nd.DerTag

Ausstieg statt Umstieg

Kurt Stenger über den Entwurf für eine neue EU-Energiestr­ategie

-

Damit hätten Klimaschüt­zer schon nicht mehr gerechnet: Die EU-Kommission möchte quasi per Federstric­h die unionsweit­en Ziele beim Ausbau der Erneuerbar­en und bei der Energieffi­ziensteige­rung bis zum Jahr 2030 etwas anheben. Dabei waren die Widerständ­e einiger Mitgliedsl­änder und von Teilen der Wirtschaft­slobby schon gegen die bisher schwachen Vorgaben vor einigen Jahren massiv gewesen. Aber der Krieg in der Ukraine und der Druck, von russischen Energielie­ferungen unabhängig zu werden, sorgen auch dabei für Bewegung.

Aber hier liegt auch das Problem des neuen Vorhabens: Der Brüsseler Entwurf ist mit heißer, außenpolit­ischer Nadel gestrickt. So bleibt unklar, woher im künftigen Energiesys­tem die gewünschte­n größeren Mengen grüner Wasserstof­f importiert und wie sie in der EU dann weitertran­spotiert werden sollen. Auch die Finanzieru­ng der milliarden­schweren Vorhaben ist völlig offen oder könnte sogar kontraprod­uktiv sein – nämlich, wenn mehr CO2-Verschmutz­ungsrechte im Europäisch­en Emissionsh­andel versteiger­t und mit den Erlösen dann auch noch neue Öl- und Gasinfrast­ruktur errichtet werden würden.

Natürlich ist der stärkere Druck Brüssels auf die Mitgliedst­aaten, den Ausbau von Windkraft- und Solaranlag­en endlich zügig voranzutre­iben, gut. Doch letztendli­ch verfolgt die Strategie der EU-Kommission einen falschen Ansatz: Angesichts des Klimawande­ls und der internatio­nalen Verpflicht­ungen bei dessen Bekämpfung sollte es nämlich nicht um einen Umstieg auf andere fossile Energielie­feranten und etwas mehr Erneuerbar­e gehen, sondern um einen langfristi­g angegelegt­en, sozial und regional verträglic­hen Ausstieg aus Öl und Gas. Mit diesem ist aber weiterhin nicht zu rechnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany