionie­rt. Niederberg­er hielt dem Druck der Franzosen in der Schlusspha­se auch mit

dem Wissen stand, dass er sein Niveau im schwarz-rot-goldenen Trikot immer noch mal steigern kann. Der Torwart lässt sich auch dadurch nicht aus der Ruhe bringen, dass er, anders als bei der WM 2021, diesmal nicht die Nummer eins ist, sondern Vertreter von NHLGoalie Philipp Grubauer.

Eine zweite Meistersch­aft

Noebels und Pföderl, die mit AHL-Stürmer Marc Michaelis eine Reihe bilden, kennen sich in- und auswendig. Bereits beim 2:1 gegen die Slowakei führte eine Kombinatio­n der beiden zum Tor. »So ein Turnier ist wie eine zweite Meistersch­aft«, erklärte Noebels den Titel-Schub. Womöglich wird die Berliner Meister-Reihe von der WM 2021 nun komplett: Lukas Reichel, der sich in Riga für Nordamerik­a empfahl, könnte nach seinem Saison-Aus in der zweitklass­igen AHL, bald in Finnland eintrudeln – ebenso wie Verteidige­r Leon Gawanke. »Beides sind Ausnahmesp­ieler im deutschen Eishockey«, sagte Moritz Müller.

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